MDRaktuell: „Schwere Waffen für die Ukraine“

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Maren
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MDRaktuell: „Schwere Waffen für die Ukraine“

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Mitteldeutscher Rundfunk
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04360 Leipzig



Programmbeschwerde MDR Aktuell 06.05.2022 19:30 Uhr,
„Schwere Waffen für die Ukraine“, fragliche Darstellung zum Völkerrecht, Falschbehauptungen zu angeblichen Entführungen nach Russland


Sehr geehrte Damen und Herren,

am 06.05.2022 berichteten Sie in Ihrer Nachrichtensendung MDR Aktuell um 19:30 Uhr in einem Beitrag mit dem Titel „Schwere Waffen für die Ukraine“ darüber, dass 7 Stück Panzerhaubitzen der Bundeswehr an die Ukraine geliefert werden sollen. Am Ende des Beitrags behaupteten Sie beweislos, dass ein großer Teil der 1 Million Flüchtlinge aus der Ukraine, welche nach Russland gekommen sind, zwangsweise dorthin gebracht worden seien.

Ihr Moderator führte aus, dass diese Panzerhaubitzen als „modernste Artilleriegeschütze weltweit“ beschrieben werden. Die Bundesverteidigungsministerin kündigte die Lieferung bei einem Besuch in der Slowakei an. Für den von Ihnen interviewten Herrn Faber von der FDP war nur wichtig zu erwähnen, dass die Panzerhaubitzen gerade erst aus einer Instandsetzungsmaßnahme heraus kommen und deshalb nicht der Bundeswehr unmittelbar fehlen. Jan Korte von den Linken kam in Ihrem Beitrag ganz kurz zu Wort und kritisierte die Entscheidung: „Denken wir doch mal zum Ende, wo soll das denn hinführen? Wie lange soll dieser Krieg noch weitergehen und was können wir alles machen an diplomatischen Initiativen?“ Doch direkt anschließend wurde im Beitrag aus dem Off mitgeteilt, dass nächste Woche mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an der Haubitze im Rheinland-Pfälzischen Idar-Oberstein begonnen werden soll. „Anschließend werden die Geschütze an die Ukraine übergeben.“

Der von Ihnen anschließend interviewte Markus Kaim, „Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik“, verneinte anschließend vehement die Frage, ob Deutschland mit dieser weiter an den Status Kriegspartei heranrücke. Herr Kaim führte aus, dass die Ukraine ihr Selbstverteidigungsrecht ausübe und dies mit dem Beistand anderer Länder tue. Herr Kaim sprach davon, dass die Bundesregierung diesen Beistand leiste in Form der Lieferung von leichten und schweren Waffen. Ihr Moderator fragte nach, ob denn nicht ein sehr langer, opferreicher Krieg drohe. Herr Akim erläuterte, dass die Bundesregierung offenbar davon ausgehe, dass sich das Kriegsszenario verfestigen wird. „Wir wissen nicht wann der Krieg zu Ende gehen wird, aber schnell wird es definitiv nicht sein“.

Auf die Frage „Sehen Sie derzeit noch irgendwelchen Raum für Diplomatie?“ antwortet Herr Kaim, dass aus seiner Sicht für die Beendigung von Kriege 2 Varianten möglich sind: Entweder die eine Kriegspartei überwältige die andere, oder es kommt infolge eines langen Abnutzungskrieges zur Ermüdung beider Seiten. Er sieht nur das zweite Szenario als möglich an, jedoch „solange dieser Punkt der gegenseitigen Erschöpfung nicht erreicht ist, hat die Diplomatie wenig Chancen.“

Anmerkungen des Autors: Herr Kaim vergaß bei seinen Herleitungen, dass es nicht nur um die Lieferung von Waffen geht, welche völkerrechtlich aus seiner Sicht völlig legitim sei, sondern auch um Ausbildung an diesen Waffen. Diese Kombination sehen andere Politiker und Völkerrechtler als direkte Beteiligung am Krieg an. Herr Kaim vergaß weiterhin zu erwähnen, dass die ukrainische Seite zu den Verhandlungen in Istanbul einen schriftlich ausgearbeiteten Verhandlungsvorschlag vorgelegt hatte, welcher den russischen Minimalforderungen weitestgehend entgegen kam:

- Anerkennung der Selbständigkeit der Donbass-Republiken,
- Anerkennung der Krim als Bestandteil der russischen Föderation,
- dauerhaft neutraler Status der Ukraine.

Einen Tag später wurde auf Betreiben aus Washington und London der Vorschlag zurückgezogen. Es ist erkennbar, dass die ukrainische Regierung nicht im Interesse des eigenen Volkes handelt, sondern Weisungen aus dem Ausland erfüllt. Eine diesbezügliche Nachfrage gab es Ihrerseits nicht.

