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Ein Insider der griechischen Regierung hebt den Schleier von 5 Monaten der „Demütigung“ und „Erpressung“
‘Wir unterschätzten ihre Macht' (Teil 1) [1]


In diesem 4-teiligen Interview mit Mediapart macht ein leitender Berater der griechischen Regierung, der seit den letzten 5 Monaten im Herzen der Verhandlungen zwischen Athen und seinen internationalen Gläubigern war, Details öffentlich, welche ein Würfelspiel von Lügnern über das Schicksal einer Nation, die wirtschaftlich und gesellschaftlich zu Fall gebracht wurde, zeigen. Sein Bericht gibt einen seltenen und erschreckenden Einblick in den Prozess, der zu dieser Woche und seiner Alles-oder-Nichts-deadline führte für das Erreichen eines Rettungspaket zwischen Griechenland und seinen internationalen Kreditgebern, ohne die das Land einem Sturz aus dem Euro und dem totalen Bankrott ins Auge blickt. Er beschreibt das außergewöhnliche Mobbing Griechenlands linker Regierung durch die Gläubiger, einschließlich der direkten Drohung des Eurogruppenpräsident Jeroen Djisselbloem einen Kollaps der griechischen Banken zu verursachen, falls ein drastisches Sparprogramm nicht unterzeichnet werden würde. „Wir zogen in den Krieg, daran glauben, dass wir dieselben Waffen wie sie hatten,“ sagte er. „Wir haben ihre Macht unterschätzt.“


08.07.2015 | Von Christian Salmon

Ein leitender Berater des griechischen Verhandlungsteam mit den europäischen Gläubigern stimmte letzte Woche einem Treffen in Athen mit dem Sonderkorrespondenten Christian Salmon zu. Unter der Bedingung, dass sein Name unter Verschluss gehalten wird, erzählte er detailliert von der Geschichte der langwierigen und erbitterten Verhandlungen zwischen der linken Syriza-Regierung, die im Januar gewählt worden ist, und den internationalen Kreditgebern um die Bereitstellung eines neuen Rettungspaket für das hochverschuldete Land.

Fast zwei Stunden wurde das Interview auf Englisch geführt und fand nur wenige Tage vor dem Referendum am Sonntag statt über die neuesten und drastischen austeritären Rettungsangebote, die von den Gläubigern angeboten und von Premierminister Tsipras abegelehnt wurden und die schließlich mit 61,3% abgeschmettert wurden.

Während der Ministerberater die Haltung der internationalen Gläubiger auseinandernimmt, die er beschuldigt eine Strategie der bewussten Erstickung Griechenlands Wirtschaft und Finanzen zu führen, ist er auch gegenüber einiger Entscheidungen aus Athen kritisch. Sein Bericht beleuchtet auch die persönlichen Spannungen, die der ehemalige Finanzminister Yanis Varoufakis ansprach, der am Montag von seinem Posten zurücktrat und „einen starken Wunsch von manchen Eurogruppenteilen und verschiedener Partner“ für meine „Abwesenheit“ von den Treffen bedauerte.

Der Berater zitiert Drohungen die Varoufakis gegenüber geäußert wurden von dem Eurogruppen-Präsident Jeroen Dijsselbloem, der warnte er würde Griechenlands Banken ertränken, wenn die Tsipras-Regierung sich nicht dem strengen Angebot beugen würden und von dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, der, wie der Berater sagt, fragte: „Wie viel Geld wollt ihr, damit ihr den Euro verlasst?“

Das Interview folgt weiter unten und ist über die nächsten drei Seiten präsentiert in einer kontinuierlichen Folge von Auszügen:


Von Anfang an widersprach ich, dass es nur eine Verhandlung sei – wir geben euch das, ihr gebt uns das, du kommst näher. Denn was passierte war, dass die einige Verhandlungen über Finanzpolitik hatten, einige Details über die Finanzpolitik, über die Bedingungen, et cetera. So, durch diese Diskussionen, war es die Regierung die immer näher an die Troika kam, ohne dass sich die Troika bewegte in unsere Richtung, und niemals wurde die Schuld diskutiert: Schuldenumstrukturierung, Schuldennachhaltigkeit und auch, wissen sie, Finanzierung. Bekommen wir eine neue Finanzierung, hebt die EZB die Grenzen an, die ganzen Einschränkungen, die Limits wie viel Geld die Banken sich leihen können, der Staat von den Banken leihen kann? Weil wir nicht leihen konnten.

