Manipulative Wortwahl bei Spionagevorwürfen

Gesperrt
Benutzeravatar
Maren
Beiträge: 7137
Registriert: 31. Januar 2014, 21:01
Wohnort: Bonn
Kontaktdaten:

Manipulative Wortwahl bei Spionagevorwürfen

Beitrag von Maren »

An: Gremienbuero@ndr.de

Programmbeschwerde: Manipulative Wortwahl bei Spionagevorwürfen

http://www.tagesschau.de/multimedia/sen ... 18877.html

Sehr geehrte NDR Rundfunkräte,

zum x-ten Male: Cyber-Spionage und Einflussnahme via Kommunikationsnetze in die inneren Angelegenheiten des jeweiligen Gegners werfen sich die USA und Russland bekanntlich seit langem gegenseitig vor, Beweise aber haben sie beide nicht. Wer Cyberkrieg führt, kann das tun, ohne Spuren von sich zu hinterlassen. Er kann allerdings falsche Spuren legen. Außerdem lässt sich prima Propaganda machen mit der Beschuldigung der Gegenseite. Es wäre Aufgabe der Nachrichtenredaktion ARD-aktuell, Sendungen wie die Tagesschau von solcher AgitProp frei zu halten, das ergibt sich aus dem Programmauftrag und den Programmrichtlinien. Ihre daraus abzuleitende Neutralitätspflicht erfüllte die Redaktion jedoch ein weiteres Mal nicht.

Stefan Niemann berichtete am 20.3. 17 aus Washington über Ermittlungen des FBI, den US-Wahlkampf betreffend:

„Keine Beweise gibt es … für die per Twitter erhobenen Vorwürfe des Präsidenten, sein Vorgänger Obama habe ihn im Trump-Tower abhören lassen.“

In Ordnung. Es gibt keine Beweise. Also wird das auch so gesagt. Obama bleibt sauber. Niemann (vorerst) auch.

Zu angeblichen Hacker-Angriffen während des US-Wahlkampfs (nach wie vor ist offen, ob es sich um Indiskretionen von innen handelte) sagte Niemann:
"FBI-Direktor Comey und NSA-Chef Rogers informierten über mutmaßliche russische Hacker-Angriffe während der Präsidentenwahl.... Moskaus Manipulationsversuche gelten in Washington als erwiesen. ...“
Nicht in Ordnung. Es gibt keine Beweise. Aber dank Niemanns Formulierung bleibt an Moskau Dreck hängen. An Niemann selbst allerdings auch. Der tut hier so, als ob. Mit einem fiesen Griff in die verbale Trickkiste.

„Gälten" die Manipulationsversuche tatsächlich als „erwiesen", würde das FBI nicht mehr ermitteln, sondern die Beweise vorlegen. Das FBI hat aber nur Vermutungen. Die sind von gleicher Qualität, wie die ganze Welt sie hegt: dass wir alle von den US-Geheimdiensten CIA, NSA & Co. ausspioniert werden.

Niemann weiß, worüber er spricht und was seine Wortwahl bewirkt: Er manipuliert das Publikum perfide. Objektiv richtig und „der Wahrheit verpflichtet“ wäre eine Formulierung wie diese gewesen:

„Das FBI ermittelt, ob sich Moskau in die US-Wahl eingemischt hat.“

Aber Demagoge Niemann sagt:

„Moskaus Manipulationsversuche gelten in Washington als erwiesen“

Er und sein Chef Gniffke werden frech behaupten, das sei eine zulässige journalistische Form und mache keinen Unterschied.

Sie auch?

Ist ein Ankläger (hier: das FBI) auch nach Ihrem Verständnis zugleich Richter? Darf ein transatlantisch abgerichteter NDR-Korrespondent darüber urteilen, ob die fraglos politisch motivierte Ermittlung und Beschuldigungen seitens eines Geheimdienstes dasselbe sind wie erwiesene Täterschaft?

„...gilt als erwiesen“

sagt Stefan Niemann ist Mikrofon und natürlich nicht, für welche Schwachköpfe in Washington es „gilt“. Der Korrespondent versteckt sich hinter Herrn und Frau Namenlos. Und die Zentralredaktion ARD-aktuell in Hamburg lässt ihn so eine miese Masche stricken. Es ist journalistische Drecksarbeit, die dieser Qualitätsladen seinem zahlenden Publikum zumutet.

Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer
Benutzeravatar
Maren
Beiträge: 7137
Registriert: 31. Januar 2014, 21:01
Wohnort: Bonn
Kontaktdaten:

Re: Manipulative Wortwahl bei Spionagevorwürfen

Beitrag von Maren »

Betreff: Ihre E-Mail vom 21.03.2017

Sehr geehrter Herr Klinkhammer, sehr geehrter Herr Bräutigam,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 21.03.2017, die ich im Auftrag von NDR Chefredakteur Andreas Cichowicz beantworte. Sie kritisieren den Beitrag "FBI untersucht mögliche Absprachen mit Russland" aus der Tagesschau vom 20.03.2017. Dem Autoren des Berichts werfen Sie einen Verstoß gegen die Neutralität vor. Er habe "mit einem fiesen Griff in die Trickkiste" gearbeitet und die Zuschauer "manipuliert", was sie als "journalistische Drecksarbeit" bewerten.

Wir haben uns den Bericht auf die Kritik hin noch einmal angesehen und nehmen wie folgt Stellung.

Unser Korrespondent Stefan Niemann hat das komplette Geheimdienst-Hearing verfolgt und wahrheitsgemäß berichtet, wie Demokraten und Republikaner mit dem Thema umgehen. Dabei hat er aus unserer Sicht vorbildliche Sorgfalt in der Wortwahl walten lassen, denn er formulierte gleich im zweiten Satz des Berichts: „FBI Direktor Comey und NSA Chef Rogers informierten über mutmaßliche russische Hackerangriffe während der Präsidentenwahl.“
Comey selbst kommt dann in dem Bericht mit folgendem Zitat zu Wort: „Das FBI untersucht im Rahmen der Spionageabwehr die Versuche der russischen Regierung, sich in die US Wahlen 2016 einzumischen.“

Aus dieser Äußerung und dem Gesamtverlauf der Anhörung mit den Einlassungen von Politikern beider im Kongress vertretenen Parteien sowie der vorausgegangenen und nachbereitenden Berichterstattung in den USA hat Stefan Niemann faktengerecht geschlussfolgert: „Moskaus Manipulationsversuche gelten in Washington als erwiesen.“

Er wies dann darauf hin, was die Amerikaner besonders beschäftigt: die Ermittlungen der Geheimdienste gegen US-Bürger, konkret gegen Wahlkampfmitarbeiter von Donald Trump. Die Frage, ob es illegale Verbindungen des jetzigen Präsidenten mit der russischen Regierung gab oder gibt, stand im Zentrum der Anhörung. Aber auch hier formulierte Stefan Niemann vor der Kamera mit der gebotenen Zurückhaltung: „Bisher nicht ausgeräumt ist dagegen der Verdacht auf eine illegale Verbindung zwischen Trump und Russlands Regierung.“

Ihre Kritik weisen wir daher als haltlos zurück.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Mendgen

NDR Fernsehen
Programmbereich Zeitgeschehen
Hugh-Greene-Weg 1
22529 Hamburg
Benutzeravatar
Maren
Beiträge: 7137
Registriert: 31. Januar 2014, 21:01
Wohnort: Bonn
Kontaktdaten:

Re: Manipulative Wortwahl bei Spionagevorwürfen

Beitrag von Maren »

Sehr geehrter Herr Mendgen,

besten Dank für Ihre Mail. Die Geschäftsordnung des Rundfunkrates sieht vor, dass der Intendant des NDR zu Programmbeschwerden Stellungnahmen abzugeben hat.
Wir bitten Sie deshalb dafür Sorge zu tragen, dass der Beschwerde die vorgesehene rechtliche Behandlung widerfährt. Sicherlich werden Sie Verständnis für unsere Bitte haben,

Mit besten Grüßen

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
Benutzeravatar
Maren
Beiträge: 7137
Registriert: 31. Januar 2014, 21:01
Wohnort: Bonn
Kontaktdaten:

Re: Manipulative Wortwahl bei Spionagevorwürfen

Beitrag von Maren »

Betreff: Ihre E-Mail vom 21.03.2017

Sehr geehrter Herr Klinkhammer, sehr geehrter Herr Bräutigam,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 21.03.2017, die ich im Auftrag von NDR Chefredakteur Andreas Cichowicz beantworte. Sie kritisieren den Beitrag "FBI untersucht mögliche Absprachen mit Russland" aus der Tagesschau vom 20.03.2017. Dem Autoren des Berichts werfen Sie einen Verstoß gegen die Neutralität vor. Er habe "mit einem fiesen Griff in die Trickkiste" gearbeitet und die Zuschauer "manipuliert", was sie als "journalistische Drecksarbeit" bewerten.

Wir haben uns den Bericht auf die Kritik hin noch einmal angesehen und nehmen wie folgt Stellung.

