Unqualifizierter ARD-aktuell-Beitrag über Saudi-Arabien

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Maren
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Unqualifizierter ARD-aktuell-Beitrag über Saudi-Arabien

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Unqualifizierter ARD-aktuell-Beitrag über Saudi-Arabien im Internet

http://www.tagesschau.de/ausland/saudi- ... n-103.html

Sehr geehrter Herr Marmor,

wir erheben Beschwerde über den oben genannten, auf einem Pressetext der Gefangenenhilfe-Organisation Amnesty International basierenden Beitrag. Berichtet wird über die drastische Zunahme von Todesurteilen und Hinrichtungen in Saudi-Arabien. Veröffentlicht hat ARD-aktuell darüber auf "tagesschau.de" einen Text der Nachrichtenagentur AFP, und zwar ohne jede redaktionelle Bearbeitung. Das ergibt sich beim Vergleich mit anderen Mainstream-Medien (z.B. Fokus, DW, T-online, Spiegel-online), die Wort-für-Wort-Identität macht den Eindruck perfekter Gleichschaltung.

Es hatte, diese Reminiszenz sei uns gestattet, durchaus vernünftige und sachgerechte Gründe, weshalb in der Tagesschau in längst vergangener Zeit die Redakteure gehalten waren, die Nachrichten aller verfügbaren Agenturberichte zu einem Thema zu lesen, (mindestens der zwei deutschen, einer US-amerikanischen, einer britischen, einer französischen und einer russischen Agentur) und danach den Text einer Meldung für die Tagesschausendung frei ins Blatt zu diktieren. Das hatte den Vorzug, als „sprech-sprachliches“ Produkt verständlicher zu sein als schriftsprachliche Texte und beförderte zudem mehr kritische Distanz zum Berichtsgegenstand sowie analytische Kontrolle der Meldungsinhalte.

Dass die wichtigste Nachrichten-Redaktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sich am geistlosen Abkupfern von Textbausteinen und dem Transport von unbearbeiteten Nachrichten beteiligt, verwundert uns nicht mehr, sollte jedoch Sie als Intendant alarmieren. Nach unserer Auffassung liegt ein Verstoß gegen die Richtlinien des Rundfunkstaatsvertrags (§11e, (4)f in der Fassung vom 17. September 2013) vor:

"Die Onlineangebote entsprechen dem öffentlich-rechtlichen Programmstandard und erfordern eine eigenständige journalistische Leistung. Die inhaltliche Richtigkeit der von der ARD verbreiteten Onlineangebote ist durch regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung zu gewährleisten.“

Für die Internet-Nachrichten der ARD-aktuell-Redaktion gelten im übrigen die gleichen Bestimmungen (Programmauftrag, Programmrichtlinien) des NDR-Staatsvertrages und des Rundfunk-Staatsvertrages wie für die herkömmlichen Radio- und TV-Nachrichtensendungen. Sie haben sich jeglicher Wertung zu enthalten und objektiv zu berichten. Die in der Agenturmeldung enthaltene und von ARD-aktuell kritiklos übernommene Bezeichnung „erzkonservatives Königreich“ ist aber nicht nur eine an sich unzulässige Wertung, sondern darüber hinaus auch noch eine irreführend beschönigende (und eher das englische Königshaus beleidigende). Saudi-Arabien ist eine mörderische Diktatur, in der politische Parteien, Gewerkschaften und Demonstrationen verboten sind, in der maßlos bestraft, Terror gegen Arbeitsmigranten und System-Gegner geübt wird und die einen Angriffskrieg (mit Hilfe der USA) gegen ein Nachbarland inszeniert.

In dem vollkommen unkritisch von der AFP abgekupferten Beitrag fehlt zudem jegliche Information, die der vernünftigen Einordnung der Meldung dienen könnte. Damit bleibt ein weiteres staatsvertraglich formuliertes Erfordernis unerfüllt:

Es gibt keinen Hinweis auf die vorzüglichen deutsch-saudi-arabischen Beziehungen. Ein solcher Hinweis wäre zur Vervollständigung der Nachricht allerdings nötig gewesen, weil er es den Rezipienten ermöglicht hätte, die Information sachgemäß einzuordnen. Beispielsweise hätte" tagesschau.de" darauf hinweisen können, dass das Berliner Auswärtige Amt hervorhebt, "Die bilateralen Beziehungen...(sind) traditionell eng und im Allgemeinen spannungsfrei....".

