Reporter ohne Grenzen

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Irena

Reporter ohne Grenzen

Beitrag von Irena »

Habe jetzt gerade eine Diskussion, in der die Rangliste der Reporte ohne Grenzen angesprochen war. Russland steht auf 152 Platz, Ukraine auf 129 Platz.

Ich habe Kritik auf Wikipedia gelesen. Mich würde interessieren, wie wird diese Liste erstellt. Eine wirklich wissenschaftliche Untersuchung scheint es nicht zu sein. Hat jemand mit dem Thema sich auseinander gesetzt?
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Maren
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Re: Reporter ohne Grenzen

Beitrag von Maren »

Grundlage der Rangliste ist ein Fragebogen zu allen Aspekten unabhängiger journalistischer Arbeit, den Reporter ohne Grenzen an Hunderte Journalisten, Wissenschaftler, Juristen und Menschenrechtsverteidiger weltweit sowie an sein eigenes Korrespondentennetzwerk verschickt.

Die insgesamt 87 qualitativen Fragen sind in sechs Kategorien unterteilt: Medienvielfalt, Unabhängigkeit der Medien, journalistisches Arbeitsumfeld und Selbstzensur, rechtliche Rahmenbedingungen, institutionelle Transparenz sowie Produktionsinfrastruktur. Aus den gewichteten Antworten wird eine Punktzahl zwischen 0 (optimal) und 100 (schlechtestmöglich) errechnet. Hinzu kommt eine quantitative Kategorie für Übergriffe und Gewalttaten gegen Journalisten, die Reporter ohne Grenzen nach festgelegten Kriterien selbst ermittelt und die in eine Gesamtpunktzahl einfließt. Aus der höheren dieser beiden Punktzahlen – also dem schlechteren Wert – ergibt sich im Verhältnis zu den Ergebnissen der übrigen Länder der jeweilige Platz in der Rangliste. Die Punktzahl für Übergriffe kann den Rang eines Landes also nur verschlechtern, aber nicht verbessern. (LINK)
Es werden dort eine ganze Reihe altbekannter transatlantischer Agitatoren mitbestimmen, in welchem Land Pressefreiheit herrscht und in welchem nicht nicht. “Reporter ohne Grenzen” wird vom US-amerikanischen Propagandainstituten NED gesponsert. Russland hat diese halbseidenen "Demokratiebringer" kürzlich des Landes verwiesen.

Die absurde Platzierung Russlands zum Beispiel, weit hinter diversen Bananenrepubliken und Gewaltregimen, spricht für den kompletten Realitätsverlust der an diesem Regelwerk beteiligten "Experten". Die haarsträubensten und absurdesten Berichte über Russland, Russlands Präsidenten, Land und Leute, über angeblich diskriminierende Gesetze oder die gefühlte geistig und moralischen Verfasstheit der Russen, wird just aus diesem Land von Auslandsjournalisten über arglose (deutsche) Rezipienten gekübelt. Insbesondere deutsche Journalisten, die aus Russland berichten, müsste es doch komplett verstören, dass sie ihrer Berufung, die weltweit feindseeligste und herablassendste Berichterstattung über Russland in Russland gänzlich unbehelligt von staatlichen Repressalien nachgehen können.

Zur Platzierung Deutschlands im vorderen Mittelfeld: Verfolgung von kritischen Journalisten durch staatliche Stellen setzt zunächst das Vorhandensein kritischer Journalisten voraus. Die deutsche Medienlandschaft ist ein elementarer Bestandteileil des Systems. Oligarchische Besitzer wie Springer, Mohn, Holtzbrinck, Burda etc. lenken die öffentliche Meinung in Deutschland. Journalisten dieser Häuser und auch der beitragsfinanzierten Medienanstalten gehen kollektiv gegen vom Mainstream abweichende Meinungen vor und versuchen so die Konkurrenz an der Deutungsfront durch Rufmord zu eliminieren. Der Staat brauchte bislang nicht weiter einzugreifen, denn der Selbstreinigungsmechanismus funktionierte lange Zeit. Diese Zeit ist nun vorbei und es wird laut über entsprechende Gesetze zur Beschränkung der Meinungsfreiheit und offene Zensur nachgedacht.

Hier ein schöner Beitrag von Volker Bräutigam zu diesem Verein:
Schauen wir einmal genauer auf die Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Der Verein wird anteilig von der französischen und von der US-Regierung bezahlt, u.a. über die obskure US-Stiftung National Endowment for Democracy. Er habe damit überhaupt kein Problem, erklärte RSF-Vorsitzender Mènard dazu öffentlich. Heißt es nicht: Wes' Brot ich ess', des Lied ich sing'?

Besagte Stiftung, im Kalten Krieg von Präsident Reagan zunächst zur Destabilisierung Kubas und Nicaraguas gegründet, hat früher antikommunistische US-Kampagnen in aller Welt finanziert, in jüngerer Zeit die neoliberale Opposition in Serbien und die ebenso neoliberale orangene Bewegung in der Ukraine. Ob National Endowment for Democracy zur CIA gehört, mögen kompetentere Leute untersuchen als ich.