Früher konnten wir uns Geld leihen. Bis Februar konnten wir noch Schatzbriefe ausgeben. Kurzfristige auf drei Monate und festangelegte auf ein Jahr. Aber dieser Regierung wurde es nie erlaubt dies zu tun, weil es beendet war. Keine Schatzbriefe mehr […] Man sieht, dass das Problem ist, dass die Banken die Schatzbriefe kaufen. Und die EZB sagte: „Keine Schatzbriefe mehr.“ Und so konnte der Staat sich nichts mehr von der Bank leihen.

So fingen wir an von März bis April den Staat zu ökonomisieren, wir zogen alle Geldreserven aus allen Bereichen, Behörden, Kommunen und andere Orte, wie diese um den IWF bezahlen zu können. Wir zahlten einmal, wir zahlten zweimal und wir mussten auch noch Löhne zahlen. Wir zahlten die Löhne von den Einnahmen von Steuereinzügen. Aber es war nicht genug um den IWF weiter zu bezahlen. Wir hatten ein Problem mit dem Primärüberschuss, wir konnten den IWF nicht bezahlen, also kratzten wir alles zusammen.

Im Grunde hat dies eine inländische Liquiditätsknappheit geschaffen, Liquidität in Bargeld. Banken, Exportfirmen, gute Firmen konnten nichts mehr leihen, Menschen konnten ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen, sie konnten keine Erweiterung ihrer Kredite bekommen und praktisch das ganze Kreditsystem begann zu zerfallen, begann nicht mehr zu funktionieren. Natürlich hatten die Banken ein paar Sicherheitsreserve, aber sie erreichten den Punkt, als auch die Banken nichts mehr vom ELA leihen konnten, sie mussten schließen, weil sie sonst alle Reserven erschöpfen würden.

[…] Unternehmen, die ihre Beschäftigten nicht über die Bankaccounts bezahlte konnten kein Bargeld mehr an die Beschäftigten ausgeben – und davon gibt es viele. Zudem sagte sie: „Sieh, wir haben keine Einnahmen, deshalb gebe ich dir 500 Euro statt 800 Euro und wir werden sehen was passiert, wenn die Banken wieder öffnen.“ So hatten wir eine Situation die zu einer Kettenreaktion wurde, […] als ob sie einen Herzinfarkt hätte. Jetzt sind wir in der Zeit nach den Effekten. Andere Organe werden taub. Manche hören auf zu arbeiten, andere versuchen es, bekommen aber nicht genug Blut.

Über den früheren Finanzminister Yanis Varoufakis:

Die Menschen fragen sich, warum er in der Eurogruppe so unbeliebt war und warum die Menschen an der Macht ihn nicht mochten. Und eine Menge Menschen sagen, dass sie ihn nicht mögen weil er ihnen Vorlesungen halten zu scheint über ihre Arroganz. Er denkt so: Dies ist ein akademisches Thema, ein wirtschaftliches Thema oder ein technisches Theam. Aber was ich denke ist, dass alle diese Menschen – besonders die in der Politik, an der Macht, die Eurogruppe, die Minister – ein Phänomen gesehen haben, dass ganz anders war als das, was sie bisher gesehen haben in ihrem auserwählten Kreis des normalen Politikprozess.

Denn er ist ein Mann, der seinen eigenen Kleidungsstil hat, er ist sehr selbstsicher und zur gleichen Zeit sehr freundlich, sehr offen, sehr ehrlich. Wissen Sie, sie können ihm eine Frage stellen und er dreht sich nicht im Kreis, er wechselt nicht das Thema und das schafft Schwierigkeiten, denn Politiker und Journalisten und Medien. Dies sind zwei Dinge die zeigen, dass Varoufakis nicht hineinpasst, aber auf der anderen Seite wird er gefeiert und erzeugt widerstreitende Emotionen. Man hasst ihn oder man liebt ihn.


