ARD - Falschmeldung - Tsipras schürt Zweifel an Reformwillen
Verfasst: 23. Juli 2015, 13:40
Norddeutscher Rundfunk
Intendanz
Herrn Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Programmbeschwerde
Sehr geehrter Herr Marmor,
hiermit erheben wir Beschwerde gegen den Tagesschau-Beitrag vom 22.07.2015, „Tsipras schürt Zweifel an Reformwillen“ von Ralph Sina (WDR), wegen grober Falschdarstellung und der Verbreitung unbewiesener Behauptungen.
So würden angeblich bei EU-Kommission und der Eurogruppe alle Alarmglocken läuten und sie würden sich laut Ihres Beitrages die Frage stellen, ob Athen schon wieder mit einer Reform-Verzögerungstaktik beginne und internationale Griechenland-Geldgeber und EU hoffen angeblich, dass Tsipras nicht erneut den Fehler mache, Reformen zu verschleppen.
Sämtliche Behauptungen bleiben ohne Belege.
EU-Kommission und EZB bestätigten einmütig, dass sich die griechische Regierung an den vereinbarten Zeitplan halte und zwar genau in der Form, wie dieser beim Eurogipfel beschlossen wurde. Tsipras hat sich, wie wir wissen, bislang an alle getroffenen Vereinbarungen gehalten.
Bis zum 15. Juli 2015 hatte die griechische Regierung die geforderten Reformen im Steuer- und Rentensystem verabschiedet. Am 22.07.2015 wird in Athen planmäßig über Reformen im Justiz- und Bankenwesen abgestimmt. Die Sonderabgabe auf Agrardiesel und weitergehende Reformen im Rentensystem sind für einen späteren Zeitpunkt vereinbart.
Der vorläufige Zeitplan für die Verhandlungen mit Griechenland für ein ESM-Programm :
- Ab 22. 07.2015 Verhandlungen in Athen
- Bis 07.08.2015 Einigung über das „Memorandum of Understanding“
- 10.08.2015 – 16.08.2015 Nationale Verfahren für das ESM-Programm
- 17./18.08.2015 Erste ESM-Zahlung an Griechenland
- 20.08.2015 Große Rückzahlung an Gläubiger, die nicht von Brückenfinanzierung abgedeckt werden
Wie aus EU-Politikerkreisen verlautbart, begründeten technische Korrekturen an den Beschlüssen keine Verstöße gegen die Gipfelbeschlüsse, wie auch die EU-Kommission ausdrücklich festgestellt hat. Es ist unstrittig, dass Griechenland sich bisher an seinen Teil der Abmachungen gehalten hat, um die notwendigen Verhandlungen über ein ESM-Programm zügig beginnen zu können.
Warum diese Fakten einem ARD-Korrespondenten vor Ort in Brüssel nicht geläufig sind, erscheint uns angesichts der frei verfügbaren Quellen unerklärlich.
Eine weitere Passage innerhalb des Beitrages von Ralph Sina thematisiert nebulös und an dieser Stelle komplett themenfremd, dass Yannis Varoufakis in einem CNN-Interview Fehler zugegeben habe. Neben der Irrelevanz dieser Meldung sticht zum wiederholten Male eine unsaubere Übersetzung der Aussage Varoufaks ins Auge.
Im Beitrag der Tagesschau heißt es: „und für eine ganze Reihe dieser Fehler sei er selber verantwortlich.“
Das Original von Varoufakis gibt diese Zuspitzung „ganze Reihe“ nicht her: “I hold myself responsible for a number of them” lautet Varoufakis Aussage im Original. Korrekt übersetzt hätte es heißen müssen: “für einige von diesen“ / „für mehrere davon“ / „für etliche davon“.
Abgesehen von der unsauberen Übersetzung: Welche Schlüsse soll der Rezipient aus der Information zu „einer ganzen Reihe“ von eingestandenen Fehlern des ehemaligen Finanzministers ziehen, wenn diese unmittelbar nach der Fehlinformation auftaucht, dass „Athen schon wieder mit einer Reform-Verzögerungstaktik beginne"?
Die Fehler, die Varoufakis in seinem Interview eingestanden hat, haben den Charakter des Revue passieren lassen und sind in ihrem Kontext in keinster Weise kompatibel mit dem beanstandeten Beitrag.
