Bürgereingabe an das Auswärtige Amt - Steinmeier: Auch Islamisten sollen an Syrien-Gesprächen teilnehmen

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Maren
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Bürgereingabe an das Auswärtige Amt - Steinmeier: Auch Islamisten sollen an Syrien-Gesprächen teilnehmen

Beitrag von Maren »

Bürgereingabe an das Auswärtige Amt - buergerservice@auswaertiges-amt.de
Steinmeier: Auch Islamisten sollen an Syrien-Gesprächen teilnehmen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Mit Entsetzen durfte ich heute lesen, dass der Außenminister unseres Landes, Frank-Walter Steinmeier, ohne Not und auf die Abschlusserklärung in Wien verzichtend, sinngemäß diesen "Vorschlag" unterbreitete.

Ich weise als deutscher Staatsbürger energisch darauf hin, dass die Abschlußerklärung in Wien von Oktober letzten Jahres ausdrücklich den säkularen Charakter des syrischen Staates betonte. Besagte Islamisten haben zum erklärten Ziel, ebendiesen zu beseitigen. Gleichfalls arbeiten diese de facto ausnahmslos mit der international als Terrororganisation anerkannten Jabhat al-Nusra, dem zynisch "Unterstützungsfront" genannten Ableger der al-Qaida in Syrien zusammen. Es kann seitens Ihres des Hauptvertreters ihres Ministeriums nicht ernst gemeint sein, solche Gruppen auf eine legitime Plattform zu hieven.

Saudi-Arabien, dessen Wunschteilnehmer diese Islamisten im Wesentlichen sind, hatte selber im Dezember betont, dass die Teilnahme dieser nicht durch international bindende Abkommen gesichert ist. Ich fordere Sie eindringlich auf, sich an die dagegen bindende Abschlusserklärung von Wien zu halten!

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen

XXXXXXX
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Maren
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Antwort auf die Bürgereingabe an das Auswärtige Amt - Steinmeier: Auch Islamisten sollen an Syrien-Gesprächen teilnehmen

Beitrag von Maren »

"Sehr geehrter Herr XXXX,

Vielen Dank für Ihre Mail an das Auswärtige Amt.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir aufgrund der zahlreichen Zuschriften zum Thema Syrien und IS, die uns täglich erreichen, nicht alle Ihre Fragen beantworten können.

Wir beobachten die dramatische Lage der Flüchtlinge in Syrien und in den umgebenden Nachbarländern mit großer Sorge. Der Konflikt, der 2011 zunächst mit friedlichen Protesten begann, hat sich zu einer regionalen Flüchtlingskrise ausgeweitet. Die Bundesregierung hat hierauf reagiert und seit Beginn des Konfliktes bis Ende 2015 bereits rd. 430.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen - weit mehr als jedes andere Land in Europa. Die deutsche Unterstützung beläuft sich seit 2012 auf rund 1,44 Mrd. Euro, davon 664 Mio Euro humanitäre Hilfe. Deutschland lag damit bisher an 3. Stelle der bilateralen Geber, nach den USA, und Großbritannien.

Auf der Konferenz "Supporting Syria and the Region" am 4.02.2016 in London sagte die Bundesregierung 2,3 Milliarden Euro bis 2018 zu. Deutschland hat auf der Konferenz die größte Einzelzusage gemacht. Insgesamt sagte die internationale Gemeinschaft rund 10 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 zu.

Angesichts der Zuspitzung der Situation in Syrien wird immer deutlicher, dass es keine militärische Lösung des Konfliktes geben kann, sondern dass es eines politischen Prozesses bedarf, um die Region zu befrieden. Dies war Konsens sowohl der Wien-Konferenzen vom 30.10. und 14.11., an denen auch Iran, Saudi Arabien, Türkei und Russland teilnahmen, als auch Kernelement der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 2254 vom 18.12.2015.

Die Bundesregierung war maßgeblich an diesen Übereinkünften beteiligt und bemüht sich weiterhin intensiv darum, zu einer politischen Initiative zur Beendigung der Gewalt in Syrien beizutragen. Prioritär sind zunächst eine Beendigung der Gewalt und flächendeckender humanitärer Zugang, auch um die innersyrischen Verhandlungen zwischen Regime und Opposition, die Ende Januar in Genf begannen, schnellstmöglich wieder aufzunehmen.