Unser Korrespondent Stefan Niemann hat das komplette Geheimdienst-Hearing verfolgt und wahrheitsgemäß berichtet, wie Demokraten und Republikaner mit dem Thema umgehen. Dabei hat er aus unserer Sicht vorbildliche Sorgfalt in der Wortwahl walten lassen, denn er formulierte gleich im zweiten Satz des Berichts: „FBI Direktor Comey und NSA Chef Rogers informierten über mutmaßliche russische Hackerangriffe während der Präsidentenwahl.“
Comey selbst kommt dann in dem Bericht mit folgendem Zitat zu Wort: „Das FBI untersucht im Rahmen der Spionageabwehr die Versuche der russischen Regierung, sich in die US Wahlen 2016 einzumischen.“

Aus dieser Äußerung und dem Gesamtverlauf der Anhörung mit den Einlassungen von Politikern beider im Kongress vertretenen Parteien sowie der vorausgegangenen und nachbereitenden Berichterstattung in den USA hat Stefan Niemann faktengerecht geschlussfolgert: „Moskaus Manipulationsversuche gelten in Washington als erwiesen.“

Er wies dann darauf hin, was die Amerikaner besonders beschäftigt: die Ermittlungen der Geheimdienste gegen US-Bürger, konkret gegen Wahlkampfmitarbeiter von Donald Trump. Die Frage, ob es illegale Verbindungen des jetzigen Präsidenten mit der russischen Regierung gab oder gibt, stand im Zentrum der Anhörung. Aber auch hier formulierte Stefan Niemann vor der Kamera mit der gebotenen Zurückhaltung: „Bisher nicht ausgeräumt ist dagegen der Verdacht auf eine illegale Verbindung zwischen Trump und Russlands Regierung.“

Ihre Kritik weisen wir daher als haltlos zurück.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Mendgen

NDR Fernsehen
Programmbereich Zeitgeschehen
Hugh-Greene-Weg 1
22529 Hamburg
Benutzeravatar
Maren
Beiträge: 7137
Registriert: 31. Januar 2014, 21:01
Wohnort: Bonn
Kontaktdaten:

Re: Manipulative Wortwahl bei Spionagevorwürfen

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Rundfunkräte,

die Stellungnahme des NDR überzeugt uns nicht.

Das Problem dieser Form von Berichterstattung ist, dass ARD-aktuell und Korrespondent Niemann als Transporteure von Gerüchten auftreten, deren Neuigkeitswert unter dem Schrottpreisniveau liegt. Es mag sein, dass der "Schrott" zutreffend beschrieben wird, damit wird ein Propaganda-Artikel aber noch nicht zu einer journalistisch vertretbaren Meldung, sondern bleibt Schrott. Wer das leugnet, beweist zumindest Naivität, eher jedoch ein fragwürdiges Berufsverständnis.

Es handelte sich bei dem Beitrag wieder einmal um eine Pseudo-Nachricht, einzig und allein dazu gedacht, den Propagandaflow zu erhalten: Methode: Über etwas, dass es entweder gar nicht gegeben hat oder das nicht bewiesen werden kann immer wieder und unverdrossen berichten. Es im Gespräch halten. Zweckentsprechend nicht unbedingt den angeblichen Fakt selbst darstellen, es genügt auch, zu melden, was andere Nichtwisser darüber gesagt oder geschrieben haben. Hörensagen beweist zwar nichts, aber es bewirkt etwas. Es taugt fürs Manipulieren.

Jedes passende Gerücht, jede, auch die absurdeste Aussage eines Politikers zum Thema, eines Sängers oder Schauspielers, eines gescheiterten Geheimdienstlers, in den allermeisten Fällen auch noch seit mehreren Jahren außer Dienst, trägt dazu bei, einem Propagandamärchen ein klein wenig mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen.
Das konkrete propagandistische Teil-Ziel: Die Zuschauer und Zuschauerinnen an den Gedanken zu gewöhnen und das Gefühl zu erzeugen, Russland sei und bleibe ein Schurkenstaat. Zu diesem Zweck so lange und so oft wie möglich Negativbehauptungen wiederholen, und seien sie noch so absurd. Irgendwann werden sie vom Rezipienten als Wahrheit, als Fakt wahrgenommen.

Es wundert uns nicht, dass die Öffentlichkeit nur sehr verhalten darauf reagiert, dass die "Tagesschau“ nunmehr sogar von einem Landesminister öffentlich für überflüssig erklärt und ihr Chef im Netz bespöttelt wird wegen Schaumschlägerei wie dieser:

"Jede Bürgerin, jeder Bürger dieses Landes soll sich auf der Basis von Informationen ein eigenes Urteil bilden, soll an politischen Prozessen partizipieren können und – wenn sie/er will – sich engagieren. Diese Funktion erfüllt die Tagesschau nur, wenn sie unvoreingenommen berichtet und den Leuten keine Meinung unterjubelt."

Wir bleiben bei unserer Auffassung, dass der Beitrag gegen die Programmrichtlinien verstößt.

Mit freundlichen Grüßen

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
Gesperrt

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Bing [Bot] und 4 Gäste