MDR - Programmbeschwerde „Schüsse vor der Krim“

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Maren
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MDR - Programmbeschwerde „Schüsse vor der Krim“

Beitrag von Maren »

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Programmbeschwerde „Schüsse vor der Krim“
NATO-Hofberichterstattung bei MDR Aktuell am 23.06.2021, 19:30 Uhr



Sehr geehrte Damen und Herren,

am 23.06.2021 berichteten Sie in Ihrer Nachrichtensendung MDR Aktuell um 19:30 Uhr in einem Beitrag mit dem Titel „Schüsse vor der Krim“ darüber, dass es im Schwarzen Meer vor der Halbinsel Krim immer wieder zu „Konflikten zwischen Russland auf der einen Seite und Staaten aus der Region und dem Westen“ käme. Diesmal hätte Russland behauptet, das britische Kriegsschiff HMS Defender sei 3 km in russische Gewässer eingedrungen.

https://www.ardmediathek.de/video/mdr-a ... QzZDFiNjE/

Sie zeigten kurz einen Ausschnitt aus einer Stellungnahme der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Danach kommentierten Sie, ein russisches Patrouillenboot habe Warnschüsse abgegeben und ein Kampfjet habe Bomben vor dem britischen Schiff abgeworfen, „so Moskau“. Direkt im Anschluss teilten Sie mit, dass das britische Verteidigungsministerium diese Darstellung dementiert. Sie zeigten dann im Bildschirm-füllenden Großformat zwei Twitter-Meldungen des britischen Verteidigungsministeriums, das keine Warnschüsse abgegeben worden seien, und dass das Schiff sich „auf einer friedlichen Durchfahrt in ukrainischen Gewässern“ befunden hätte.

Sie kommentierten:

„Die russische Annexion der Krim ist überwiegend international nicht anerkannt, aus Sicht der meisten Staaten gehört das Seegebiet zur Ukraine. Am Montag beginnt im Schwarzen Meer ein Militärmanöver von 32 Ländern unter Führung der USA. Geübt wird in ukrainischen Gewässern. Russland hatte das Manöver im Vorfeld heftig kritisiert.“

Wir erlauben uns Ihren Beitrag wie folgt zu kritisieren:

Der Beitrag ist entweder unter der Rubrik „um den heißen Brei herumgeredet“ oder unter der Rubrik „embedded journalism“ oder einfach „NATO-Hofberichterstattung“ einzuordnen.

Sie haben zwar in einem Halbsatz mitgeteilt, dass viele Länder die Krim nicht als Teil Russlands anerkennen und deshalb auch die Gewässer vor der Krim von diesen Ländern nicht als russische Gewässer anerkennen. Zwischen den Zeilen musste man lesen, dass die NATO das Recht beansprucht, diese Gewässer frei zu befahren. Und unkommentiert blieb, dass das britische Verteidigungsministerium mit seinen Twitter-Meldungen Fake News verbreitete.

Zuerst zu den Fake News aus Großbritannien:

Die Twitter-Meldungen des Verteidigungsministeriums wurden durch einen übereifrigen Journalisten, welcher an Bord der HMS Defender zu dem Zeitpunkt mitfuhr und stolz berichtete, man setze mit der Einfahrt in die von Russland beanspruchten Gewässer ein Zeichen („we make a point …“), als fake-news entlarvt. In Großbritannien berichteten BBC und SkyNews darüber. In Deutschland schwieg sich der öffentlich-rechtliche Journalismus aus, deshalb nachfolgend ein Zitat aus der Quelle RT deutsch.