‘Wir unterschätzten ihre Macht' (Teil 2) [2]


Zur schlimmen und sofortigen Krise vor der die griechischen Banken stehen

Die Reserven der Banken entsprachen nicht der benötigten Menge. Wir sind in einer Situation, in der normalerweise die Liquidität des Marktes, das Geld das zirkuliert, um die 10 Milliarden Euro ist, aber nun mit all dem was passiert, mit den Menschen, die Geld unter der Matraze verstecken, sind es 50 Milliarden Euro. 50 Milliarden Euro Bargeld zirkulieren und die EZB stoppt ihre Notfinanzierung der griechischen Banken. Das bedeutet, dass die Menschen die Bankaccount mit 2-3-4-5 Tausend Euro haben, nur 60 Euro pro Tag abheben können, zwar kannst du mit mehren Accounts mehr Geld abheben. Aber was ist mit den Menschen, die keinen Account haben, Die Menschen, die nur von ihrem Gehalt leben? Am Ende jedes Monats sind sie solange pleite, bis ihre Gehaltscheck kommt. […] Seit gestern wird ihnen nur noch 50 Euro gegeben. Nur die kleineren Banken, wie Postbanken, die weniger Kunden haben, können noch 60 Euro ausgeben. Aber den großen 4 Banken – National, Piraeus, Alpha und Eurobank – fehlt es an 20 Euronoten, also können sie nur noch 50 Euro ausgeben. Deshalb fiel es von 60 Euro auf 50 Euro.

Aber die Sicherheitsreserven, die sie behalten haben, laufen aus. Wenn alle Menschen gehen und sich 60 Euro holen – auch wenn sie sie nicht brauchen würden, nur um sie zu sparen – dann wird eine Zeit kommen, in denen die Banken kein Bargeld mehr haben werden. Und dann starten die Probleme. Und in diesem Fall wenn wir keine Notfallliquiditätsunterstützung der EZB bekommen, haben wir keine Wahl als eine Parallelwährung auszugeben. Natürlich wäre das das Ende der Wirtschaft, denn sie ist schon voller Angst, voller Panik, dass sogar wenn die Banken wieder öffnen, sie trotzdem noch rekapitalisiert werden müssen. Bisher waren sie noch flüssig.

Sie wurden von der ELA beliehen, sie hätten auch von der EZB leihen können sollen, aber die EZB sagte: „Nein, von hier an akzeptieren wir eure Sicherheiten nicht mehr. Ihr müsst euch teurer Geld leihen von der ELA.“ Das ist eine weitere Kapazitätsbegrenzung, die die Banken haben. Aber wenn die Reserven auslaufen, hat der Staat ungefähr 40 Milliarden Euro bezahlt um die Banken mit neuem Kapital zu versorgen, dass sie in dem 2012 Schnitt der alten griechischen Bonds verloren haben.

Der Teil des zweiten Programms der Vereinbarung von 2012, nach dem Schuldenschnitt des PSI in der Höhe von ungefähr 170 Milliarden Euro, waren daraus ungefähr 50 Milliarden Euro zur Rekapitalisierung der Banken. Natürlich gibt es noch ein anderes Problem. Von dem PSI haben die öffentlichen Mittel ähnlich, wenn nicht sogar mehr gelitten, beim Verlust der Reserven. Warum? Weil sie vom Gesetz gezwungen wurden sind ihre Bargeldreserven bei der Bank of Greece zu lagern und die Bank of Greece hatte das Recht diese Mittel dazu zu benutzen in ihrem Namen Bonds zu kaufen.

Für mich war das ein großer Skandal, weil es offensichtlich war was passierte war, dass eine Vielzahl von Politikern, Bänkern, eine Menge Menschen zur griechischen Zentralbank gingen, der Bank von Griechenland, und dort ihre Bonds, die sie für 20% Prozent gekauft haben, für 100% verkauften und dann kam der Schuldenschnitt für die Öffentlichkeit.