Schwarze Liste des State Department als Orientierung

„Reporter mit runtergelassener Hose“ betitelte Carolina Cositore im ZNet ihren Bericht über antikubanische Machenschaften der RoG. Thomas Immanuel Steinberg beschrieb den Verein als „Reporter ohne Scham-Grenzen“. Diese und viele andere Kritiker werfen den Reporters Sans Frontières einäugige Berichterstattung über die Verfolgung von Journalisten vor. Die Auswahl der Länder orientiere sich an der Schwarzen Liste des US-State Department: Iran, Syrien, Nordkorea, Vietnam, China, Kuba, vermeide jedoch jegliche Berichterstattung über Aktivitäten gegen Journalisten in den USA bzw. in den mit den USA liierten Ländern. So habe RoG nicht über getötete Medienleute auf den Philippinen berichtet, obwohl die Zahl der dort ermordeten Journalisten die weltweit zweihöchste sei. Auch im Falle der in den USA inhaftierten „Lebenslänglichen“ Miami Five und des zum Tode verurteilten und von Amnesty International unterstützten Journalisten Mumia Abu Jamal sei keinerlei Berichterstattung durch RoG erfolgt.

Wir sollten, wenn der Name „Reporter ohne Grenzen“ fällt, nicht so tun, als hätten wir noch nie von politischer Desinformation gehört, von Schwarzen Kassen, geschmierten Kollegen, von aus Geheimdienstquellen finanzierten Werbebüros und ihrem Einfluss auf die veröffentlichte Meinung. Die RoG mögen ihre Verdienste haben. Man würde sie allerdings höher achten, wenn sie ihrer Arbeit weniger einäugig nachgingen, mehr objektive Information böten und weniger miese Propaganda.
Volker Bräutigam war bis vor 10 Jahren NDR-Redakteur, u.a. 10 Jahre Redakteur der Hamburger Zentralredaktion der "ARD-Tagesschau". Er schreibt als Pensionär regelmäßig für die Zeitschrift Ossietzky.
Irena

Re: Reporter ohne Grenzen

Beitrag von Irena »

Vielen Dank, Maren

habe ich dein Antwort übersehen.

Was s. g. Demokraten hierzulande fällt bzw. nicht bewusst: die Freiheit (der Menschenrechte, der Medien) und Demokratie hängt zum Einem mit dem Wohlstand des Landes zusammen und zum Andrem der Größe der Mittelschicht. In einem armen Land kann man zwar Korruption bekämpfen, nur der Armut ist guter Dünger für deren Gedeihen. So ist es Sisiphus-Arbeit es zu bekämpfen (bekanntlich auch reichen Länder unterliegen, nur dort ist es kein Massenphänomen). Die freie Medien in einem Land, das von Korruption leidet? Kann ich mir nicht vorstellen.

Was ich meine damit, man stellt mit Forderungen der demokratischen Ziele eindeutig die Sache auf dem Kopf. Das Einzige, was gekämpft werden muss, ist der Armut. Die wachsende Mittelschicht wird schon ihre Rechte erkämpfen, so wie auch hierzulande passiert.

Mit der Ölkrise, mit der westlichen Sanktionen muss sich das Westen nicht wundern, wenn seine Selbstprophezeiung bezüglich Russland sich bewahrheitet. Ich wünsche mir sehr, dass die Russen genug robust sind und es überstehen.
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Maren
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Re: Reporter ohne Grenzen

Beitrag von Maren »

Rangliste der Pressefreiheit: Lage verschlechtert sich weltweit – auch Deutschland sinkt im Ranking
Wissenschaftler weisen immer wieder daraufhin, dass das Ranking von Reporter ohne Grenzen aufgrund seiner Untersuchungsmethode nur mit Vorsicht zu genießen sei. Auch die Medienforscherin Laura Schneider, die in einem Handbuch der DW Akademie fünf Pressefreiheitsrankings unter die Lupe genommen hat, hinterfragt, wie aussagekräftig die ROG-Rangliste wirklich ist. Sie betont, dass die Bewertungen der 180 Länder sehr subjektiv seien, da sie oftmals auf nur sehr wenigen Befragten beruhten.
Ärgerlich ist, dass die Berichterstattung in den deutschen Mainstream-Medien über das verschlechterte Ranking Dtl. durch die Bank behauptet, dass dies die "Folge der stark gestiegenen Zahl von Anfeindungen, Drohungen und gewalttätigen Übergriffen gegen Journalisten bspw. auf Demonstrationen sei. Das ist natürlich Blödsinn, passt aber genau ins Bild der derzeit wieder verstärkt in Fahrt kommenden Selbstmitleids-Tour der Branche. Die Pressefreiheit ist nicht durch krakeelende Minderheiten innerhalb einer demokratischen Ordnung gefährdet, sondern durch staatliche Repressalien, durch Selbstzensur und durch zunehmenden wirtschaftlichen Druck.

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