Wir sind dazu mit zahlreichen Akteuren im Gespräch. Dazu gehört der Sondergesandte der Vereinten Nationen für Syrien, Staffan de Mistura, ebenso wie Vertreter der Länder in der Region (unter anderem Russland, die Türkei, Saudi-Arabien und der Iran). Die Bundesregierung wird sich weiterhin für die Achtung des humanitären Völkerrechts einsetzen und an alle Konfliktparteien appellieren, ihren Verpflichtungen zum Schutz der Zivilbevölkerung nachzukommen. Dazu gehört, all jenen, die ein umkämpftes Gebiet verlassen wollen, eine sichere Evakuierung zu ermöglichen und die humanitäre Versorgung aller Bedürftigen zu ermöglichen, unabhängig von Religions-, Volkszugehörigkeit oder politischer Überzeugung.

Die terroristische Gruppierung IS stellt eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar, und zwar wegen ihrer extremistisch-salafistischen Gewaltideologie, wegen ihrer terroristischen Handlungen, ihrer anhaltenden schweren, systematischen und ausgedehnten Angriffe auf Zivilpersonen sowie ihrer Anwerbung und Ausbildung ausländischer Kämpfer. Sie gefährdet Frieden und Stabilität im Nahen und Mittleren Osten und gefährdet die Sicherheit auch in Europa. Dies haben zuletzt die Anschläge auf dem Sinai, in Beirut, in Paris und in Tunis gezeigt.
Die Bundesregierung übernimmt erhebliche Verantwortung bei der Bekämpfung von IS. Sie trägt durch Ausbildung irakischer Kräfte im Nordirak und die Lieferung von Ausrüstung zum militärischen Kampf des Irak gegen IS bei.

In Syrien unterstützt die Bundesregierung die Verwaltung in den von der moderaten Opposition kontrollierten Gebieten. Sie leistet aktiv Beiträge in der Anti-IS-Koalition, mit Schwerpunkt auf der Stabilisierung von IS-befreiter Gebiete.
In der 49. KW hat die Bundesregierung den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch den sogenannten Islamischen Staat beschlossen. Die völkerrechtliche Grundlage für die Entsendung ist die Unterstützung Frankreichs, Iraks und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen IS auf der Grundlage des in Artikel 51 der UN-Charta garantierten Rechts auf kollektive Selbstverteidigung und im Zusammenhang mit den Resolutionen 2170, 2199 und 2249 des UN-Sicherheitsrats. Die Unterstützung für Frankreich erfolgt darüber hinaus in Erfüllung der Beistandspflicht nach Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union. Die Entsendung erfolgt im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach Artikel 24 Absatz 2 unseres Grundgesetzes.

Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist ein zentrales Element im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Regionale und internationale Zusammenarbeit sind entscheidend, um Erfolge zu erzielen. Deutschland engagiert sich aktiv in den zuständigen Gremien, wie z.B. der Financial Action Task Force, und bei der Umsetzung der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Wir haben, wie viele unserer Partnerländer, das VN-Übereinkommen über die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung ratifiziert.

Mit freundlichen Grüßen
Das Syrien-Referat im Auswärtigen Amt
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Maren
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Re: Bürgereingabe an das Auswärtige Amt - Steinmeier: Auch Islamisten sollen an Syrien-Gesprächen teilnehmen

Beitrag von Maren »

Der aufmerksame Bürger wollte sich nicht mit der Antwort des Syrien-Referates im Auswärtigen Amt zufrieden geben und intervenierte:

Sehr geehrte Frau XXXXXX,

Ich nehme mit Besorgnis zur Kenntnis, dass Ihnen und dem Syrien-Referat im Auswärtigen Amt die Jabhat al-Nusra, welche in verschiedenen Publikationen als genauso gefährlich erachtet wird wie der Islamische Staat, ausdrücklich offenbar keiner Erwähnung etwaiger Initiativen oder Arbeitsgruppen, die sich direkt mit dieser Gruppe und ihrem weit verzweigten Netz ideologischer und militärischer Verbindungen zu anderen Aufständischengruppen innerhalb Syriens beschäftigen, wert ist. Ich muss annehmen, dass Sie, das Syrien-Referat, in der Hinsicht offenbar keinerlei Arbeitsgruppe unterhalten, die sich ausdrücklich mit dieser Gruppierung beschäftigt.