Im Grunde waren sie gezwungen ihre Bargeldreserven, Sozialversicherungsfonds und Rentenfonds dazu zu nutzen die Regierungsbonds zu kaufen, dessen Realwert um 70% gesenkt werden würde. Deshalb stehen die Rentenfonds vor einem größeren Problem als die Banken. Die Rentenfonds müssen 15 bis 20 Jahre im vorraus planen um die Renten auch bezahlen zu können, wenn die Bevölkerung altert und die arbeitende Bevölkerung schrumpft. Auch müssen sie Arbeitslosengeld bezahlen und weitere Dinge. So kamen all diese Schuldenberge nun nach vorne.

[…] Bereits ab Ende Februar und sicher seit seit Mitte März war es offensichtlich, dass die Gläubiger die Vereinbarung vom 20. Februar nicht achten würden, die besagte, dass die Griechen Reformen vorschlagen, die „Troika“ – die Institutionen, wie sie jetzt genannt werden – überprüft und stimmt den Reformen zu und die Reformen gehen weiter. Es passierte nichts davon. Die Institutionen lehnten dauernd Reformen ab ohne sie sich anzusehen. „Nein, sie sind zu generös“ und Varoufakis sagte ihnen: „Bitte lasst uns wenigstens 4 bis 5 Reformen machen, auf die wir uns geeinigt haben und die wir als nötig ansehen, damit wir sie realisieren können, dann könnt ihr sie überprüfen und eine Einschätzung anfertigen.“

Die Institutionen sagten: „Nein, nein, wir brauchen eine umfassende Vereinbarung bevor wir Reformen realisieren, denn wenn ihr diese Reformen jetzt einsetzen würdet, dann würde das eine unilaterale Maßnahme. Wir haben sie bis jetzt noch nicht freigegeben, zwar stimmen wir diesen Reformen zu, aber wir haben den Primärüberschuss noch nicht festgelegt.“ Deshalb konnten wir nichts tun, während sie zur gleichen Zeit unsere Bücher sehen wollten, da sie unseren Zahlen nicht glaubten. „Wir wollen zu Finanzministerium gehen, zur Bank of Greece, etc“ und Varoufakis sagte: „Nein, lasst uns von der Vereinbarung vom 20.Februar starten, nach der ihre die griechische Wirtschaft nicht mehr überwacht und ihr uns oder den Gläubigern nicht assistiert um die Lebensfähigkeit unserer Wirtschaft zu bewerten, so dass nach und nach die Wirtschaft wieder wachsen kann. Das ist das Ziel der Vereinbarung vom 20. Februar und eine Erweiterung der bisherigen Programme. Wir ergänzen, bewerten und vervollständigen die Programme in 4 Monaten. Am 30. Juni wird das Programm beendet sein.“

Aber sie zogen den Stecker der Banken und am Dienstag dem 30. Juni lief das Programm aus, so dass wir nun nicht mehr im Programm sind.

All das Geld, dass sie uns schulden… Ungefähr 17 Milliarden Euro, von denen 10 Milliarden der Rest vom 50-Milliarden Euro schweren Griechischen Stabilitätsfond sind, welche wir nach den Vereinbarung des 20. Februar zurückzahlen müssten. Wir haben bisher kein Geld seit dem Juni letzten Jahres erhalten. Seit 12 Monaten zahlten wir 10 Milliarden Euro an die Kreditgeber aus unseren Ressourcen ohne von ihnen einen einzigen Euro zu sehen, den sie uns, unter den Bedingungen, versprochen haben. Es war offensichtlich, dass sie nicht kooperieren würden und dass wir Wachstum brauchten und dies sind die beiden Probleme die Hand in Hand gehen. Sie wollten uns nicht das Geld finanzieren, zu dem wir berechtigt waren, um ihre Schulden zurückzahlen zu können.


