ARD - Kiew gedenkt der Maidan-Proteste

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Maren
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ARD - Kiew gedenkt der Maidan-Proteste

Beitrag von Maren »

Westdeutscher Rundfunk Köln
Intendanz
Herr Buhrow
Appellhofplatz 1
50667 Köln



Programmbeschwerde


Sehr geehrter Herr Buhrow,

hiermit legen wir, die Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V., formal Beschwerde gegen den Beitrag „Kiew gedenkt der Maidan-Proteste“ innerhalb der Tagesschau vom 21. November 2014 ein.
http://www.tagesschau.de/multimedia/sen ... -5535.html

Moskau-Korrespondent Udo Lielischkies kommentierte anlässlich der Gedenkfeier:

„Präsident Poroschenko ehrte die, denen er letztendlich seinen Aufstieg zur Macht verdankt: über einhundert erschossene Demonstranten, deren Tod im Februar zum Ende der Janukowitsch-Herrschaft führte. Nachdem die Demonstranten am 20. Februar, einige wenige auch mit scharfen Waffen, das Regierungsviertel zu stürmen versuchten, schossen Spezialeinheiten gezielt auf sie. Am Tag darauf floh Janukowitsch aus Kiew. Die Angehörigen der Erschossenen kritisierten heute Poroschenko, weil noch immer kein Verantwortlicher bestraft wurde. Sie forderten vom Präsidenten, die sogenannten himmlischen Hundert zu Helden der Ukraine zu erklären, was er auch darauf ankündigte.“

Diese Darstellung steht im scharfen Gegensatz zu einer weithin beachteten Folge der gleichfalls von der ARD ausgestrahlten Sendung Monitor vom 10.04.2014, welche auch in den Printmedien ein großes Echo erfuhr. Demnach wurde es bereits vor Monaten als höchst unwahrscheinlich angesehen, dass die Schüsse ausschließlich von Seiten der damaligen ukrainischen Führung ausgegangen seien.

http://www1.wdr.de/daserste/monitor/sen ... an118.html
http://www.spiegel.de/politik/ausland/u ... 63582.html

Die von der Kiewer-Übergangsregierung und ihrem, der Sowoda-Partei angehörigen, Generalstaatsanwalt Olgen Machnizki vertretene Behauptung wurde von Monitor nicht unreflektiert übernommen:

Oleg Machnizki: „Mit dem heutigen Tag klagt die Staatsanwaltschaft zwölf Mitglieder der Spezialeinheit Berkut des Mordes an friedlichen Demonstranten an. Der damaligen Präsident Janukowitsch befehligte diese Spezialeinheit Berkut.“


Die neue Regierung sagt also, die alte Regierung Janukowitschs sei für das Blutbad verantwortlich.

Die Redakteure teilten diese Auffassung jedoch nicht und recherchieren deshalb nach.
Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass nicht nur die Soldaten der Regierung, sondern auch die Demonstranten vom Hotel Ukraina beschossen wurden, das als oppositionelles Zentrum in dieser Zeit fest in den Händen der Regierungsgegner gewesen sei. Die Resultate ihrer Recherchen beruhen auf dem Interview eines Demonstranten namens Mikola, den Aufzeichnungen der die Regierungsgebäude verteidigenden Scharfschützen Janukowitschs durch einen Radioamateur, den Aussagen des Arztes Oleksandr Lisiwoi und den Gesprächen mit Oppositionellen sowie Journalisten, die am 20. Februar 2014 im Hotel Ukraina ausharrten.

Die Schlussfolgerung der Reporter von Monitor lautete:

„Fest steht, es gab neben den vielen friedlichen Demonstranten durchaus eine Gruppe Radikaler mit professionellen Waffen, wie diese Aufnahmen zeigen. Und das Hotel am Morgen des 20. Februars war fest in der Hand der Opposition. Wir sprechen mit Augenzeugen aus dem Hotel Ukraina, Journalisten, Oppositionelle. Sie alle bestätigen uns, am 20. war das Hotel von der Opposition schwer bewacht. Es hätte sich also schwerlich ein Scharfschütze einschleichen können.
(Eingeschnitten/Bild: Filmausschnitt RT, Ruptly): Haben also radikale Oppositionelle am Ende selbst geschossen, um Chaos zu erzeugen, um Janukowitsch die Schuld anzuhängen? Die russischen Fernsehsender verbreiten Bilder, auf denen genau das zu sehen sein soll. Unsere Recherchen bestätigen, dass die Aufnahmen tatsächlich im Hotel Ukraina gemacht wurden, aber wer da genau auf wen schießt, lässt sich nicht endgültig klären. Fest steht nur, es wurde nicht nur auf Oppositionelle, sondern auch auf die Milizen der Regierung geschossen. Vielleicht sogar von denselben Leuten.“


Doch auch die in der Tagesschau angeführte Behauptung, die Unzufriedenheit der Hinterbliebenen Monate nach dem Massaker beträfe ausschließlich die mangelnde Bestrafung der „Schuldigen“ und nicht die Verschleierung der Aufklärung durch die Kiewer Generalstaatsanwaltschaft, wird innerhalb der Monitorsendung widerlegt.