In einem lichten Moment Anfang Dezember fand der Vorstehende Ihres A.A., Außenminister Frank-Walter Steinmeier, sehr deutliche Worte, was diese Gruppe anbelangt, deren Bekämpfung ausdrücklich gestattet ist durch die Resolution 2249 und die, genauso wie der Islamische Staat, von einer zu verhandelnden Waffenruhe innerhalb des Gesprächsformats in Genf ausgenommen ist. Sie finden den Wortlaut Ihres Außenministers unter folgendem Link:

https://www.bundesregierung.de/Content/ ... hemen.html
"[...]Deshalb arbeiten wir intensiv an dem Weg auf eine politische Lösung hin. Aber solange das nicht der Fall ist, müssen wir uns eingestehen, dass wir gemeinsam in der Verantwortung stehen, dass das Gebiet von ISIS und Al-Nusra sich in Syrien nicht noch weiter ausbreitet, mit all den Risiken, die das für Syrien, aber erkennbar auch in Europa bedeutet, wie sich das in Paris in tragischer Weise vor wenigen Wochen gezeigt hat."
Kurz zuvor hatte diese Gruppe am 18. November desselben Jahres ein Video veröffentlicht, welches deren Tötung von Kriegsgefangenen zeigt. Sie finden eine Beschreibung der Machart dieses Videos unter folgendem Link:

http://www.vocativ.com/news/254794/al-q ... tyle-video

Jabhat al-Nusra, die "Unterstützungsfront des Volkes in Sham" - der "Levante" - hat sich dabei über die Jahre verschiedene Gräueltaten und Anschläge geleistet in ihrem Kampf für einen islamischen Staat, der sich ausdrücklich von Säkularität i. S. der Trennung von Glaube und Staat - ein ausdrücklicher Punkt bei der Abschlusserklärung in Wien Ende Oktober letzten Jahres! -, Minderheitenschutz oder der Wahrung von Menschenrechten absetzt. Mit ihrem Anspruch, das "Volk von Sham" zu "unterstützen" unterscheidet sich die Gruppe in keiner Weise von dem Anspruch von ISIS - "Islamischer Staat in Irak und in Sham" -, welche denselben territorialen Anspruch auf "Sham" direkt erheben. In der Tat machte Jabhat al-Nusra ihren Anspruch auf das Gesamtterritorium der "Levante" in der Vergangenheit überdeutlich mit Aktionen wie der folgend zitierten:

http://www.aljazeera.com/news/middleeas ... 21358.html
http://www.aljazeera.com/news/middleeas ... 55650.html

Dass diese Gruppe dennoch, als Vertreter von al-Qaida, der "Basis", Anschlüsse an den internationalen Terrorismus unterhält, beweisen die Verbindungen, die zu Attentätern wie dem Ehepaar bestanden, welches in San Bernardino, USA, jüngst ein Attentat verübte. Auch personell sind die Übergänge zwischen Islamischem Staat und al-Nusra fließend.
Auch berücksichtigen muss man die Vielzahl an Gruppen, mit denen Jabhat al-Nusra in Syrien kooperiert. Diese haben oftmals ebenso den Anspruch, für das "Volk von Sham" zu kämpfen, verfolgen also ebenso Ambitionen über die Grenzen des syrischen Staats hinaus. Selbstredend verfolgen auch diese Gruppen die Errichtung eines "islamischen Staats", welchen internationale Normen im Rahmen der Vereinten Nationen nicht tangieren.

Einem Staat wie Saudi-Arabien mag dies vielleicht genehm sein, und ein Staat wie die heutige Türkei, welche offenbar darauf abzielt, das Sykes-Picot Abkommen über die Grenzen in Nahost - natürlich uneigennützig - mit einem Çavuşoğlu - al-Jubeir Abkommen zu beerben, mag dies auch nicht stören. Jedoch sollten gerade Sie, das A.A., die Augen nicht verschließen sowohl vor dem Charakter, der bei den Aufständischengruppen vorherrscht, als auch vor den Ambitionen, welche gerade Saudi-Arabien und seine verbündeten Monarchien im Golfkooperationsrat sowie die türkische Republik im Krieg in Syrien hegen.

Ich hoffe, die Beobachtungen, die ich, als Staatsbürger dieses Landes, Ihnen oben dargelegt habe, sind Ihnen bereits wohlbekannt. Sollten sie es nicht sein, hoffe ich, dass Sie innerhalb des Syrien-Referats Ihre Hausaufgaben machen werden, was die Nusra-Front im Speziellen und die Gesamtsituation im syrischen Konflikt angeht.

Wie gesagt: Dass Sie mit keinem Wort erwähnen, dass die Nusra-Front mit ihren Vernetzungen ein direktes Thema im A.A. ist, beruhigt mich dahingehend mitnichten.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen - dennoch -
XXXXXX
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