‘Wir unterschätzten ihre Macht' (Teil 3) [3]


Aus dem “Labyrinth der pseudo-Verhandlungen” und dem “Rufmord” von Varoufakis

Alle Kredite, die wir bekommen haben, zwischen 240-250 Milliarden Euro, gingen für die Bezahlung der Schulden wieder zurück an die Kredigeber. Das erste Rettungspaket war ein Notverkauf der Banken an den Staat. Wir haben keine Finanzierung bekommen um die Banken zu bezahlen, wir konnten uns kein kurzfristiges Geld leihen und wir wir konnten keine Liquidität der Wirtschaft erreichen, weil die EZB uns eine Beschränkung nach der anderen aufgedrückt hat. So haben wir ein Liquiditätsproblem und gleichzeitig auch ein Finanzierungsproblem. Die beiden sind miteinander verbunden als – so nenne ich es – “Krediterstickung”.

Mitte März sagten endlich einige Brüssler Quellen zu den Korrespondenten in Brüssel, dass “ja, die Institutionen – die EBD [Anm. der Red.: Europäische Bewegung Deutschland], der IWF, die Europäische Kommission Krediterstickungen nutzen um die Regierung zum fügen zu zwingen. zum akzeptieren der Reformen und zwar schnell, et cetera”. Für mich war es ein Eingeständnis, dass sie die böseste Art der wirtschaftlichen Erpressung nutzen gegen ein Land. Die böseste Art von wirtschaftlichen Sanktionen. Wenn wir zum Beispiel den Irak nehmen und statt eines Handelsembargo sagen, dass alle Vermögenswerte verringert wurden, die Banken kein Geld mehr haben, keine Dollars, gar nicht, dann ist mensch auf das Drucken von Geld angewiesen, dann wird mensch entblößt werden.” Aber das haben sie im Irak nicht gemacht, stattdessen haben sie ein Handelsembargo beschlossen, keine finanzielle oder Krediterstickung. Denn nach und nach jeden Moment kann die Zeit kommen, wo du stirbst. Wo du es nicht länger überleben kannst. Varoufakis hat es sogar “waterboarding” genannt, finanzielles und steuerliches Waterboarding.

Die Annahme ist, dass wenn sie den Stecker ziehen, dass sie dann den Stecker der ganzen Welt ziehen. Dies passierte nicht und es tut mir Leid. Ich folgte wie der Euro sich entwickelte, und wie er reagierte, denn sie versuchten viele Experimente. Schäuble und Berlin sind schlau, sie erzwingen kleine, künstliche Krisen in den Verhandlungen, hin und wieder: “Oh die Griechen kooperieren nicht, sie haben nicht verstanden, was sie tun, sie geben uns keine Zahlen”. Und statt zu fallen, stieg der Euro weiter an. Dasselbe passierte mit den europäischen Börsen.

[…] Erst in den letzten Wochen realisierte das die griechische Regierung und Varoufakis machte einige Aussage, dass wir an den Europäischen Gerichtshof ziehen. Aber wenn man die Explosion der Krise erreicht, dann helfen rechtliche Schritte nicht mehr.

Ich sagte, dass Tsipras zum Europäischen Parlament gehen sollte und erzählen sollte, wie wir in den letzten Monaten behandelt wurden. Auch sollten wir uns widersetzen die harschen Maßnahmen umzusetzen. DIe griechische Regieung zog es eher vor die Wahlen zu vierlieren, anstatt diese harschen Maßnahmen durchzusetzen. Aber jedesmal wenn sie politische Verhandlungen versuchten, dann wurden sie den Gläubigern getäuscht: 20 mal von Merkel und 5 mal mehr von Schäuble. Und es waren viele Eurogruppentreffen, bei denen sie sagten: “geht zurück Fachmännern, geht zurück zur Troika”, aber die griechische Regierung sagte: “Nein, wir wollen eine politische Entscheidung” aber ihnen wurde gesagt: “Unsere politische Entscheidung ist, dass ihr zurück zur technischen Entscheidung gehen sollt, es wird keine politische Entscheidung ohne eine technische Entscheidung geben.”