Oleksandr Baschuk, Anwalt der Geschädigten (Übersetzung MONITOR): „Wir kommen alle an keine Ermittlungsprotokolle ran und wenn Sie mich fragen, gibt es dafür einen einfachen Grund, es wird nicht richtig ermittelt. Ich als Anwalt der Verletzten sage Ihnen, die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht richtig, die decken ihre Leute, die sind parteiisch, so wie früher. Die wollen wie in der Sowjetunion oder unter Janukowitsch alles unter der Decke halten, so ist das.“

Es ist nicht anzunehmen, dass ein versierter Korrespondent wie Udo Lielischkies, der mit den Details der Ukraine-Krise bestens vertraut sein sollte, den Inhalt des im eigenen Hause produzierten Beitrags der Sendung Monitor nicht kennt.

Wir möchten Sie deshalb bitten, uns die Gründe für die inhaltliche Diskrepanz innerhalb der eigenen Berichterstattung zu erklären.

Des Weiteren wird innerhalb der beanstandeten Sendung ab Minute 1:30 zum wiederholten Mal eine falsche Aussage - wenn auch nur in der Übersetzung der Rede des US-Vizepräsidenten Biden - über die Unterzeichner des Minsker Abkommens verbreitet.

So spricht Biden darüber, dass „Moskau die Vereinbarungen des Minsker Abkommens für die Ostukraine nicht umgesetzt“ habe, von „unverhohlener Missachtung des Minsker Abkommens durch Moskau, das erst vor kurzem von Russland unterschrieben wurde“.

Wie wir alle - und auch Herr Lielischkies - wissen, wurde das Minsker Abkommen zwischen den beiden Kriegsparteien ukrainische Regierung und "Separatisten" getroffen, wobei OSZE und Russland lediglich als Vermittler fungierten.
Wiederholt wurde seitens des Moskau-Korrespondenten Udo Lielischkies der Versuch unternommen, Russland als offizielle Kriegspartei im Ukrainekonflikt darzustellen. Die Nutzung des Konjunktivs ist unerheblich, wenn eine Falschaussage wider besseres Wissen unkommentiert übernommen und verbreitet wird - auch wenn es sich dabei um eine übernommene Äußerung eines hochrangigen US-Politikers handelt.

Warum diese Art Berichterstattung trotz massiven Protestes der Rezipienten weiter so geführt wird, als gäbe es keine journalistischen Kodizes, die sich unter anderem in der Wahrheitspflicht niederschlagen, sollte nicht Ihr Geheimnis bleiben.

§4 (4) Programmauftrag
In seinem Angebot leistet der WDR einen Beitrag zur Vermittlung von Allgemeinbildung und Fachwissen in Ergänzung zu Schule, Ausbildung und Beruf. Er trägt mit seinen Angeboten dem Erfordernis lebenslangen Lernens ebenso Rechnung wie der Stärkung der Medienkompetenz und der Förderung der sozialen und gesellschaftlichen Integration. Bildungsangebote im Sinne der Sätze 1 und 2 sind Angebote der Wissensvermittlung und Weiterbildung insbesondere in den Bereichen Wissen-schaft und Technik, Kultur und Religion, Geschichte und Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sowie Sprache.

§5 (6) Programmgrundsätze
Die Nachrichtengebung muss allgemein, unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Ver-breitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.


Zum Zwecke der Transparenz wird sowohl diese Beschwerde, als auch der weitere Verlauf der Stellungnahmen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.


Mit freundlichen Grüßen



i. A. Maren Müller
Vorsitzende
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Maren
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Re: ARD - Kiew gedenkt der Maidan-Proteste

Beitrag von Maren »

Antwort des Intendanten des WDR auf unsere Beschwerde.
Dateianhänge
Bescheid PB TS 21.11.2014_Maidan.pdf
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Maren
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Re: ARD - Kiew gedenkt der Maidan-Proteste

Beitrag von Maren »

Liebe Mitglieder und interessierte Gäste,

der Beschwerdeführer verzichtet auf eine Weiterbefassung durch den Rundfunkrat, da es sich um eine Anfrage handelte, deren Beantwortung zwar nicht befriedigend ausgefallen ist, jedoch die Antwort auch nicht umfassend widerlegbar ist.

