Programmbeschwerde - Markus Lanz vom 2. Juni 2022

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Maren
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Programmbeschwerde - Markus Lanz vom 2. Juni 2022

Beitrag von Maren »

ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN
Gremienbüro
ZDF-Straße 1
55100 Mainz



Programmbeschwerde

Sehr geehrte Damen und Herren Fernsehräte,

hiermit erheben wir formal Beschwerde gegen die Ausgabe des Talkformates Markus Lanz vom 2. Juni 2022 wegen Verstoßes gegen die Programmrichtlinien des ZDF, gegen die Vorgaben des Staatsvertrages und gegen die eigenen internen Richtlinien in Programmangelegenheiten.


Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZDF orientieren sich an gemeinsamen Werten: Humanität, freiheitliche Demokratie, kulturelles Bewusstsein und unabhängiger Journalismus. Das ZDF ist seinem Fernsehpublikum verpflichtet. Es begegnet seinen Zuschauern mit Respekt und bietet ihnen Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit. Das ZDF zielt auf eine Qualitäts-Marktführerschaft in allen relevanten Genres. Seine Programme sind den publizistischen, ethisch-moralischen und gesellschaftlichen Standards sowie den rechtlichen Vorgaben der Sachlichkeit, Objektivität, Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Fairness verpflichtet.

Wird in einer Ihrer Grundregeln für die Zusammenarbeit im ZDF beispielsweise explizit ausgeführt, dass kein Mitarbeiter Sachangaben und Meinungen zu unterdrücken habe, die zu einer angemessenen und wahrheitsgetreuen Information gehören, passierte in der beanstandeten Sendung das glatte Gegenteil.

Lobbyismus (Strack-Zimmermann), Fanatismus (Pleitgen) und komplette Ahnungslosigkeit (Lanz) über Verlauf und Hintergründe des Ukrainekonfliktes trafen auf eine kritische Wissenschaftlerin (Guérot), die seit über 30 Jahren das Geschehen und die Geschicke Europas begleitet und in vielen Funktionen mitgestaltet hat.
Dass es bei dieser intellektuell und reputativ ungleich ausgestatteten Runde dazu kommen konnte, dass eben diese Wissenschaftlerin von Moderator und o. g. Gästen geradezu hyperaktiv sowohl an der Beantwortung eigens gestellter Fragen als auch an ihren Ausführungen zum Thema gehindert wurde, spricht für Vorsatz.
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Pleitgen - Selfie auf einem Flugzeugträger

Eine ähnliche Konstellation (Jörges und Lanz vereint gegen Wagenknecht) brachte Markus Lanz bereits Anfang 2014 nachhaltig bei, dass die Sympathie des Publikums nicht auf Seiten pöbelnder und unsachlich agierender Gesprächspartner liegt.

Seit geraumer Zeit ist eine Tendenz in der Berichterstattung und im Umgang mit abweichenden Meinungen zu beobachten, die den inneren Frieden im Land zerstört und die gesellschaftliche Spaltung vorantreibt. Gerade die politischen Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sender verfügen sowohl über die Infrastruktur als auch die Reichweite, um dem interessierten Publikum widerstreitende Meinungen abzubilden, die in einer funktionierenden Demokratie selbstverständlich sein sollten. Stattdessen versinken viele dieser Runden in einem surrealen Einheitsbrei, der eben nicht die Gesellschaft abbildet und von den journalistischen Kriterien Neutralität, Objektivität und Unparteilichkeit weiter denn je entfernt ist.

• Wozu lädt man eine Wissenschaftlerin in eine reichweitenstarke Sendung ein, wenn man nicht hören will, was sie zu sagen hat?
• Warum stellt der Moderator Fragen, deren Beantwortung er dann nicht zulässt?
• Warum werden dem Publikum - als Stakeholder der öffentlich-rechtlichen Angebote - die Antworten und Ausführungen einer streitbaren Wissenschaftlerin vorenthalten, obwohl es ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Information und freies Rezipieren hat?
• Mit welcher Befugnis nimmt sich Markus Lanz das Recht heraus, zum öffentlichen Halali gegen eine Persönlichkeit zu blasen, das bereits zwei Tage nach der Sendung in Rufmord ausartet, an dem sich auch Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Anstalten engagiert beteiligen?

Wir werden nicht auf die einzelnen, teils infantilen, Entgleisungen des selbsternannten Tribunals eingehen, sondern fordern Sie auf, dieses chaotische Stück deutscher Fernsehgeschichte in den entsprechenden Gremien auszuwerten und zu diskutieren.

Zur Auswertung gehören aus unserer Sicht nicht nur der respektlose Umgang mit einem Studiogast, sondern insbesondere das verstörende Unwissen des Moderators über Zusammenhänge, Hintergründe und Entstehung des Konfliktes in der Ukraine. Noch nie ist ein Krieg einfach so vom Himmel gefallen, es gibt immer eine Reihe von Ereignissen, die zur militärischen Intervention führen – im Falle der Ukraine ging ein nunmehr 8 Jahre andauernder Bürgerkrieg voraus, der im Februar 2022 zunehmend eskalierte, wie die OSCE zu berichten wusste.
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Selbst US-amerikanische Analysten, Journalisten und Politiker äußern sich ehrlicher zu diesem Konflikt und seiner geopolitischen Geschichte als die deutsche Politik- und Medienwelt.