Das völlig anlasslose Orakeln im letzten Absatz, welches eine baldige Schuldenerleichterung ohne Reformen in weiter Ferne sieht, sowie schlussendlich die absurde Drohkulisse, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel erst dann diskutieren werde, wenn Athen vor allem mit unpopulären Reformen überzeuge, verstört durch völlige Ignoranz gegenüber der bislang zuverlässig (!) geleisteten Anstrengungen Griechenlands und blendet wiederholt gänzlich empathiebefreit das Leid eines Großteils der griechischen Bevölkerung aus.
Ihre Berichterstattung wiederspricht in eklatanter Weise Programmgrundsätzen, schürt auch weiterhin Misstrauen und Ressentiments gegenüber unseren europäischen Partnerland Griechenland und ist willkommene Stichwortgeberin für Gexit-BefürworterInnen aller politischen Lager.
Innerhalb der Kommentarspalten von Tagesschau.de finden sich vermehrt Opfer defizitärer Berichterstattung.
Foristen können dort unbehelligt durch moderative Interventionen von faulen, betrügerischen und unzuverlässigen Griechen schwadronieren und es offenbart sich - für alle sichtbar - das ganze verstörende Ausmaß der Folgen tendenziöser Informationspolitik.
Desinformation schlägt sich vermehrt in Hass und in irrationaler Zustimmung für Repressionen gegen andere Nationen nieder, fördert Rassismus, spricht niedere Instinkte an und gefährdet Demokratie und solidarisches Zusammenleben.
Es ist an der Zeit, dass sowohl Programmverantwortliche als auch Kontrollgremien bestimmte Arbeitsweisen von Redaktionen und Korrespondenten auf den Prüfstand stellen, um nicht in den Verdacht zu geraten, entgegen der Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages und damit auch entgegen des gesetzlichen Auftrages zu handeln.
Präventiv sei angemerkt, dass weder die Beschwerde noch das gezogene Fazit des Beschwerdeführers in irgendeiner Weise die Programmautonomie öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten tangieren. Es wird lediglich DAS Informations- und (Willens-)Bildungsangebot eingefordert, welches den Anforderungen des Rundfunkstaatsvertrags entspricht.
Wir bitten um zügige und gemäß journalistischen Standards transparent zu erfolgende Korrektur an exakt der Stelle, an welcher die Falschmeldungen verbreitet wurden.
Zum Zwecke der Transparenz werden wir diese Beschwerde sowie die Antwort der Programmverant-wortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Maren Müller
Intendanz
Herrn Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Programmbeschwerde
Sehr geehrter Herr Marmor,
hiermit erheben wir Beschwerde gegen den Tagesschau-Beitrag vom 22.07.2015, „Tsipras schürt Zweifel an Reformwillen“ von Ralph Sina (WDR), wegen grober Falschdarstellung und der Verbreitung unbewiesener Behauptungen.
So würden angeblich bei EU-Kommission und der Eurogruppe alle Alarmglocken läuten und sie würden sich laut Ihres Beitrages die Frage stellen, ob Athen schon wieder mit einer Reform-Verzögerungstaktik beginne und internationale Griechenland-Geldgeber und EU hoffen angeblich, dass Tsipras nicht erneut den Fehler mache, Reformen zu verschleppen.
Sämtliche Behauptungen bleiben ohne Belege.
EU-Kommission und EZB bestätigten einmütig, dass sich die griechische Regierung an den vereinbarten Zeitplan halte und zwar genau in der Form, wie dieser beim Eurogipfel beschlossen wurde. Tsipras hat sich, wie wir wissen, bislang an alle getroffenen Vereinbarungen gehalten.
Bis zum 15. Juli 2015 hatte die griechische Regierung die geforderten Reformen im Steuer- und Rentensystem verabschiedet. Am 22.07.2015 wird in Athen planmäßig über Reformen im Justiz- und Bankenwesen abgestimmt. Die Sonderabgabe auf Agrardiesel und weitergehende Reformen im Rentensystem sind für einen späteren Zeitpunkt vereinbart.
Der vorläufige Zeitplan für die Verhandlungen mit Griechenland für ein ESM-Programm :
- Ab 22. 07.2015 Verhandlungen in Athen
- Bis 07.08.2015 Einigung über das „Memorandum of Understanding“
- 10.08.2015 – 16.08.2015 Nationale Verfahren für das ESM-Programm
- 17./18.08.2015 Erste ESM-Zahlung an Griechenland
- 20.08.2015 Große Rückzahlung an Gläubiger, die nicht von Brückenfinanzierung abgedeckt werden
Wie aus EU-Politikerkreisen verlautbart, begründeten technische Korrekturen an den Beschlüssen keine Verstöße gegen die Gipfelbeschlüsse, wie auch die EU-Kommission ausdrücklich festgestellt hat. Es ist unstrittig, dass Griechenland sich bisher an seinen Teil der Abmachungen gehalten hat, um die notwendigen Verhandlungen über ein ESM-Programm zügig beginnen zu können.
