Nachrichtenunterdrückung zum Staatsstreich in Brasilien

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Maren
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Nachrichtenunterdrückung zum Staatsstreich in Brasilien

Beitrag von Maren »

To: gremienbuero@ndr.de

Programmbeschwerde: Nachrichtenunterdrückung. hier: keine Informationen zum Staatsstreich in Brasilien

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 23. Mai enthüllten die meisten Medien in Lateinamerika Informationen darüber, dass das laufende Impeachment-Verfahren gegen die Staatspräsidentin Dilma Rousseff kein formal einwandfreier politischer Vorgang ist, sondern dass es sich um einen Putsch handelt, den korrupte brasilianische Politiker insgeheim mit der Generalität sowie in Absprache und mit Unterstützung US-amerikanischer Regierungs- und Geheimdienststellen inszeniert haben. Darüber berichtete ARD-aktuell, US-konformistisch und politisch abhängig wie gewohnt, mit keinem Wort. Und zwar obwohl Informationen in ausreichender Menge verfügbar waren, verbreitet. u.a. vom brasiliansichen Public-TV Telesur; das ARD-Auslandsstudio in Rio de Janeiro dürfte ebenfalls infomiert gewesen sein.

Quelle: http://www.telesurtv.net/english/opinio ... -0017.html

Jedenfalls informierten die ARD-Herrschaften in Rio das deutsche Publikum nicht über den Skandal und auch nicht über den politischen Trend, der sich seither zugunsten Rousseffs entwickelt. Ob das davon kommt, dass die ARD-Korrespondenten im dolce-vita-Rio de Janeiro ihr Büro und Lebensmittelpunkt haben und nicht in der Hauptstadt Brasilia, wo die politische Musik spielt, mag unerforscht bleiben. Zur Kenntnis nehmen sollten sie und damit auch die Zentralredaktion in Hamburg allerdings das bestens informierte Internet-Portal Brasil247. Danach ist die suspendierte Präsidentin Rousseff längst "aus der Intensivstation heraus"

Quelle: http://www.brasil247.com/pt/blog/paulom ... -a-UTI.htm.

Die Putschmedien hatten zuvor Dilma Zustimmungswerte auf 18% herunterpubliziert. Trotz des anhaltenden Dauerfeuers der unter US-Einflüssen stehenden brasilianischen Mainstream-Medien genießt Rousseff nun bereits wieder Zustimmungswerte bei 33%. Das beweist, dass die Palastrevolutionäre es nicht schaffen, dem Land ihre Version der Dinge aufzuschwatzen.

Folgen im Sinne eines informativen Berichterstattung seitens der ARD-Tagesschau hatte das allerdings nicht. Der Publizist Paul Schreyer schrieb über das deutsche Schweigekartell, dem neben ARD-aktuell auch das ZDF und die meisten Konzernmedien angehören:

Quelle: http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=33561

„Dass der Machtwechsel, der sich Mitte des Monats in Brasilien ereignete, kein normaler politischer Prozess, sondern tatsächlich ein reaktionärer Putsch war, belegt ein in dieser Woche veröffentlichtes Protokoll eines im März heimlich aufgenommenes Gespräch zwischen Romero Jucá, seit Mai Planungsminister der neuen konservativen Übergangsregierung, und einem Manager des Ölkonzerns Petrobras.

Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/48/48334/1.html

Das vertrauliche Gespräch fand statt, bevor die gewählte Präsidentin des Landes, Dilma Rousseff, durch ein fragwürdiges juristisches Verfahren Mitte Mai vorläufig entmachtet wurde. ...

Das Gesprächsprotokoll erschien in Auszügen zuerst am Montag dieser Woche in einer der größten Tageszeitungen Brasiliens, Folha de São Paulo

Quelle: http://www1.folha.uol.com.br/paywall/ad ... jato.shtml

Der in Brasilien lebende Investigativjournalist und Snowden-Vertraute Glenn Greenwald regte an, dass die Medien nun rasch überlegen müssten, ob man angesichts der vorliegenden Enthüllungen nicht klar von einem „Coup“, einem „Putsch“, sprechen müsse: „Diese Intrige sieht aus wie ein Coup, klingt wie ein Coup und riecht auch wie einer: die Kooperation des Militärs und der mächtigsten Institutionen zu sichern, um einen demokratisch gewählten Führer abzusetzen, aus Eigeninteresse, korrupten und gesetzlosen Motiven, um dann eine Oligarchen-Agenda durchzusetzen, welche die Bevölkerung verachtet.“ Auf diese ersten Artikel folgte am Dienstag die New York Times mit einem Bericht, in dem es hieß, dass das Protokoll eine Intrige oder Verschwörung nahelege....“

Quelle: http://www.nytimes.com/2016/05/24/world ... ricas&_r=1

Schreyer fragt: "Was machten nun die deutschen Medien daraus?"