Unsere Kritik:

Den oben beschriebenen ersten Teil Ihres Beitrages werten wir als Teil der Kriegstreiberei, welche zurzeit auf allen denkbaren Mainstream-Medienkanälen läuft. Der Kern unserer Programmbeschwerde bezieht sich allerdings auf den zweiten Teil Ihres Beitrages:

O-Ton Ihres Moderators: „Internationale Menschenrechtsorganisationen verfolgen immer mehr Hinweise auf russische Kriegsverbrechen in der Ukraine, wie wahllose Hinrichtungen und Angriffe auf Wohngebiete, zudem sollen inzwischen etwa eine Million Ukrainer nach Russland gebracht worden sein, viele gegen ihren Willen. Und seit Wochen belagern russische Truppen die südukrainische Hafenstadt Mariupol und das dortige Stahlwerk. Nach ukrainischen Angaben konnten in den vergangenen Tagen insgesamt etwa 500 Zivilisten in Sicherheit gebracht werden. Die Evakuierungen sollen mit Hilfe der UN fortgesetzt werden.“ Im anschließenden Videobeitrag wurde erneut behauptet, dass „mehr als eine Million ukrainischer Bürger seit Kriegsbeginn nach Russland worden seien, viele davon gegen Ihren Willen. Das berichtet auch der Bürgermeister der seit März russisch besetzten Stadt Melitopol ….“

Danach folgte eine Videobotschaft dieses ehemaligen Bürgermeisters Iwan Fedorow, in englischer Sprache - offensichtlich an westliche Medienkonsumenten gerichtet: „Es ist sehr gefährlich in der Stadt zu bleiben denn die russischen Soldaten kidnappen regelmäßig Menschen, erst waren es Aktivisten, Geschäftsleute, doch jetzt entführen sie zivile Bürger, in den letzten beiden Monaten über 200 Zivilisten.“

Wie um diese Worte zu bekräftigen, berichteten Sie direkt anschließend, auch im UN- Sicherheitsrat wurden diese Vorwürfe debattiert. Die russische Seite hätte dies als weitere Lügen bezeichnet, „die einem anderen Ziel dienen würden ….“. Dann weiter anschließend berichteten Sie, dass Amnesty International einen Bericht vorgelegt hätte über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine, „nach zwölftägigen Recherchen im Großraum Kiew sehen sie zwingende Beweise für wahllose Folterungen und Erschießungen durch russische Truppen.“

Unsere Kritikpunkte:

In Ihrem Beitrag berichten Sie, dass Mariupol seit Wochen belagert sei. Nein, falsch, die Stadt Mariupol selbst ist befreit (so wie es die Einwohner sehen), es laufen Aufräumarbeiten, Instandsetzungsarbeiten an öffentlicher Versorgungsinfrastruktur, der Schulunterricht wurde wieder aufgenommen. Hunderte Journalisten aus vielen Ländern – z. B. aus Italien und Frankreich - haben sich inzwischen vor Ort selbst davon überzeugt.

Die ARD hat offenbar kein Interesse daran, die Situation direkt vor Ort zu erfassen und mit Einwohnern ins Gespräch zu kommen. Die Kämpfe am Stahlwerk werden trotz täglicher Evakuierungsangebote von russischer Seite durch die eingeschlossenen extremistischen Kämpfer in die Länge gezogen, Zivilisten wurden als menschliche Schutzschilde genutzt – so wie zuvor in den Wohngebieten in der Nähe des Stahlwerks. Freigekommene Zivilisten berichteten darüber, dass Sie durch die Asow-Kämpfer in den Kellern des Stahlwerks festgehalten wurden, sie wurden nicht informiert über vorherige Evakuierungsaktionen.

In Ihrem Beitrag übernahmen Sie ohne jegliche Überprüfung oder Einordnung die Behauptungen eines ehemaligen Bürgermeisters. Sie hätten sich problemlos anhand hunderter anderslautender Augenzeugenberichte in russischen Medien, sowie zahlreichen Echtzeit-Videos in sozialen Medien zum Gegenteil der Behauptungen informieren können. Erstens bestand bei den Evakuierungen in Mariupol die Wahl, in welche Richtung man evakuiert werden wollte. Zweitens sieht der größte Teil der russisch-sprachigen Bevölkerungsmehrheit in der Ost- und Südukraine Russland nicht als Feind an, eine Mehrheit hat Verwandte und Freunde in Russland, hat in Russland studiert oder gearbeitet.
Auch die genannten Zahlen passen nicht. Laut Angaben auf der Webseite des UNHCR vom 06.05.2022 kamen bis dato rund 739.000 Menschen aus der Ukraine nach Russland. Das UNHCR spricht ausdrücklich nicht von zwangsweisen Verschleppungen.

