MDR - Einseitige Berichterstattung zur Lage im Ukraine-Konflikt

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Maren
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MDR - Einseitige Berichterstattung zur Lage im Ukraine-Konflikt

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Programmbeschwerde: Einseitige Berichterstattung zur Lage im Ukraine-Konflikt - MDR aktuell am 11.02.2022


Sehr geehrte Damen und Herren,

am 11.02.2022 sendeten Sie in der Fernseh-Nachrichtensendung MDR aktuell um 19:30 Uhr einen Beitrag mit dem Titel „Truppenbewegungen an der Ukraine-Grenze – Beratungen im Westen“.

Dieser Beitrag gab völlig einseitig das Tagesgeschehen rund um das Thema Ukraine am 11.02.2022 wieder. Wir werfen Ihnen eine einseitige, tendenziöse Auswahl von Meinungsäußerungen vor, bei gleichzeitiger Unterdrückung relevanter Nachrichten, wie zum Beispiel dem Ergebnis der Verhandlungen zum Minsker Abkommen am 11.02.2022 in Deutschland.

In Ihrem Beitrag kamen nacheinander zu Wort: Die Europa-Beauftragte des US-Außenministeriums bei einem Besuch in Leipzig, US-Präsident Joe Biden und der US-Außeninister Blinken. Die Europa-Beauftragte wurde zitiert mit den Worten, ein Einmarsch in die Ukraine werde Moskau teuer zu stehen kommen.
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„Wir würden ja auch nicht wollen, dass sich Deutschland Elsass und Lothringen zurückholt. Das hier ist dasselbe. Man kann die Geschichte nicht mit vorgehaltener Pistole zurückdrehen. Leider hat das in Russland Tradition. Das haben sie in der Ukraine schon gemacht und auch in Georgien.“

US-Präsident Biden forderte alle US-Amerkaner auf, die Ukraine zu verlassen. Und Außenminister Blinken spekulierte darüber, dass ein russischer Angriff auf die Ukraine jederzeit beginnen könnte:

„Wir sehen weiter sehr beunruhigende Anzeichen dafür dass Russland weiter eskaliert. Unter anderem kommen Truppen an der ukrainischen Grenze an. Im Moment könnte eine Invasion jederzeit möglich sein.“

Als letzten Satz im Beitrag erwähnten Sie kurz, dass Russland seinen Vorwurf erneuerte, dass der Westen russische Sicherheitsinteressen nicht angemessen beachte. Dem Zuschauer vorenthalten haben Sie jedoch die Ergebnisse der am 11.02.2022 in Berlin stattgefundenen Verhandlungsrunde zum Minsker Abkommen. Deren Nachrichtenrelevanz ergibt sich allein schon daraus, dass das Abkommen Minsk II durch die UNO bestätigtes Völkerrecht ist, und Russland wegen angeblichen Verstößen gegen das Minsker Abkommen seit vielen Jahren mit Sanktionen bestraft wird. Viele mittelständische Betriebe haben - auch in Ihrem Sendegebiet - seitdem unter russischen Gegensanktionen und inzwischen dauerhaften Importsubstitutionen zu leiden.

Bei unvorhergenommener Herangehensweise an das Thema - und wenn es Ihnen wirklich um Frieden in der Ukraine ginge - wären die Einschätzungen des Leiters der russischen Delegation bei den Berliner Verhandlungen zu Minsk II durchaus auch für Ihr Publikum interessant gewesen. Nachfolgend teilen wir Ihnen Auszüge aus der in Deutschland erfolgten Stellungnahme des Leiters der russischen Verhandlungsdelegation, Dimitri Kosakow, mit:

„…Die Vertreter von Deutschland und Frankreich zeigten keine Bemühungen, auf die Ukraine Druck auszuüben, das Minsker Abkommen zu erfüllen. Deshalb gab es nach fast 9 Stunden Verhandlungen fast kein Ergebnis…...Die Ukraine weigerte sich sogar, das Minsker Abkommen korrekt zu zitieren….Deutschland, Frankreich und andere NATO-Staaten haben aus den USA Anweisungen erhalten, wie die Verhandlungen zu verzögern sind …Das Schlüsselproblem ist, dass sich die Ukraine weigert, mit den Vertretern der Regionen Lugansk und Donetzk zu verhandeln…“

Die russische Presse ergänzte am Abend des 11.02.2022: Die Ukraine führt massive Vorbereitungen auf einen Krieg gegen die Regionen Donezk und Lugansk durch. Allein am 11.02.2022 wurden durch die westlichen Partner der Ukraine mehr als 130 Tonnen Waffen und Munition geliefert. Der Westen ermuntert die Ukraine, den Konflikt im Osten militärisch zu lösen anstatt friedlich im Rahmen des Minsker Abkommens.

Wie Sie sehen, besteht tatsächlich eine akute Kriegsgefahr, jedoch aus anderen Ursachen als denen, welche Sie mit Ihrem faktenbefreiten Meinungsjournalismus der letzten Tage und Wochen nahezu stündlich dem Fernsehzuschauer und dem Radiohörer einzutrichtern versuchten. Sie haben alle vernünftigen Stimmen verächtlich gemacht. Sie haben selbst davor nicht zurückgeschreckt, den neuen Bundeskanzler Scholz medial unter Druck zu setzen, indem Sie nur denjenigen Stimmen ein Podium gaben, welche ihn als schwach und unentschlossen kritisierten.