Das fragen wir uns mit Blick auf ARD-aktuell allerdings auch. Und wir reichen die Frage in Form einer Programmbeschwerde an Sie weiter. Schließlich hat ARD-aktuell laut Staatsvertrag dem Publikum einen „umfassenden Überblick über das Weltgeschehen“ zu geben. Dr. Gniffke sollte also Gelegenheit bekommen, zu erklären, weshalb ein Putsch im fünftgrößten Land der Erde, in der der achtgrößten Volkswirtschaft der Welt, aus seiner Sicht kein markanter Teil des Weltgeschehens ist und es deshalb keiner laufenden jurnalistischen Beobachtung und informativer Berichterstattung bedurfte..

Höflich grüßen

Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer
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Maren
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Re: Nachrichtenunterdrückung zum Staatsstreich in Brasilien

Beitrag von Maren »

Sehr geehrter Herr Bräutigam,
sehr geehrter Herr Klinkhammer,

in Ihrer E-Mail vom 29. Mai 2016 kritisieren Sie die fehlende Berichterstattung über die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Amtsenthebungsverfahren gegen die brasilianische Präsidentin Rousseff.

Ich habe die verantwortliche Redaktion von ARD-aktuell gebeten, zu Ihrer Kritik Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme finden Sie im Anhang.
Stellungnahme-Dilma_geschwärzt.pdf
(83.32 KiB) 766-mal heruntergeladen
Mit freundlichen Grüßen

Lutz Marmor

Intendant des Norddeutschen Rundfunks
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Re: Nachrichtenunterdrückung zum Staatsstreich in Brasilien

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde vom 29.5.2016 - Intendantenantwort

Sehr geehrte Damen und Herren des Rundfunkrates,

wieder einmal hat ARD-aktuell für Sie als Rundfunkräte Nebel produziert, den Sie aufgrund Ihrer offensichtlichenen journalistischen Unerfahrenheit nicht durchdringen sollen, aber Ihrer Aufgabe gemäß auflösen sollten.

Die ersten Zeilen in den Ausführungen der Redaktionsleitung vom 14.6.2016 sind überflüssig, weil sie nicht den zentralen Punkt unserer Kritik berühren. Entscheidend ist der letzte Absatz: Dort räumt die Redaktionsleitung ein, dass der Mitschnitt großes Aufsehen in Brasilen verursacht habe und wichtig für das Amtsenthebunhgsverfahren sei. Sie redet sich dennoch damit heraus, dass dieser Punkt aktuell nicht berichtenswert gewesen sei, weil er erst zukünftig relevant werde.

Das ist in etwa so, als wenn bekannt würde, dass Frau Merkel Opfer eines Terror-Anschlages geworden sei, ARD-aktuell darüber aber nicht berichtet, weil die Redaktion erst die Entwicklung des Gesundheitszustandes der Kanzlerin abwarten wolle. Potenzierter Unsinn also.

Festzuhalten ist: ARD-aktuell hat einen wesentlichen Aspekt des staatsstreichähnlichen Prozesses in Brasilia verschwiegen. Der Grund, weshalb über das fragliche geleakte Telefonat kaum berichtet wurde, dürfte darin zu sehen sein, dass die Verbindungen der Umstürzler nach Washington und die politische und finanzielle Mitwirkung der USA an dem Putsch darin angesprochen waren - und dass eine abhängig transatlantisch agierende Redaktion wie die ARD-aktuell solche Nachrichten eben nicht einmal mit spitzen Fingern anfasst, staatsvertragswidrigerweise. Im übrigen verweisen wir inhaltlich auf unsere Programmbeschwerde vom 29.5.2016. Da zu erwarten ist, dass Sie als Rundfunkräte sich wieder folgsam der Stellungnahme von ARD-aktuell anschließen werden, scheint uns die ausdrückliche Forderung angebracht, dass Sie Ihren Bescheid gefälligst begründen.

Mit höflichem Gruß

F.Klinkhammer und V. Bräutigam

Als Lesetip für Rundfunkräte verweisen wir auf: http://www.rationalgalerie.de/kritik/di ... ratie.html
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