„Jonathan Beale, ein Journalist aus dem Verteidigungsressort der BBC, hielt an Bord des britischen Lenkwaffenzerstörers HMS Defender fest, der Zerstörer habe absichtlich Kurs in russische Hoheitsgewässer genommen, "um ein Zeichen zu setzen". Dies wohlgemerkt, obwohl recht drastisch formulierte Warnungen von Küstenwachschiffen des russischen Grenzdienstes des FSB empfangen wurden. Auch wies Beale darauf hin, die Besatzung der Defender habe durchaus die Warnschüsse gehört, habe aber zunächst geglaubt, diese seien "außerhalb der Reichweite" gefallen. Dies alles hielt Beale in einer Audioaufnahme fest. Nicht zuletzt geht hieraus hervor, dass das Schiff absichtlich in die Gewässer in der Nähe der Krim geführt wurde, und zwar in den 12 Seemeilen (19 Kilometer) breiten Streifen entlang der Küste. Dies sei nach britischer Auslegung noch "anerkannter internationaler Schifffahrtsweg". Der Transit durch russische Gewässer dauerte über eine Stunde, so der britische Korrespondent.“

Die HMS Defender hat de facto ganz gezielt vor dem Kap Fiolent auf ca. 3 km Länge russische Gewässer durchfahren und hat auf die Funk-Warnungen und Warnschüsse eines Patrouillenbootes der Küstenwache nicht reagiert. Erst als ein russisches Kampfflugzeug zum Einsatz kam, verließ die HMS Defender russische Gewässer.

Auf RT deutsch sind auch die Videoaufnahmen der BBC an Bord des Schiffes verlinkt. In den BBC-Aufnahmen sieht und hört man ganz deutlich, dass es sich um eine bewusste und gezielte Provokation handelte. Es wurden die Funkwarnungen des russischen Patrouillenbootes im Originalton gesendet, und es wurden Bilder und Geräusche der Warnschüsse und eines dicht vor dem Schiff vorbeifliegenden russischen Kampfflugzeugs gezeigt. Das heißt – die BBC hat das britische Verteidigungsministerium ungewollt der Lüge überführt, im britischen Fernsehen mussten sich anschließend Regierungsvertreter unangenehmen Fragen stellen.

In Deutschland jedoch erzeugt der anteilig von seinen Zuschauern finanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk eine virtuelle Realität, welche ganz der NATO-Sprachvorgabe entspricht.

Zur Sichtweise der NATO:

Auch wenn dies in Ihrem Beitrag nur in einem Halbsatz vorkam: Die Kerninformation zu dem Vorfall ist, dass die NATO-Länder die „Annexion der Krim“ und somit die russischen Ansprüche hinsichtlich der 12-Meilen-Zone (gemäß internationalem Seerecht) nicht anerkennen. Deutsche Journalisten sehen offenbar kein Problem darin, dass NATO-Schiffe in diese 12-Meilen-Zone einfahren. Wie weit sind Sie eigentlich schon von NATO-Influencern vereinnahmt? Mit Ihrer völlig kritiklosen Unterstützung der NATO-Sichtweise leisten Sie „an der Heimatfront“ einen Beitrag zur Verschärfung der Kriegsgefahr in Europa.

Es handelte sich eindeutig um eine gefährliche Provokation seitens Großbritanniens und der NATO.

Unterschlagen hatten Sie den Kontext, dass die HMS Defender kurz zuvor im ukrainischen Hafen Odessa zu Besuch war, wo auf dem Schiff eine Unterzeichnungszeremonie unter Beteiligung des britischen Ministers für Verteidigungsbeschaffung Jeremy Quin und des stellvertretenden Verteidigungsministers der Ukraine Alexander Mironjuk stattfand. London und Kiew einigten sich auf die Lieferung britischer Kriegsschiffe an die Ukraine. Die Zeremonie erfolgte acht Monate nach der Unterzeichnung eines 1,25 Mrd. Pfund (1,4 Mrd. Euro) schweren Vertrags mit Großbritannien über acht Schnellangriffsraketenboote der Barzan-Klasse, der bei einem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij in London vereinbart wurde. Zusätzlich werden 2 Minenjäger der Sandown-Klasse kostenlos zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus sagte Großbritannien dem Land Hilfe beim Bau von Marinestützpunkten im Schwarzen Meer zu.

Ihre Berichterstattung ist immer wieder von geopolitischer Voreingenommenheit und von russophoben Einstellungen durchsetzt, was das Gegenteil von objektiver und umfassender Berichterstattung darstellt.