Zur Abrundung des Verständnisses wäre auch ein Hinweis auf die umfangreichen deutschen Waffenlieferungen an die blutrünstige Diktatur Saudi-Arabien hilfreich gewesen. Das Fehlen solcher Faktenangaben zur Einordnung und Orientierung ist ein Verstoß gegen die Staatsvertrags-Richtlinien (§11e, [4] d):

"Den Nutzern bietet die ARD mit ihren Onlineangeboten durch unabhängige redaktionelle Auswahl und transparente Nutzerführung Orientierung im Netz. Sie ist von besonderer Bedeutung in einem Medium, das durch eine nicht abzählbare Fülle von Informationen und Diensten sowie durch einkommerzielles Umfeld geprägt ist."

Wir bitten um Prüfung und wünschen, dass Sie und Herr Dr. Gniffke sich bei Ihren Rechtfertigungsversuchen nicht allzu sehr verkrampfen.

Mit freundlichen Grüßen

F. Klinkhammer
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Maren
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Re: Unqualifizierter ARD-aktuell-Beitrag über Saudi-Arabien

Beitrag von Maren »

NDR-Rundfunkrat
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg


Eingabe vom 12.11.2015-Saudi-Arabien, Antwort L.Marmor v. 7.12.15


Sehr geehrte Damen und Herren,

die Mitteilung des Intendanten lässt offen, welche Haltung er zu der Beschwerde einnimmt. Herr Dr. Gniffke dagegen versucht erneut, mit seinen Rechtfertigungen, von der Sache abzulenken. Er versucht den Eindruck zu erwecken, als hätten wir die Agenturmeldungen in ihrem Wahrheitsgehalt angezweifelt. Um dieses Problem ging es bei unserer Kritik überhaupt nicht. Unser Vorwurf besteht darin, dass die Meldung wortidentisch übernommen wurde, ohne eine eigene Bearbeitung vorzunehmen.
Saudi-Arabien Antwort.pdf
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Es gab keinerlei Einordnung im Bezug zur deutschen Politik, die – wie wir wissen – gegenüber Saudi-Arabien geprägt ist durch Entspannung, umfangreiche Waffenexport und heuchlerische Doppelmoral.

Dass eine inhaltliche Bearbeitung und Einordnung unterblieb, räumt Dr. Gniffke selber ein, als er darauf hinweist, dass die Eigenständigkeit des Beitrages lediglich im Formulieren einer Überschrift und dem Beifügen eines Fotos bestand. Das genügt aber keineswegs den Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages:

Die Richtlinien des Rundfunkstaatsvertrags (§11e, (4)f in der Fassung vom 17. September 2013) sehen vor:

"Die Onlineangebote entsprechen dem öffentlich-rechtlichen Programmstandard und erfordern eine eigenständige journalistische Leistung. Die inhaltliche Richtigkeit der von der ARD verbreiteten Onlineangebote ist durch regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung zu gewährleisten.“

Wo im Abschreiben einer Agenturmeldung eine „eigenständige journalistische Leistung“ liegen soll, entzieht sich unserer Vorstellung. Dass der Gesetzgeber mehr als nur die Wiedergabe einer von privaten Medien produzierten Meldung auf „Tagesschau.de“ verlangt, erscheint selbstverständlich. Die gesellschaftlich garantierte finanzielle Unterstützung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein deutliches Zeichen.

Das Fehlen von Fakten zur Einordnung und Orientierung ist ein Verstoß gegen die Staatsvertrags-Richtlinien (§11e, [4] d):

"Den Nutzern bietet die ARD mit ihren Onlineangeboten durch unabhängige redaktionelle Auswahl und transparente Nutzerführung Orientierung im Netz. Sie ist von besonderer Bedeutung in einem Medium, das durch eine nicht abzählbare Fülle von Informationen und Diensten sowie durch einkommerzielles Umfeld geprägt ist."

Im übrigen:

Die von ARD-aktuell kritiklos übernommene Bezeichnung „erzkonservatives Königreich“ ist aber nicht nur eine an sich unzulässige Wertung, sondern darüber hinaus auch noch eine irreführend beschönigende Charakterisierung eines mörderischen Staates. Herr Dr. Gniffke und der NDR-Intendant bestreiten, dass es sich bei Saudi-Arabien um eine mörderische Diktatur handelt. Nun ja, vielleicht handelt es sich doch nur um einen erzkonservativen Staat, in dem lediglich politische Parteien, Gewerkschaften und Demonstrationen verboten sind, in dem etwas härter als üblich bestraft, ein wenig Terror gegen Arbeitsmigranten und System-Gegner geübt wird und nur ein kleinerer Angriffskrieg (mit Hilfe der USA) gegen ein Nachbarland inszeniert wird.

Was auffällt: In Deutschland sind wir inzwischen soweit, dass fast nur noch Satire-Sendungen die Realität benennen (Die Anstalt v. 8.12.15).
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Wir bitten um Prüfung.

Mit freundlichem Gruß
F.Klinkhammer & V. Bräutigam
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