Betreff: Gelenkte Informationen?

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Maren
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Betreff: Gelenkte Informationen?

Beitrag von Maren »

An: Zuschauerredaktion

Sehr geehrte Damen und Herren,


seit langem verlasse ich mich auf die Informations-Angebote Ihres Hauses.
In den letzten Wochen allerdings muss ich mich über die Informationspolitik der ARD wundern:

Kai Gniffke musste in den zurückliegenden Tagen zugeben, dass die Tagesschau am 17. Oktober nicht entsprechend gekennzeichnetes Archivmaterial einer Lichterkette für Asylbewerber benutzte.

Des Weiteren räumte Gniffke ein, dass nicht immer ein richtiges Bild der nach Deutschland drängenden Flüchtlingen gezeigt werde.

Ebenso wurde in den Tagesthemen vom 18.10 in dem Bericht über die Oberbürgermeisterwahl in Köln der falsche Eindruck suggeriert, dass viele junge Menschen nach dem Attentat zur Wahl gegangen seien. Zahlen nannte der Bericht nicht, die Wahlbeteiligung lag knapp über 40%, den niedrigste Wert seit Ende des Zweiten Weltkrieges.

Am 19.10 sendete das MOMA ein Interview, in dem Frau Göring-Eckhardt behauptete:

Zitat: „...und Dresden, das ist vor allem die Frauenkirche, die ist wieder aufgebaut worden, nachdem die Nazis sie zerstört haben…“

Die Moderatorin hätte an dieser Stelle diese offensichtlich falsche Behauptung sofort richtig stellen müssen. Fakt ist, dass die Frauenkirche durch Angriffe der RAF und USAAF zerstört wurde.

Ein Satz wie… als Konsequenz durch den von Hitler begonnenen Krieg, wurde die Frauenkirche durch alliierte Bombenabwürfe zerstört... entspricht den Tatsachen einfach besser. Das Interview suggeriert leider, dass die Nazis aktiv die Frauenkirche zerstört haben.

Es scheint so zu sein, dass die ARD ein Interesse daran hat, die Berichterstattung in diesem Lande zum Thema „Flüchtlingskrise" in eine bestimmte Richtung zu lenken. Und das mit den GEZ-Gebühren der Menschen! Ich finanziere meine eigene Zensur.

Ich erinnere hier an den Auftrag der ARD, den ich im Moment nicht mehr als erfüllt ansehe:
Auftrag der ARD ist es, mit ihren Angeboten die Meinungsvielfalt zu sichern. Ihre Berichterstattung soll ausgewogen, unparteilich und objektiv sein.


Als Geschichtslehrer muss ich mich hier wirklich ärgern. Nie hätte ich gedacht, dass in Deutschland, das solange und immer wieder für Demokratie und Meinungsfreiheit kämpfen musste, eine derart gelenkte Berichterstattung in den Medien möglich ist. Die ARD ist jetzt in meinem Unterricht ein Beispiel dafür, dass sich Geschichte nicht wiederholt, es aber dennoch immer wieder Parallelen gibt und das auch eine ARD nicht ausgewogen, unparteilich und objektiv berichtet.


Mit freundlichem Gruß

XXXXXXXXXX
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Maren
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Re: Betreff: Gelenkte Informationen?

Beitrag von Maren »

Sehr geehrter Herr XXXXXXXX,

vielen Dank für Ihre E-Mail und Ihr Interesse am Ersten Deutschen Fernsehen.

Wir bedauern Ihre Kritik an der Berichterstattung im Ersten.

In der Tagesschau am 17.10.2015 wurde über die Lichterkette in Berlin berichtet. Dieser Nachrichtenfilm hatte eine Länge von 22 Sekunden und basierte auf dem Mitschnitt einer Live-Sendung des RBB vom gleichen Abend. In dieser Sendung wurde auch Archivmaterial aus dem Jahr 2003 verwendet, aus dem auch in der Tagesschau insgesamt rund drei Sekunden gezeigt wurden. Während im RBB im Text darauf hingewiesen wurde, dass es sich um Archivmaterial handelt, unterblieb in der Tagesschau dieser Hinweis.

Der Grund: Der Kollege, der zehn Minuten vor der Sendung aus dem Livesignal eine kurze Bilderstrecke schneiden musste, hatte in der Eile versäumt, den Kopfhörer aufzusetzen. Er konnte deshalb nicht hören, dass der RBB-Kommentator an einer Stelle den Hinweis auf eine Sequenz älterer, ähnlicher Bilder gegeben hat. Ein Datumsinsert, das er hätte wahrnehmen können, war nicht enthalten. Auch wenn die Gesamtaussage dieses Nachrichtenfilms den Tatsachen entsprach, hätte die Verwendung der kurzen Archivbildsequenz natürlich unterbleiben müssen.