[…] Bei jeder Möglichkeit versuchten sie das Ansehen der griechischen Regierung, dass die Syriza-Regierung in den ersten Monaten nach der Wahl gewonnen hatte, zu untergraben. Am Anfang sagte die Menschen: “eine neue Hoffnung für Europa… eine neue Hoffnung für Deutschland, Spanien…. die Griechen zeigen wo es langgeht”. Wenn die Institutionen von Anfang an gesagt hätten: “Es ist vorbei, wir stimmen nicht zu, keine Verhandlungen mehr” – was sie indirekt gesagt haben, zum Beispiel der holländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem – dann wäre es klar gewesen und wir würden mitten in einem Zusammenbruch stecken: “Wir wurden gewählt, wir haben Ansehen und Authorität. Ihr seid falsch, etc.” Aber das haben sie nicht getan […] SIe haben ein Labyrint von Pseudo-Verhandlungen geschaffen, Zeit vergeudet und sie war auf ihrer Seite. Die ganze Zeit über gab es negative Propaganda über Varoufakis. Rufmord und Varoufakis sagt das immer noch. Aber was hat er erwartet.

So sind wir hier angekommen und haben jeglichen wirtschaftlichen Grund für effektive Verhandlungen verloren um eine neue Vereinbarung zu finden und wir haben auch die Glaubwürdigkeit verloren sie in Verhandlungen mit uns hineinzuzwingen. Die Regierung, Tsipras, sagt, dass als sie uns das Ultimatum “Schlagt zu oder lasst es” präsentierten, waren dies schlechtere Maßnahmen, als sie den früheren Regierungen, den rechten Regierungen, präsentiert hatten […] Die EZB sagte dem Parlament: “Ihr nehmt die Maßnahmen oder am Montag habt ihr keine Banken mehr” Aber unseren Banken ging es gut. Stattdessen war nun die griechische Regierung am Zug und ihr es war ein richtiger Schritt, als sie zum Referendum aufriefen, aber so mussten sie das tun, was in Zypern für eine Woche geschah. Die Regierung glaubte, dass sie Situation sie näher an ein Abkommen bringen würde. Sie wollten keine Krise.

Aber die Gläubiger hatten nciht genug von einer globalen oder europäischen Krise oder einem Zusammenbruch. Ja, die Börsen sind gefallen, ja es gab Schwankungen, die Flut steigt. Aber am Ende sind die Europäer nicht gezwungen sich näher zu kommen.

[…]Varoufakis und Tsipras sagten, das im Falle eines “Nein”-Votums in der Abstimmung am 05.07.2015, dann wäre unsere Verhandlungsposition gestärkt. Deshalb sagen sie Nein und nicht zu einer Vereinbarung, die nciht mehr auf dem Tisch ist. Sie sagen “Nein” zu jeglicher Art von Vereinbarung, die sich nicht der Schuldenumstrukturierung oder einer Haushaltskonsolidierung befasst. Die Menge, die die Europäischen Institutionen noch zahlen müssen, liegt bei 17 Milliarden Euro – plus weitere 16-20 Milliarden Euro des IWF – aber die sind verloren. Das Programm ist beendet und wir brauchen eine neue Vereinbarung. Im Grunde was mensch tun muss ist die Europäer um Notkredite durch die EZB anzubetteln. Aber sie sagen, dass sie dafür zurück zu den Parlamenten gehen müssen, et cetera. Aber wir brauchen eine Rekapitalisierung um wieder in den Prozess einer funktionierenden Wirtschaft eintreten zu können und dass würde es uns erlauben mit einem neuen Programm umzugehen.


‘Wir unterschätzten ihre Macht' (Teil 4) [4]


Backstage mit ‘König’ Schäuble und als Dijsselbloem drohte die griechischen Banken zu versenken:

Natürlich ist es bereits illegal Grexit überhaupt zu diskutieren, weil es dafür keine legalen Bedingungen in den Verträgen gibt. […] Es gibt auch nicht die geringste Garantie dafür, daß ein Grexit geordnet, durch Verhandlungen abgesichert und friedlich ablaufen wird, anstatt chaotisch und in einem Sturm auf die Lebensmittelläden. Wenn mensch keinen echten Fahrplan für den Ausstieg hat, dann wird der Ausstieg zu einer Massenvernichtungswaffe und wenn du jemandem mit Grexit drohst, dann stößt du sie zur Belastbarkeitsgrenze ihres Bankensystems, dem Druck zu widerstehen. In der Folge zerstörst du dadurch das Bankensystem sehr schnell und mußt die Reste zusammen kratzen, um eine neue Währung zu starten, was allerdings Monate dauern wird.