Auf der Krim gab es 2014 eine Volksbefragung, bei der 95% der Einwohner für die Wiedervereinigung mit Russland stimmten (im Unterschied zur deutschen Wiedervereinigung). Auch im Jahr 2021 ist die Zustimmung zur Zugehörigkeit zu Russland ungebrochen. Falls sie daran zweifeln, fahren Sie doch einfach mal hin und überzeugen sich selbst vor Ort. Völkerrechtlich war es eine Sezession, welche im Unterschied zu den durch NATO-Bomben herbeigeführten Sezessionen auf dem Westbalkan friedlich verlief. Die Scheinheiligkeit wird umso größer, wenn man die ganzen NATO-geführten Regime-Change-Aktionen der letzten 20 Jahre betrachtet.

Mit Ihrer Berichterstattung verstießen Sie gegen Ihren Programmauftrag und gegen die Programmgrundsätze laut Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk:

§ 6 Auftrag

(1) Der MDR hat in seinen Angeboten einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, europäische und nationale Geschehen zu geben (…) Dabei dient das Angebot der Information und Bildung sowie der Beratung und Unterhaltung und hat dem kulturellen Auftrag des Rundfunks zu entsprechen. Der MDR dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung.

(3) Die Angebote des MDR haben den Belangen aller Bevölkerungsgruppen, auch der Minderheiten, Rechnung zu tragen.
(4) Die Angebote des MDR sollen auch einen angemessenen Anteil von Werken europäischen Ursprungs enthalten. Dabei sind die Nachbarstaaten des MDR-Sendegebietes besonders zu berücksichtigen.

§ 8 Angebotsgrundsätze

(1) Der MDR ist in seinen Angeboten an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und der Wahrheit verpflichtet. Er trägt zur Verwirklichung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bei und fördert die Zusammengehörigkeit im vereinigten Deutschland.

(2) Der MDR hat in seinen Angeboten die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten. Er soll dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinung anderer zu stärken und die Gleichstellung der Geschlechter und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu fördern und Diskriminierungen entgegenzuwirken. Die Angebote dürfen sich nicht gegen die Menschenrechte und gegen die Wahrung von Frieden und Freiheit richten. Die Angebote sollen insbesondere das öffentliche Geschehen, die politischen Ereignisse, die Entwicklung von Klima und Umwelt, das kulturelle Leben sowie die wirtschaftliche Entwicklung in den jeweiligen Ländern und ihren Regionen darstellen und einordnen.

(3) Alle Informationsangebote (Nachrichten und Berichte) sind gewissenhaft zu recherchieren und wahrheitsgetreu und sachlich zu halten. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Die Redakteurinnen oder die Redakteure sind bei der Auswahl und Verbreitung der Nachrichten zur Objektivität und Überparteilichkeit verpflichtet. Kommentare sind deutlich von Nachrichten zu trennen und unter Nennung der Verfasserin oder des Verfassers als persönliche Stellungnahme zu kennzeichnen. Sie haben dem Gebot journalistischer Fairness zu entsprechen.

(4) Der MDR stellt sicher, dass 1. die Vielfalt der bestehenden Meinungen und der religiösen, weltanschaulichen, politischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Richtungen im Gesamtangebot der Anstalt in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet, 2. die bedeutsamen gesellschaftlichen Kräfte im Sendegebiet im Gesamtprogramm der Anstalt zu Wort kommen, 3. das Gesamtangebot der Anstalt nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dient. Der MDR soll in seiner Berichterstattung angemessene Zeit für die Behandlung kontroverser Themen von allgemeiner Bedeutung vorsehen. Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot der journalistischen Fairness zu entsprechen. Ziel der Berichterstattung ist es, umfassend zu informieren.

Aus Gründen der Transparenz werden wir diese Beschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins https://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.


Mit freundlichen Grüßen

Jens Köhler
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Maren
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Re: MDR - Programmbeschwerde „Schüsse vor der Krim“

Beitrag von Maren »

Antwort aus der juristischen Direktion des MDR:
210802-DK-OS AW an Hr. Köhler_geschwärzt.pdf
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