„Dieses Versäumnis bedauern wir. Qualitätskontrolle hat bei ARD-aktuell einen sehr hohen Stellenwert. Wenn die Tagesschau Material sendet, das nicht vom gleichen Tage ist, blenden wir normalerweise ein Datum bzw. den Hinweis "Archiv" ein“, erklärte der Chefredakteur von ARD-Aktuell Dr. Kai Gniffke.

Lesen Sie auch die Erklärung von Herrn Kniffke explizit zur Meldung im „Focus“ mit der Schlagzeile „Tagesschau und Tagesthemen: ARD räumt falsches Flüchtlingsbild ein“: „Der Focus schreibt, ich hätte eingeräumt, dass wir ein "falsches Flüchtlingsbild" vermitteln. Allerdings hatte ich vor Dutzenden von Zuhörern beim "Scoopcamp" in Hamburg gesagt, "wir müssen aufpassen, dass wir nicht ein falsches Bild vermitteln." Tut mir leid, aber da hat sich der erfahrene Kollege vom Focus wohl verhört. Eine Nachfrage hätte diese Falschmeldung verhindern können.“

Grundsätzlich bemühen sich die Sendungen des Ersten bei diesem Thema, wie bei allen anderen auch, um eine möglichst objektive Darstellung. Dazu gehört, alle Aspekte des behandelten Themas angemessen zu beleuchten und Betroffene beider Seiten ausreichend zu Wort kommen zu lassen.

Bei ihrer Arbeit verfolgen die Journalisten der ARD als oberstes Ziel, gründlich zu recherchieren, Fakten zu erhärten und sie verständlich darzustellen. Bei der Auswahl der Themen orientieren sich die Redaktionen an journalistischen Nachrichtenkriterien. Ein weites Netz an Mitarbeitern in Deutschland und Korrespondenten in der ganzen Welt recherchiert für die Redaktionen.

Es tut uns sehr leid, dass Sie trotz aller Sorgfalt den Eindruck gewonnen haben, Das Erste berichte über die Flüchtlingskrise einseitig bzw. nicht vollständig. Das Erste will Sie mit seinen Berichten zum Thema informieren: Über die Hintergründe, die Menschen aus Nord- und Zentralafrika zur massenhaften Flucht bewegen, über die rechtlichen Rahmenbedingungen für Asyl, Duldung und Aufenthalt in Deutschland und Europa, über die Probleme der Behörden, die vielen Flüchtlinge unterzubringen und das Engagement der Bürger in den Kommunen, die fremden Menschen zu integrieren.

Über die aktuellen Debatten der politischen Vertreter auf nationaler Ebene in den Staaten der EU sowie in den Gremien der Europäischen Union. Dabei kommen kritische Aspekte genauso zur Sprache wie erfreuliche. Denn das Erste Deutsche Fernsehen ist keiner politischen Instanz, Partei oder sonstigen Interessengruppen in besonderer Weise verpflichtet. Das öffentlich-rechtliche ARD-Gemeinschaftsprogramm wird aus Rundfunkbeiträgen finanziert und arbeitet frei von staatlicher Einflussnahme. In den Kontrollgremien der Landesrundfunkanstalten achten Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen darauf, dass journalistische und ethische Standards eingehalten werden.

Viele Menschen betrachten den Strom der Flüchtlinge mit großem Argwohn. Um ein objektives Meinungsbild zu erhalten, führen unabhängige Meinungsforschungsinstitute im Auftrag der ARD repräsentative Umfragen dazu durch.

Dem aktuellsten sogenannten „Deutschlandtrend“ konnten Sie dazu entnehmen, dass 76 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass „Die Zuwanderung unsere Gesellschaft verändern“ wird. 22 Prozent beantworteten diese Frage mit „Nein“. Insgesamt wächst die Besorgnis der Bürgerinnen und Bürger über den Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland: 51 Prozent der Deutschen äußerten bei der jüngsten Befragung: „Es macht mir Angst, dass so viele Flüchtlinge zu uns kommen“. 47 Prozent gaben sich hingegen zuversichtlich. Im September hatten sich 38 Prozent der Befragten im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise verunsichert gezeigt, im Vormonat hatten noch die Befragten mit einer gelassenen Einstellung zur Zuwanderung mit 59 Prozent die deutliche Mehrheit gebildet.

Die Ergebnisse des repräsentativen „Deutschlandtrends“ machen sehr deutlich, dass es sich um ein hochkomplexes und sensibles Thema handelt, das eine äußerst differenzierte Berichterstattung erfordert. Selbstverständlich wird das Erste auch weiterhin die Stimmung und die Bedürfnisse der Menschen in Deutschland angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Flüchtlingsfrage umfassend und vollständig darstellen.

Ich hoffe, wir konnten Ihnen unsere Haltung einsichtig machen. Ihre Kritik an der unkommentierten Aussage von FrauKatrin Göring-Eckardt im ARD-Morgenmagazin zur Zerstörung der Frauenkirche haben wir zur Kenntnisnahme der Programmverantwortlichen protokolliert.

Mit freundlichen Grüßen

XXXXXXXXXX

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