Des weiteren haben Sie den übergeordneten Konflikt, die Absage der NATO und der USA an die Forderungen Russlands nach Sicherheitsgarantien und dem Stopp der NATO-Osterweiterung, nahezu vollkommen ausgeblendet, geschweige denn die völkerrechtlichen Grundlagen der Forderungen Russlands zu erläutern. Vermutlich kennen auch Sie persönlich diese Grundlagen nicht, deshalb nachfolgend zu Ihrer Information ein Auszug aus dem OSZE-Dokument von Astana 2010, zum Thema des Prinzips der unteilbaren, kollektiven Sicherheit:
“3. Die Sicherheit jedes Teilnehmerstaats ist untrennbar mit der Sicherheit aller anderen verbunden. Jeder Teilnehmerstaat hat das gleiche Recht auf Sicherheit. Wir bekräftigen das jedem einzelnen Teilnehmerstaat innewohnende Recht, seine Sicherheitsvereinbarungen einschließlich von Bündnissen frei zu wählen oder diese im Laufe ihrer Entwicklung zu verändern. Jeder Staat hat auch das Recht auf Neutralität. Jeder Staat wird diesbezüglich die Rechte aller anderen respektieren. Sie werden ihre Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen. Innerhalb der OSZE kommt keinem Staat, keiner Staatengruppe oder Organisation mehr Verantwortung für die Erhaltung von Frieden und Stabilität in der OSZE-Region zu als anderen, noch kann einer/eine von ihnen irgendeinen Teil der OSZE-Region als seinen/ihren Einflussbereich betrachten.

Wir werden unter Berücksichtigung völkerrechtlicher Verpflichtungen sowie der legitimen Sicherheitsanliegen anderer Staaten nur solche militärische Fähigkeiten aufrechterhalten, die mit den individuellen oder kollektiven legitimen Sicherheitserfordernissen vereinbar sind. Wir bekräftigen ferner, dass alle OSZE-Prinzipien und -Verpflichtungen gleichermaßen und ausnahmslos für jeden Teilnehmerstaat gelten, und wir betonen, dass wir untereinander und gegenüber unseren Bürgern für ihre volle Umsetzung einstehen werden. Wir betrachten diese Verpflichtungen als unsere gemeinsame Errungenschaft und somit als unmittelbare und berechtigte Anliegen aller Teilnehmerstaaten.”
Wenn die NATO oder deren Fürsprecher in deutschen Redaktionsleitungen aus diesem aktuellen OSZE-Dokument eine Berechtigung der NATO herauslesen, sich immer weiter nach Osten auszudehnen, dann ist deren Leseverständnis ganz offensichtlich nur sehr schwach ausgeprägt. Der Konfliktforscher Leo Ensel meint dazu übrigens, dass jeder Staat zwar das Recht hat, bei der NATO einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen, aber die NATO auch das Recht hat, den Mitgliedsantrag abzulehnen wenn übergeordnete Gründe dagegen sprechen.

Im Übrigen hat der ukrainische Präsident Selenski das durch die USA benannte Datum für den Überfall Russlands auf die Ukraine 16.02.2022 mit Erstaunen zur Kenntnis genommen und darum gebeten, falls jemand genaueres weiß, ihm das mitzuteilen. Bereits mit unserer Programmbeschwerde vom 28.01.2022 hatten wir auf die folgenden Bewertungen durch Herrn Selenski aufmerksam gemacht:

"Die Medien erwecken den Eindruck, dass wir uns im Krieg befänden, dass Panzer rollen, dass Truppen auf den Straßen sind, dass mobilisiert werde, dass die Menschen irgendwohin fliehen. Das ist nicht wahr. Wir brauchen diese Panik nicht."

"Ich habe angefangen, mit den führenden Politikern zu sprechen und ihnen zu erklären, dass wir unsere Wirtschaft stabilisieren müssen, weil es all diese Signale gibt, dass es morgen einen Krieg geben wird. Denn die Signale kamen sogar von angesehenen Politikern, die offen und nicht einmal in diplomatischer Sprache sagten: 'Es wird morgen einen Krieg geben.' Das ist Panik. Panik an den Märkten, Panik im Finanzsektor. Nach Ausbruch der Panik wurden 12,5 Milliarden aus der Ukraine abgezogen, was für die Ukrainer sehr teuer ist."

Sie haben mit Ihrem einseitig aufbereiteten Beitrag vom 11.02.2022 und mit Ihrer bellizistischen, antirussischen Kampagne in den zurückliegenden anderthalb Monaten gegen den Medienstaatsvertrag verstoßen:

III. Abschnitt
Besondere Bestimmungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
§ 26
Auftrag

(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung
ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher
Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.

(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.

Aus Gründen der Transparenz werden wir diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins https://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen


Jens Köhler
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