Die Aufgabe eines Moderators ist zudem – wie der Name schon sagt – die Moderation einer Gesprächsrunde. Markus Lanz hat diese Rolle in der beanstandeten Sendung eindeutig verlassen und sich (wiederholt) zum Ankläger einer Teilnehmerin gemacht. Aus der eigentlichen Aufgabe des mäßigenden Lenkens der Diskussionsrunde und der respektvollen Gleichbehandlung aller Beteiligten wurde ein rhetorisches Gemetzel. Die wirklich brisanten Informationen der Journalistin Natalie Amiri zum Organhandel in Afghanistan verkamen in diesem unwürdigen Schauspiel zu einer bedauerlichen Randnotiz in einer sichtlich betretenen Atmosphäre.

Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ergibt sich aus dem Grundgesetz, die gesetzlichen Vorschriften sind im Rundfunkstaatsvertrag festgeschrieben. Demnach soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Programmangeboten „zur Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung einen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und somit zur öffentlichen Meinungsbildung“ leisten.

Dieser Auftrag wurde mit der beanstandeten Sendung aus unserer Sicht in allen Punkten verfehlt.

(1) In den Angeboten des ZDF soll ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden. Die Angebote sollen eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung fördern.

Eine freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung kann nicht stattfinden, wenn die zugrunde liegenden Informationen unvollständig, unsachlich, falsch und aus dem Kontext gerissen vorgetragen oder Meinungsäußerungen und Erklärungen gar nicht erst zugelassen werden.

(2) Das ZDF hat in seinen Angeboten die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Es soll dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinung anderer zu stärken. (…)

Die Würde des Menschen wird nicht dadurch geachtet, wenn er vorsätzlich einem medialen Pranger ausgesetzt wird, ohne die Chance sich zu verteidigen, zu erklären und seine Meinung kundzutun. Aufgrund der beanstandeten Sendung wird bereits öffentlich zur beruflichen Vernichtung von Frau Guérot aufgerufen.
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(3) (…) Die Angebote sollen die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland fördern sowie der gesamtgesellschaftlichen Integration in Frieden und Freiheit und der Verständigung unter den Völkern dienen und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken.

Divergierende Meinungen zu brisanten Themen des Zeitgeschehens dürfen in einer demokratisch und zivilisiert verfassten Gesellschaft nicht dazu führen, dass sich aus dem Austausch handfeste Feindschaften bis hin zur gesellschaftlichen Ächtung einer Person entwickeln. Gerade diese unerfreuliche Entwicklung vollzieht sich nun seit über zwei Jahren mit besorgniserregender Dynamik. Frieden, Freiheit und Sicherheit sind dadurch gefährdet, insbesondere der innere Friede steht bedrohlich auf der Kippe. Die Verständigung unter den Völkern schließt zudem per Definition kein Volk aus, auch nicht das russische.

Das ZDF sollte dringend an diesen Defiziten arbeiten, oder seine Rechtsgrundlagen den gegebenen Umständen anpassen.

Quellen:
https://www.zdf.de/zdfunternehmen/zdf-r ... n-100.html
https://www.zdf.de/zdfunternehmen/zdf-l ... n-100.html
https://www.zdf.de/zdfunternehmen/zdf-r ... n-100.html
https://www.zdf.de/assets/leitordnung-zdf-100~original

Aus Gründen der Transparenz werden wir diese Beschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins https://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.


Mit freundlichen Grüßen


Maren Müller
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Re: Programmbeschwerde - Markus Lanz vom 2. Juni 2022

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Frau Müller,

vielen Dank für Ihre Beschwerde vom 05.06.2022, in der Sie eine Verletzung von Programmgrundsätzen in der Sendung Markus Lanz vom 02.06.2022 ansprechen.

Die Verantwortung für das Programm des ZDF trägt gemäß § 27 Abs. 1 des ZDF-Staatsvertrages der Intendant. Entsprechend der Beschwerdeordnung (§ 21 Abs. 2 der ZDF-Satzung) habe ich deshalb zunächst dem Intendanten Gelegenheit zu geben, Ihre Programmbeschwerde zu prüfen und innerhalb eines Monats zu beantworten. Hier bitte ich Sie um etwas Geduld. Zu Ihrer Information finden Sie die Beschwerdeordnung in der Anlage.
Beschwerdeordnung.pdf
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Ich habe aber sichergestellt, dass ich als Vorsitzende des Fernsehrates über den Fortgang der Angelegenheit unterrichtet bleibe. Sollten Sie mit der Antwort des Intendanten nicht zufrieden sein, so können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang des Schreibens des Intendanten eine Behandlung Ihrer Beschwerde im Fernsehrat fordern. Ich werde diese dann an den zuständigen Programmausschuss des Fernsehrates als Beschwerdeausschuss weiterleiten.


Mit freundlichem Gruß

Marlehn Thieme

Fernsehratsvorsitzende
____________________________________________

ZDF
55100 Mainz
Deutschland

Web: http://www.zdf.de und http://www.fernsehrat.zdf.de

Mit dem Zweiten sieht man besser
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Maren
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Re: Programmbeschwerde - Markus Lanz vom 2. Juni 2022

Beitrag von Maren »

Der neue Intendant des ZDF, Dr. Norbert Himmler, hat auf unsere Beschwerde geantwortet und hat freundlicherweise die Redaktion von Markus Lanz ermuntert, (auch in Zukunft) auf eine vernünftige Diskussionskultur zu achten.
ZDF_Antwort_Lanz_Himmler.pdf
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