Das Problem bei Auseinandersetzung um saubere Berichterstattung ist unter anderem die Wortklauberei - die zwar den Beschwerdeführern von den Programmverantwortlichen unterstellt - aber Höchstselbst bis zur Perfektion beherrscht wird.

Es wird bei der Nachricht durchgehend so formuliert, dass ein bestimmter Eindruck definitiv entsteht bzw. entstehen soll, er aber wörtlich selten konkret ausgesprochen wird. Und genau darauf wird sich dann in der Argumentation berufen.

Udo Lielischkies sagte zum Beispiel, einige Demonstranten hätten mit scharfen Waffen versucht, am 20. Februar 2014 das Regierungsviertel zu stürmen. Ergo: Lielischkies behauptet nicht, dass nur Berkut geschossen hätte, meint Tom Buhrow in seiner Argumentation. Jetzt könnte man ähnlich wortakrobatisch entgegnen, Lielischkies sagt ja gar nicht, dass Demonstranten geschossen haben, sondern nur, dass sie mit "scharfen Waffen" in der Hand nach vorn gestürmt sind.
Da sie auch Macheten hatten, könnte er diese damit meinen. Macheten sind ja durchaus scharf an der Klinge. Wenn er tatsächlich Gewehre und Pistolen meint, hat er aber auch nicht gesagt, dass Demonstranten damit gefeuert haben.

Aber Lielischkies Aussage ist selbst ohne Haarspalterei doppelt falsch.
Einerseits: Die Demonstranten mit den Schusswaffen blieben hinten bzw. haben sich in Gebäuden postiert. Sie sind nicht nach vorn gestürmt. Gestürmt sind - das sieht man auf allen Videos auf der Institutska - ausschließlich Leute ohne Schusswaffen. Unter denen gibt es auch die Todesopfer.
Und das ist der zweite Fehler: Es geht ja gerade darum, wer diese erschossen hat und da sagt Lielischkies es waren Spezialeinheiten. Das sagt er aber auch wieder nicht explizit, denn er sagt "schossen Spezialeinheiten auf sie" - ob sie dann auch getroffen haben, lässt er offen. Und das ist eben völlig unklar.

Angreifbar wäre Tom Buhrows selektiver Blick auf die anderen Quellen, die die Hauptverantwortung für die Toten - ohne Beweise zu haben - bei Janukowitsch und den Spezialeinheiten der Polizei sehen. Es gibt auch genauso ernstzunehmende Quellen, die es anders sehen. Etwa Ivan Katchanovski.

Den von Tom Buhrow zitierten Gerhard Simon könnte man durchgehend widerlegen. Zur zitierten Passage: Es war nicht Janukowitsch, der für die Eskalation gesorgt hat, sondern die Maidan-Kämpfer, die am 18. Februar Ihren Marsch auf das Parlament gestartet haben. Alles andere ist Spekulation. Die Maidan-Radikalen hatten nicht nur Knüppel, sondern eine ganze Reihe von Waffen: siehe etwa hier verherrlichend bei Bild.TV - die Schusswaffen sind da noch nicht mal dabei.

Dass es Scharfschützen der Polizei waren, die am 20. Februar 2014 rund um das Hotel Ukraina Demonstranten erschossen haben, wie Simon behauptet, ist bis heute nicht nachgewiesen. Obwohl die amtierende Generalstaatsanwaltschaft fast ein Jahr Zeit dazu hatte und eigentlich auch großes Interesse daran hätte haben müssen.
ARTE und BBC bestätigen inzwischen in Reportagen, dass die tödlichen Schüsse aus dem Oppositionshauptquartier "Hotel Ukraina" kamen.

Ob der neue Generalstaatsanwalt Viktor Schokin die Verbrechen aufklären wird, ist mehr als fraglich. Schließlich hatte er bereits seit Juni 2014 die Gelegenheit, als stellvertretender Staatsanwalt unter dem wegen Korruption und mangelnder Aufklärung zurückgetretenen Generalstaatsanwalts Yarema, entsprechendes Engagement zu zeigen.

Eine ausführliche Zusammenfassung, mit vielen aufschlussreichen Quellenangaben findet sich für die interessierten Besucher im Artikel "Der verklärte Aufstand" bei Telepolis und im Thema Sammlung wichtiger Informationsquellen finden sich auch einige Infos zu den Geschehnissen auf den Maidan, die wir gerne mit Ihrer Hilfe erweitern.

Zu Punkt zwei der Beschwerde werden wir, aus ähnlichen Gründen wie oben bereits beschrieben, den formalen Weg nicht beschreiten und betrachten diesen Vorgang somit als abgeschlossen.

Mit freundlichen Grüßen
Maren Müller
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