Anstatt festzustellen, daß der Grexit illegal ist, behaupten die “Gläubiger”, daß er für dich ebenso zerstörerisch und desaströs sein wird. Das war falsch. Zuallererst kann ich dieser Denke nicht zustimmen, weil sie erpresserisch ist – “Pass bloß auf, ich schieße mir das Gehirn raus!” – und es erlaubt wiederum anderen uns Erpressung vorzuhalten. Es ist allerdings lächerlich einem Land, das seit 5 Jahren zerstört wird, Erpressung vorzuwerfen. Egal, es die falsche Argumentation, denn die Wahrheit ist, daß ein Grexit und alle “Maßnahmen”, die die Griech*innen ertragen mußten, illegal sind und zwar illegal nach internationalem Recht, nach dem Arbeitsrecht, nach den Europäischen Verträgen, der europäischen Konvention der Menschenrechte und der europäischen Erklärung der Arbeiter*innenrechte [ beinhaltet in der europäischen Sozialcharta].

Das Lustige daran ist, daß Anfang 2014 das Europäische Parlament und alle möglichen anderen von ihrer Seite anfingen die Troika anzugreifen, daß sie illegal sei, daß sie keine Rechenschaft ablegen müßten und ihre verordneten Maßnahmen Menschenrechte und Arbeiter*innenrechte zerstören. Und natürlich hatten wir eine [konservative] Regierung, die davon nichts hören wollte, weil sie stattdessen lieber auf die Opposition einhacken wollte und nicht auf die “Gläubiger”; sie waren unfähig zu sehen, daß das die mächtigste Waffe war, die wir hatten.

Für die schwächere Seite gibt es nur zwei Methoden. Eine ist das Gesetz – ein Appell an die Gesetzmäßigkeiten – und die andere ist der Appell nach Wahrheit – wer in den Positionen richtig liegt, wer falsch und nach dem Menschenrechten, denn nach dem Gesetz sind alle gleich[…] Wenn Du also zum europäische Gerichtshof gehst und sagst, daß Du nicht gleichberechtigt behandelt wirst als Mitglied der EU, NATO, etc. können sie das nicht widerlegen, insbesondere, wenn Du einen fairen Zeitrahmen hast, um deine Sache darzulegen.

Wenn Du also die legale Route nimmst – und ich sage nicht, daß mensch es tun sollte – mußt Du darauf abzielen sie politisch zu delegitimieren, laß die ganze Welt wissen, daß die Eurozone ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit fährt, beweise es in 10 Jahren, ganz egal, aber damit eröffnest Du ein Verfahren und zwingst die Gerichte dazu festzulegen: “Bis wir den Fall untersucht haben, müssen die Maßnahmen stoppen”.

Inzwischen ist es dafür zu spät. Es ist ein Fall von politischer und ideologischer Übermacht. Alleine Varoufakis, mit seinen Appellen und Argumenten hat es geschafft, die öffentliche Meinung in Europa zu drehen, sogar etwas in Deutschland und die Eurogruppe war in der Defensive. Anfang Februar befahl Dijsselbloem Varoufakis “Entweder unterschreibst Du das Memorandum, das die anderen auch unterschrieben haben oder Eure Wirtschaft wird zusammen brechen”. Wie? “Wir werden eure Banken zusammen falten”. Er sagte das. In seinem letzten Interview vor zwei Tagen im ERT erzählte er: “Ich habe das damals nicht auffliegen lassen, weil ich hoffte, daß Argumente in den Verhandlungen mit allen in der Eurogruppe obsiegen würden.” So machte er weiter mit den unzähligen Vereinbarungen. Und Glaubwürdigkeit ging genauso verloren wie das Geld.

