Forderung nach erweiterter Befreiung von der Rundfunk-Beitragspflicht aus sozialen Gründen

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Maren
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Forderung nach erweiterter Befreiung von der Rundfunk-Beitragspflicht aus sozialen Gründen

Beitrag von Maren »

Geschäftsstelle MPK
Frau
Sabine Schnebbe
mpk@stk.nrw.de



Offener Brief an die Ministerpräsidenten und die Landtagspräsidenten der Länder und an die Abgeordneten der Landtagsfraktionen zur erweiterten Befreiung von der Rundfunk-Beitragspflicht aus sozialen Gründen


Sehr geehrte Damen und Herren Ministerpräsidenten,
sehr geehrte Damen und Herren Landtagspräsidenten
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete aller Fraktionen der Länder,

als unabhängige Rezipienten-Initiative und Interessenvertreter des Publikums öffentlich-rechtlicher Angebote richten wir unsere besondere Aufmerksamkeit auf eine sozial verträgliche und gerechte Gestaltung des Rundfunkbeitrags-Systems.

Der Rundfunkbeitrag beträgt aktuell 18,36 Euro im Monat und es mehren sich bereits wieder die Stimmen in den Anstalten, dass dieser Beitrag, der in Summe einen Betrag von 8.110.729.834,04 Euro ergibt, nicht ausreichend für die „Versorgung mit unabhängiger Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung“ sei.

Rund 2,6 Millionen Bürger waren laut Jahresbericht 2020 zum 31. Dezember 2020 aus sozialen Gründen von der Zahlung des Rundfunkbeitrags befreit. Als Befreiungstatbestände gelten bislang unter anderem:

• Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld (einschließlich Leistungen nach § 22 Sozialgesetzbuch (SGB) II)
• Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sowie nach dem Bundesversorgungsgesetz
• Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB XII)
• Leistungen nach dem BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld nach §§ 122ff. SGB III
• Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

https://www.rundfunkbeitrag.de/buergeri ... x_ger.html

In den zurückliegenden Monaten stiegen die finanziellen Belastungen der Bürger, insbesondere der einkommensschwachen Beitragszahler, als Resultat politischer Entscheidungen exorbitant an. Die aktuelle Inflationsrate in Deutschland liegt im Juni 2022 bei 8,1 Prozent. Als besondere Preistreiber wurden im Mai 2022 die Energie mit einer Preissteigerung um 38,3 Prozent, sowie Waren des täglichen Bedarfs um 13,6 Prozent und Nahrungsmittel um 11,1 Prozent identifiziert. Heizöl wurde im April um 99 Prozent teurer, Superbenzin um 33,2 Prozent, Diesel um 52 Prozent, Haushaltenergie um 33,6 Prozent, Fleisch und Fleischwaren um 11.8 Prozent, Gemüse um 9 Prozent, Freizeit, Unterhaltung und Kultur um 6,1 Prozent - um nur einige der von destatis.de ermittelten Preissteigerungen zu nennen. Auch die Maßnahmen zur Klimaneutralität führen über die Co2-Preise und die Kosten für den Umbau der deutschen Wirtschaft zu deutlichen Preissteigerungen zu Lasten der Bürger.

https://www.destatis.de/DE/Presse/Press ... 5_611.html
destatis.JPG
destatis.JPG (45.67 KiB) 22111 mal betrachtet
Insbesondere der rasante Anstieg der Preise für Energie- und Nahrungsmittel stellt einkommensschwache Bürger vor die Wahl, auf welche bislang als selbstverständlich geltende Ausgaben künftig verzichtet werden muss. Familien mit Kindern, Alleinerziehende und alte Menschen mit niedrigen Renten erleben eine sozialpolitische Zäsur, die für die Nachkriegszeit beispiellos sein dürfte. Selbst der kleine „Luxus“ eines Kino- oder Restaurantbesuches, ein Tag im Schwimmbad oder im Freizeitpark mit den Kindern, der Schulausflug oder das Geschenk für den Enkel erscheint plötzlich als potenziell unmögliche Ausgabe.

Aus dem sich aus Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz ergebenden Sozialstaatsprinzip lässt sich eine grundsätzliche Fürsorgepflicht des Staates subsumieren, die de Facto ausschließt, seinen Bürgern vorsätzlich Härten zuzumuten, die Gesundheit und Leben beeinträchtigen. Gesundheit und Leben wird beeinträchtigt, wenn der Staat durch aktive oder unterlassene Handlungen Zustände fördert, die seine Bürger in großer Zahl unverschuldet in die Armut treiben.

Aufgrund des Verfassungsgrundsatzes der Sozialstaatlichkeit hält es die Ständige Publikumskonferenz aus verfassungsrechtlicher Sicht für unausweichlich, die Möglichkeiten der Rundfunk-Beitragsbefreiung den aktuellen Schwellenwerten für Armutsgefährdung anzupassen. Im Jahr 2021 lag diese laut Statistischem Bundesamt bei 1.173 Euro für Alleinstehende. Aufgrund der massiven Preissteigerungen, die allein im letzten halben Jahr zu verzeichnen sind und voraussichtlich weiter anwachsen werden, könnte der aktuelle Schwellenwert vorsichtig geschätzt inzwischen bei einem Minimum von 1500 Euro liegen. Konkret bedeutet das, dass Einzelhaushalte mit einem Nettoeinkommen bis 1500 Euro von dem Rundfunkbeitrag befreit werden sollten/müssen. Je nach Anzahl der Kinder ist ein Freibetrag von 300 Euro hinzuzurechnen.
Konkret würde dies für Paarhaushalte mit zwei Kindern eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag bis zu einem Familiennetto-Gesamteinkommen von 3600 Euro im Monat bedeuten.

