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ZDF - Programmkritik: Aussparung maßgeblicher politischer Nachrichten

Verfasst: 22. Dezember 2016, 18:02
von Maren
ZDF
Intendanz
Herrn Bellut
ZDF-Straße 1
55127 Mainz



Programmkritik


"heute" und "heute-journal"
15.12.2016 19:00 und 21:45

Sehr geehrte Damen und Herren,

ein Einsender einer Programmkritik teilte uns folgendes mit:
„Die für die Sendungen "heute" und "heute-journal" verantwortlichen Redaktionen berichteten am 15.12.2016 nicht über maßgebliche politische Nachrichten. Lediglich eine Veröffentlichung via ZDF-Videotext fand am 15.12. zu folgenden Informationen statt:

- Verlängerung der Russland-Sanktionen
(EU-Gipfel-Beschluss am 15.12.)
zdftext 122

- Verlängerung des Bundeswehrmandats
u.a. für Afghanistan (Beschluss des
Deutschen Bundestages am 15.12.)
zdftext 127

- Verlängerung des Ausnahmezustands in
Frankreich bis 07/2017
zdftext 130

In den Hauptnachrichten des ZDF werden somit relevante Nachrichten vorenthalten.

Es drängt sich umso mehr der Eindruck der Vorenthaltung auf, da z.B. in einem Bericht über Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan (sowohl in "heute" wie in "heute-journal") Raum zumindest für die Nachricht des verlängerten Bundeswehrmandats gewesen wäre. Eine politische Meinungsbildung kann angesichts einer derartigen Selektion von Nachrichten nicht stattfinden. Unfassbar, wie hier Meinungsbildung durch Unterlassung beeinflusst wird.“
Zur Programmkritik des Einsenders möchten wir folgendes ergänzen:

Wir können zwar nicht einschätzen, ob beim EU-Treffen am 15.12.2016 das Thema Verlängerung der Russland-Sanktionen eventuell erst am späteren Abend nach den genannten Sendungen behandelt wurde, aber anhand der Tagesordnung und der zuvor bekannten Stellungnahmen wäre eine Berichterstattung bestimmt möglich gewesen.

Zeit Online schrieb am 15.12.2016 zum Thema Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland:

„Der slowakische Ministerpräsident und derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Robert Fico, hat sich gegen eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland ausgesprochen. Diese seien unsinnig, sagte er kurz vor Beginn des Treffens der europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Fico wandte sich damit gegen die Pläne Deutschlands und Frankreichs. Die Sanktionen gegen Russland hätten nichts zur Erfüllung der Minsker Vereinbarungen beigetragen, kritisierte Fico. Er schränkte aber ein, er werde nicht die Einheit der EU gefährden, indem er sich in der Sache kompromisslos gegen Deutschland und Frankreich stelle.“

Eine solche Wortmeldung hätte wohl nicht zum gegenwärtigen allumfassenden Russland-Bashing gepasst, welches auch im Programm des ZDF stattfindet. Stattdessen wurde eine längere Berichterstattung über einen plötzlich aufgetauchten, angeblichen „Bürgermeister von Ost-Aleppo“ (von Al Nusras Gnaden?) ausgestrahlt – ohne Hintergrundinformationen über Intention und Legitimation des Neu-Protagonisten.


Zur Abstimmung im Bundestag vom 15.12.2016 zur Verlängerung des Bundeswehrmandates in Afghanistan wurde am 16.12.2016 auf http://www.bundesregierung.de folgendes verlautbart:

„Die Bundeswehr wird auch künftig mit bis zu 980 Soldaten afghanische Sicherheitskräfte beraten, unterstützen und ausbilden. Der Deutsche Bundestag hat das Mandat der Nato-Mission Resolute Support um ein weiteres Jahr verlängert.“

Der aktuellen Diskussion darüber, ob die Sicherheitslage in Afghanistan die Abschiebungen zehntausender Flüchtlinge rechtfertige, wäre ein kritischer Bericht über die Mandatsverlängerung sicher zuträglich gewesen. Vielleicht hätte sogar der kausale Zusammenhang zwischen verfehlter Afghanistan-Politik bzw. allgemein verfehlter Außenpolitik und der aktuellen Flüchtlingssituation verdeutlicht werden können?


Zeit Online schrieb am 15.12.2016 19:39 Uhr über die Verlängerung des Ausnahmezustands in Frankreich:

„Der Ausnahmezustand in Frankreich wird bis zum 15. Juli verlängert. Nach der Nationalversammlung stimmte am Donnerstag auch der Senat dem Vorschlag zu. Die Regierung begründete die Verlängerung mit "erhöhtem Anschlagsrisiko" vor den Wahlen, die nächstes Jahr in Frankreich stattfinden. [..].“

Bezüglich der Relevanz von Nachrichten kommt man sicherlich je nach Herangehensweise zu unterschiedlichen Einschätzungen. Der redaktionelle Zwang zur Reduktion von Informationskomplexität sollte jedoch nicht zu Lasten relevanter Inhalte betrieben werden. Ein dem gesetzlichen Auftrag entsprechendes objektives Gesamtbild sollte sich in den stark frequentierten Sendungen widerspiegeln und nicht in den Teletext verbannt werden.

Vor dem Hintergrund der unterstellten Nachrichtenverweigerung wirkt es ausgesprochen zynisch, wenn das ZDF das Problemfeld Objektivität bei den sozialen Medien verorten will. Im heute-journal wurde das Thema „Psychometrie“ behandelt und gemutmaßt, dass basierend auf Big-Data-Analysen Wähler in den sozialen Medien zielgruppenorientiert angesprochen und damit manipuliert werden könnten.

Claus Kleber verstieg sich angesichts der drohenden Manipulationsgefahr zu folgender Einschätzung …

„Was macht man da am besten? Es hilft ganz sicher, so oft wie möglich mit Leuten zu sprechen, die eine andere Meinung haben als man selbst. Und dann kann es natürlich auch ganz gut sein, eine Nachrichtensendung anzuschauen, die den Fakten und den Zuschauern verpflichtet ist und sonst niemandem und um den Job bewerben wir uns jeden Tag bei Ihnen.“

… um direkt im Anschluss einen Beitrag über die Krebspatientin „Rose“ anzukündigen, deren Aufenthalt in einem Schönheitssalon ihr wieder Selbstbewusstsein gegeben habe. Dieses Boulevard-Stück hätte nun wirklich auch an anderer Stelle im Programm des ZDF Platz gefunden.

Dazu unsere Anregung: Herr Kleber könnte bei Gelegenheit „irgendwie die zwei Dutzend Leute, die mit ihm gemeinsam und mit Gundula jeden Tag (…)“ am heute-journal arbeiten, fragen, auf welche Weise sie die täglichen Relevanzkriterien für eine informative Nachrichtensendung zusammenstellen. Vielleicht kann Herr Kleber die Antwort darauf in einer der nächsten Sendungen des heute-journal geben.

Im Interesse der Transparenz werden diese Programmkritik und weiterführender Schriftverkehr auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Jens Köhler

Re: ZDF - Programmkritik: Aussparung maßgeblicher politischer Nachrichten

Verfasst: 16. Januar 2017, 21:53
von Maren
Stellungnahme des Intendanten des ZDF zur Programmbeanstandung:
Stellungnahme_ZDF_geschwärzt.pdf
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