…] Die Eurogruppe ist auch keine wirklich demokratisch funktionierende Körperschaft. Die griechische Regierung stellte dies, allerdings erneut viel zu spät fest und zwar erst als sie Varoufakis rauswerfen wollten, nach der Ankündigung des Referendums. Dies war in erster Linie eine Geste der Demütigung. Varoufakis fragte “wer entscheidet das?” Dijsselbloem meinte “Ich entscheide”. Müßte es darüber nicht eine Abstimmung geben, Einstimmigkeit? Ja, aber davon gibt’s keine Aufnahmen, keine Minute, er hat alles aufgenommen, andere genauso. Warum? Es wurde nichts aufgenommen, das heisst es gibt keinen formalen Ablauf.

Mensch kann nicht berichten “ich nahm an der Eurogruppe teil und Italien sagte dies und Zypern sagte das” usw. Also können alle danach behaupten, was sie wollen. Niemand kann entgegnen “Sicher, Du hast das gesagt? Lass uns zu den Minuten zurück spulen” Da gibt es keine Minuten. Natürlich kann niemand mit einem Diktaphon raus spazieren. Varoufakis behauptete, daß er natürlich die Aufnahmen für sich machte, weil er seinem Ministerpräsident berichten mußte und die anderen machen es genauso. Aber sie kamen alle raus und schrien: “Oh! Varoufakis ist hier und dort eingeknickt”.

Die anderen Länder in diesem Drehbuch müssen glauben, daß Schäuble der König ist, daß er alle anderen kontrolliert und er braucht bloß seine Stimme anzuheben und “Nein” zu sagen. Varoufakis hat Zwischenfälle beschrieben, die eindeutig zeigen, daß die Eurogruppe komplett undemokratisch ist und eher an eine neo-faschistische Euro-Diktatur erinnert. Man kann sich nicht darauf verlassen, was die anderen zusagen. Varoufakis meinte, wenn wir mit einem von ihnen eine Stunde einzeln verhandeln könnten, der Deal wäre in einem Tag geschafft. Aber das geht nicht, weil jeder einzelne andere Prioritäten hat und andere Leute, die ihm “Nein” sagen.

Niemand kann mit Schäuble diskutieren, es wäre gefährlich, denn dann bekommst du keine Finanzierung mehr, die deutschen Banken würden sofort ihr Geld raus fordern, usw. Also handelt es sich hier um eine Institution, in der niemand seine Stimme hören lassen kann, warum dann überhaupt daran teilnehmen? Es gab niemand anderen außer Varoufakis, der geradeaus geredet hat. Schäuble fragte bloß “Wie viel Geld wollt Ihr, damit Ihr den Euro verlaßt?” Er will Griechenland einfach nicht im Euro haben, er war es auch, der als erster 2011 mit der Leier vom Grexit anfing.

Wir zogen also in den Krieg mit ihnen und dachten wir hätten Waffengleichheit, wir haben allerdings ihre Macht unterschätzt […] Es ist eine Macht, die die ganze Struktur der Gesellschaft durchdrungen hat, selbst die Art wie Leute denken, sie kontrolliert und erpresst und wir haben wenig Hebel dagegen anzusetzen; das ganze europäische Haus ist längst zu kafkaesque.

Christian Salmon [5][6]


Vielen Dank an den @BadMovies, der diese Übersetzung verfasst hat.[7][8][9][10]


Einzelnachweise

  1. 'We underestimated their power': Greek government insider lifts the lid on five months of 'humiliation' and 'blackmail' (Teil 1)
  2. 'We underestimated their power': Greek government insider lifts the lid on five months of 'humiliation' and 'blackmail' (Teil 2)
  3. 'We underestimated their power': Greek government insider lifts the lid on five months of 'humiliation' and 'blackmail' (Teil 3)
  4. 'We underestimated their power': Greek government insider lifts the lid on five months of 'humiliation' and 'blackmail' (Teil 4)
  5. Englisches Original (Volltext) - mediapart.fr
  6. »Wir haben ihre Macht unterschätzt« - Luxemburg-Online (Übersetzer: Andrei Draghici)
  7. Quelle: Übersetzung Presstranslations (T1)
  8. Quelle: Übersetzung Presstranslations (T2)
  9. Quelle: Übersetzung Presstranslations (T3)
  10. Quelle: Übersetzung Presstranslations (T4)