Warum diese Fakten einem ARD-Korrespondenten vor Ort in Brüssel nicht geläufig sind, erscheint uns angesichts der frei verfügbaren Quellen unerklärlich.
Eine weitere Passage innerhalb des Beitrages von Ralph Sina thematisiert nebulös und an dieser Stelle komplett themenfremd, dass Yannis Varoufakis in einem CNN-Interview Fehler zugegeben habe. Neben der Irrelevanz dieser Meldung sticht zum wiederholten Male eine unsaubere Übersetzung der Aussage Varoufaks ins Auge.
Im Beitrag der Tagesschau heißt es: „und für eine ganze Reihe dieser Fehler sei er selber verantwortlich.“
Das Original von Varoufakis gibt diese Zuspitzung „ganze Reihe“ nicht her: “I hold myself responsible for a number of them” lautet Varoufakis Aussage im Original. Korrekt übersetzt hätte es heißen müssen: “für einige von diesen“ / „für mehrere davon“ / „für etliche davon“.
Abgesehen von der unsauberen Übersetzung: Welche Schlüsse soll der Rezipient aus der Information zu „einer ganzen Reihe“ von eingestandenen Fehlern des ehemaligen Finanzministers ziehen, wenn diese unmittelbar nach der Fehlinformation auftaucht, dass „Athen schon wieder mit einer Reform-Verzögerungstaktik beginne"?
Die Fehler, die Varoufakis in seinem Interview eingestanden hat, haben den Charakter des Revue passieren lassen und sind in ihrem Kontext in keinster Weise kompatibel mit dem beanstandeten Beitrag.
Das völlig anlasslose Orakeln im letzten Absatz, welches eine baldige Schuldenerleichterung ohne Reformen in weiter Ferne sieht, sowie schlussendlich die absurde Drohkulisse, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel erst dann diskutieren werde, wenn Athen vor allem mit unpopulären Reformen überzeuge, verstört durch völlige Ignoranz gegenüber der bislang zuverlässig (!) geleisteten Anstrengungen Griechenlands und blendet wiederholt gänzlich empathiebefreit das Leid eines Großteils der griechischen Bevölkerung aus.
Ihre Berichterstattung wiederspricht in eklatanter Weise Programmgrundsätzen, schürt auch weiterhin Misstrauen und Ressentiments gegenüber unseren europäischen Partnerland Griechenland und ist willkommene Stichwortgeberin für Gexit-BefürworterInnen aller politischen Lager.
Innerhalb der Kommentarspalten von Tagesschau.de finden sich vermehrt Opfer defizitärer Berichterstattung.
Foristen können dort unbehelligt durch moderative Interventionen von faulen, betrügerischen und unzuverlässigen Griechen schwadronieren und es offenbart sich - für alle sichtbar - das ganze verstörende Ausmaß der Folgen tendenziöser Informationspolitik.
Desinformation schlägt sich vermehrt in Hass und in irrationaler Zustimmung für Repressionen gegen andere Nationen nieder, fördert Rassismus, spricht niedere Instinkte an und gefährdet Demokratie und solidarisches Zusammenleben.
Es ist an der Zeit, dass sowohl Programmverantwortliche als auch Kontrollgremien bestimmte Arbeitsweisen von Redaktionen und Korrespondenten auf den Prüfstand stellen, um nicht in den Verdacht zu geraten, entgegen der Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages und damit auch entgegen des gesetzlichen Auftrages zu handeln.
Präventiv sei angemerkt, dass weder die Beschwerde noch das gezogene Fazit des Beschwerdeführers in irgendeiner Weise die Programmautonomie öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten tangieren. Es wird lediglich DAS Informations- und (Willens-)Bildungsangebot eingefordert, welches den Anforderungen des Rundfunkstaatsvertrags entspricht.
Wir bitten um zügige und gemäß journalistischen Standards transparent zu erfolgende Korrektur an exakt der Stelle, an welcher die Falschmeldungen verbreitet wurden.
Zum Zwecke der Transparenz werden wir diese Beschwerde sowie die Antwort der Programmverant-wortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Maren Müller