Die Politik nennt die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein „solidarisches Modell“, obwohl einkommensschwache Personen den gleichen Beitrag zu zahlen haben wie Einkommensmillionäre. Eine nicht unerhebliche Anzahl der größtenteils vollzeitbeschäftigten Personen dürfte es als das Gegenteil solidarischen Handels ansehen, wenn sie angesichts der eskalierenden Preisentwicklung gesetzlich verpflichtend zur Finanzierung von überdurchschnittlich hohen Gehältern von Intendanten, Direktoren oder Redakteuren herangezogen werden, während sie selbst mit der Bestreitung ihres normalen Lebensunterhaltes zunehmend an die Grenzen ihre eigenen Leistungsfähigkeit geraten.

Der Staat hat in den letzten Wochen und Monaten gezeigt, wozu er plötzlich finanzielle Mittel in Milliardenhöhe bereitstellen kann. Wir fordern Sie hiermit auf, einer erweiterten Beitragsbefreiung aus sozialen Gründen für die anspruchsberechtigten Bürger unseres Landes zügig zuzustimmen. Die entstandene Finanzierungslücke ist ggf. aus Steuermitteln aufzubringen.

Alternativ sollte unsere Anregung auch zum Anlass genommen werden, eine grundsätzliche Aufgabenkritik hinsichtlich des redaktionellen Umfangs der öffentlich -rechtlichen Sendeanstalten zu eröffnen.

Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus Gründen der Transparenz dieses Schreiben sowie die Antworten der politisch Verantwortlichen auf der Webseite des Vereins https://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen werden.


Mit freundlichen Grüßen

Maren Müller
Vorsitzende
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Maren
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Re: Forderung nach erweiterter Befreiung von der Rundfunk-Beitragspflicht aus sozialen Gründen

Beitrag von Maren »

Notiz:

Gehälter und Vergütungen in der ARD

- Intendantinnen und Intendanten, Direktorinnen und Direktoren
- Durchschnittliche Monatsgehälter 2021 der außertariflich bezahlten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesrundfunkanstalten der ARD
- Monatsgehälter 2021 ausgewählter Berufsgruppen in den Landesrundfunkanstalten der ARD (niedrigste Gruppe und Stufe bis höchste Gruppe und Stufe, Grundvergütung)

https://www.ard.de/die-ard/wie-wir-funk ... tungen-102
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Maren
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Re: Forderung nach erweiterter Befreiung von der Rundfunk-Beitragspflicht aus sozialen Gründen

Beitrag von Maren »

Markus Kurze, medienpolitischer Sprecher der CDU Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, sagte der Volksstimme: „Jeder Bürger hat im täglichen Leben mit der hohen Inflationsrate sowie explodierenden Energie und Kraftstoffpreisen zu kämpfen. Ich halte eine offene Diskussion darüber für richtig, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei seiner guten wirtschaftlichen Situation nicht selbst für eine Entlastung der Beitragszahler sorgen kann. In dieser angespannten Situation würde eine zeitweise Aussetzung des Rundfunkbeitrags den Menschen helfen." (Paid)

https://www.volksstimme.de/sachsen-anha ... duced=true

Hinweis: Die einmalige Aussetzung des Rundfunkbeitrags für einen Monat hat ein Finanzvolumen von ca. 700 Mio. Euro. 2021 hatten die Anstalten Mehreinnahmen von 311 Mio. Euro, 2022 könnten es ca. 700 Mio. Euro mehr sein als 2020.
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Re: Forderung nach erweiterter Befreiung von der Rundfunk-Beitragspflicht aus sozialen Gründen

Beitrag von Maren »

Antworten der Landtagspräsidenten Sachsen, Niedersachsen, Thüringen, NRW, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt.
Dateianhänge
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Maren
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Re: Forderung nach erweiterter Befreiung von der Rundfunk-Beitragspflicht aus sozialen Gründen

Beitrag von Maren »

Uns erreichte ein Schreiben der SPD-Landtagsfraktion M-V. Ich rechne es den Verfassern hoch an, dass sie sich die Mühe gemacht haben, so ausführlich zu antworten und auch nochmal den Grund der Einführung einer staatsfernen Finanzierung der ÖR Anstalten erläuterten.

Nun, den kennen wir bereits. ===>
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollten laut ihrer Gründerväter, noch unter dem Eindruck der Nazipropaganda im Dritten Reich, frei von regierungs- oder wirtschaftspolitischen, religiösen und anderen Interessen im Dienst der Allgemeinheit wirken. Die Existenz von demokratisch legitimierten Gremien zur Kontrolle der Sender ist daher seit ihrer Gründung konstitutiv für die Rundfunkordnung in der Bundesrepublik. Das Rundfunkmodell wurde von der britischen und der US-amerikanischen Militärregierung in einer Form etabliert, die den propagandistischen Missbrauch des Rundfunks durch Staat und Politik verhindern sollte. Das wichtige Medium Rundfunk sollte fortan nur noch der Demokratie dienen.
Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zielt darüber hinaus auf eine Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen in Deutschland in ihrer Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet.


Scan des Briefes:
Antwort_SPD_MckPomm.pdf
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Maren
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Re: Forderung nach erweiterter Befreiung von der Rundfunk-Beitragspflicht aus sozialen Gründen

Beitrag von Maren »

Der Petitionsausschuss im Thüringer Landtag hat beschlossen, unser Anliegen nach "erweiterter Befreiung von der Rundfunk-Beitragspflicht aus sozialen Gründen" an die Fraktionen weiterzuleiten. Mal sehen, ob die Befassung damit ähnlich erfolgreich ist wie die Angelegenheit zur Gendersprache.
Thue_Petition.pdf
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