Sofern man bei Amnesty International von einer politisch unabhängigen Untersuchung sprechen kann, steht die im Beitrag genannte 12-tägige Untersuchung dennoch nicht im Zusammenhang mit Ihrer Behauptung, dass die meisten der 1 Million nach Russland gereisten Flüchtlinge gegen Ihren Willen nach Russland gebracht worden seien. Hier erfolgte durch Sie eine irreführende Vermischung und Rekontextualisierung.

Diese Kritik kann nur einen kleinen Ausschnitt zeigen aus dem Desinformationskrieg, der auf den Kanälen der ARD in den letzten Wochen läuft. Sie übernehmen nur Material aus ukrainischen Veröffentlichungen. Sie haben keine eigenen Korrespondenten z. B. in Mariupol. Sie berichten nicht über die Taktik der ukrainischen Armee, zivile Einrichtungen und Wohngebiete als „menschliche Schutzschilde“ zu benutzen. Sie berichten nicht über Repressalien gegen ukrainische Politiker, welche nicht zu Selenskijs Umfeld gehören. Z. B. wurde der Vorsitzende der größten ukrainischen Oppositionspartei „Für das Leben“, Viktor Medwedtschuk, durch den ukrainischen Geheimdienst SBU festgenommen und gefoltert, seine Lebensgefährtin berichtete darüber. Der Oppositionspolitiker Anatoli Scharij wurde in Spanien auf Ersuchen des ukrainischen Geheimdienstes in Hausarrest gesteckt und ist von einer Auslieferung an die Ukraine bedroht. Bereits zuvor wurden alle Oppositionsparteien verboten, Ende 2021 wurden 6 unbequeme Fernsehsender zwangsweise geschlossen.

Völlig unbeachtet bleiben die Ursachen des Krieges – wie bereits in den Monaten vor dem 24.02.2022. Nur wer die Ursachen kennt, wird eine Lösung finden.

Mit Ihrer Berichterstattung verstießen Sie gegen Ihren Programmauftrag und gegen die Programmgrundsätze laut Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk:

§ 6 Auftrag
(1) Der MDR hat in seinen Angeboten einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, europäische und nationale Geschehen zu geben (…). Dabei dient das Angebot der Information und Bildung sowie der Beratung und Unterhaltung und hat dem kulturellen Auftrag des Rundfunks zu entsprechen. Der MDR dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung.

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(2) Der MDR hat in seinen Angeboten die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten. (…) Die Angebote dürfen sich nicht gegen die Menschenrechte und gegen die Wahrung von Frieden und Freiheit richten. Die Angebote sollen insbesondere das öffentliche Geschehen, die politischen Ereignisse, die Entwicklung von Klima und Umwelt, das kulturelle Leben sowie die wirtschaftliche Entwicklung in den jeweiligen Ländern und ihren Regionen darstellen und einordnen.

(3) Alle Informationsangebote (Nachrichten und Berichte) sind gewissenhaft zu recherchieren und wahrheitsgetreu und sachlich zu halten. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Die Redakteurinnen oder die Redakteure sind bei der Auswahl und Verbreitung der Nachrichten zur Objektivität und Überparteilichkeit verpflichtet. Kommentare sind deutlich von Nachrichten zu trennen und unter Nennung der Verfasserin oder des Verfassers als persönliche Stellungnahme zu kennzeichnen. Sie haben dem Gebot journalistischer Fairness zu entsprechen.

(4) Der MDR stellt sicher, dass 1. die Vielfalt der bestehenden Meinungen und der religiösen, weltanschaulichen, politischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Richtungen im Gesamtangebot der Anstalt in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet, 2. die bedeutsamen gesellschaftlichen Kräfte im Sendegebiet im Gesamtprogramm der Anstalt zu Wort kommen, 3. das Gesamtangebot der Anstalt nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dient. Der MDR soll in seiner Berichterstattung angemessene Zeit für die Behandlung kontroverser Themen von allgemeiner Bedeutung vorsehen. Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot der journalistischen Fairness zu entsprechen. Ziel der Berichterstattung ist es, umfassend zu informieren.

Aus Gründen der Transparenz werden wir diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins https://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.


Mit freundlichen Grüßen


Jens Köhler
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Maren
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Re: MDRaktuell: „Schwere Waffen für die Ukraine“

Beitrag von Maren »

Sehr geehrter Herr Köhler,

ich möchte Ihnen hiermit den Erhalt Ihres Briefes vom 22.05.2022, hier eingegangen am 23.05.2022, an die Intendantin des MDR bestätigen.

Gemäß § 13 MDR-Staatsvertrag sind an die Intendantin gerichtete Beschwerden innerhalb von 3 Monaten zu bescheiden.
Sie werden innerhalb dieses Zeitraumes eine Antwort erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Referent der Intendantin
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Maren
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Re: MDRaktuell: „Schwere Waffen für die Ukraine“

Beitrag von Maren »

Ausführliche Antwort vom MDR:
220822-OS-Köhler-AW-BRF.pdf
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