Programmbeschwerde: Für Nazis zweierlei Maß

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Maren
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Programmbeschwerde: Für Nazis zweierlei Maß

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Für Nazis zweierlei Maß

Sehr geehrte Damen und Herren Rundfunkräte, sehr geehrter Herr Intendant,

die deutsche politische Funktionselite bejammert und empört sich mittlerweile schon geradezu rituell, dass hierzulande Wählerstimmen zunehmend an die extreme Rechte verloren gehen und obskure Gruppen in diesem Spektrum sogar die Nazi-Zeit wieder glorifizieren. Von „Pack" und „Rechtspopulisten" ist die Rede, da wird gar die Notwendigkeit beschworen, unsere repräsentative Demokratie vor solchen Kräften gesetzlich zu schützen. Von notwendigem Kampf gegen Rechts ist allerdings dann nie die Rede, wenn er imperiale Interessen dieser Elite stören würde.

Geradezu klassisches Beispiel: Wenn der ukrainische Putschistenpräsident und Oligarch Petro Poroschenko die Faschisten seines Landes braucht, um eventuellen Russenverstehern in den eigenen Reihen die Kante zu geben – dann schlägt auch die Stunde unserer medialen Funktionselite: ARD-aktuell-Chef Dr. Gniffke nimmt Golineh Atais journalistischen Service für den rechten Sektor in Kiew in Anspruch und lässt genüßlich an die zahlungsverpflichteten deutschen TV-Haushalte liefern; die Verbreitung von Russenhass genießt Wohlwollen und Priorität.

Von prinzipiell kritischer Betrachtung nazistischer Geschichte merkt man im Angebot des zentralen Nachrichteninstitus auch nichts, wenn italienische Gerichte die Auslieferung von in Italien verurteilten Nazi-Mördern fordern, die komfortabel ihren Lebensabend in deutschen Altersheimen verbringen. Grüßonkel-Präsident Gauck hält zwar vor Nazi-Opfern von Betroffenheit triefende Reden, will sich aber nicht dafür einsetzen, dass unser Staat für diese Hinterbliebenen ein paar Euro locker macht ...

Wir bitten um Nachsicht, dass wir aus hygienischen Gründen nicht auf diese Einstimmung auf die o.g. Programmbeschwerde verzichten mochten. Sie schien uns bedauerlicherweise notwendig, wir wollen damit bewusst machen, welche Bigotterie sich darin dokumentiert, dass ARD-aktuell über folgenden Vorgang auf der internationalen Bühne kein Wort verlor:

Seit einiger Zeit berät der "Dritte Ausschuss der Vollversammlung der Vereinten Nationen" in jährlichen Abständen eine Resolution zum Kampf gegen die Glorifizierung des Nationalsozialismus und gegen neue Formen von Rassismus und Fremdenhass. Auch diesmal war ein entsprechendes Dokument von Russland vorbereitet und eingebracht worden. Unstreitig dürfte selbst in der UNO sein, dass Russland jedes Recht und Anlass zu einem solchen diplomatischen Vorstoß hat, ein Blick auf die mehr als 20 Millionen sowjetischen Toten, die im Welkrieg II dem Wüten der deutschen Nazi-Wehrmacht, der SS und dem SD zum Opfer fielen bestätigt das, und ein Blick darauf, dass der Neofaschismus derzeit wieder überall in Europa (und nicht nur hier) fröhliche Urständ feiert, bestätigt es ebenfalls.

Unstreitig sollte aber auch sein, dass es gemäß Programmauftrag und Programmrichtlinien des Staatsvertrags und aus berufsethischen Gründen zu den Aufgaben von ARD-aktuell gehört hätte, über diesen Vorstoß zu berichten. Tagesschau & Co. hätten zwingend vermelden müssen, dass diese so wesentliche Initiative gegen den Nazismus nun schon zum wiederholten Mal ordinärem Zweckmäßigkeitsdenken geopfert wurde. Zwar unterstützten neben Russland 131 Staaten die Resolution, darunter die VR China und Indien. Aber die USA, die Ukraine und der pazifische Insel-Kleinstaat Palau stimmten dagegen. 48 Staaten mochten sich zum Nazismus und Neofaschismus nicht erklären, darunter – Deutschland: in sklavischer Gefolgschaftstreue zu den USA nie bereit, der Supermacht entschieden entgegenzutreten, nicht einmal aufgrund historischer Schuld und Scham. ...

Selbstredend drückt sich in diesem deutschen Abstimmungsverhalten das Politikverständnis des Noch-Außenministers aus, unseres künftigen Blumenkübels auf Schloss Bellevue, Frank-Folter(Kurnaz) Steinmeier. Dass ARD-aktuell über das Verhalten der Bundesrepublik nicht berichtet hat, entspricht ihrer Redaktionslinie, Russlands Politik zu marginalisieren, wenn sich schon nicht dagegen polemisieren lässt. Hier werden mittels Nachrichtenunterdrückung gleich mehrere politische Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Das reaktionäre Bedürfnis in Deutschland, „endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen“ wird gepflegt. Dem Aufkommen von Verständnis und Sympathie mit Russland wird begegnet. Dem imperialen Interesse der USA und ihrer partiell bereits antidemokratischen Gesellschaft sowie den Interessen der Berliner Funktionselite wird gedient.

Und Programmauftrag sowie berufsethischen Grundsätzen wird erneut eine Abfuhr erteilt.

Friedhelm Klinkhammer, Volker Bräutigam
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Maren
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Re: Programmbeschwerde: Für Nazis zweierlei Maß

Beitrag von Maren »

Betreff: Ihre E-Mail vom 20.11.2016
Datum: 14. Februar 2017

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

der Intendant des Norddeutschen Rundfunks, Herr Lutz Marmor, hat mich gebeten, direkt auf Ihre E-Mail vom 20.11.2016 zu antworten.

Darin kritisieren Sie, dass ARD-aktuell in seinen Sendungen und auf der Webseite tagesschau.de nicht über die Resolution des „Dritten Ausschusses der Vollversammlung der Vereinten Nationen“ zum Kampf gegen die Glorifizierung des Nationalsozialismus und gegen neue Formen von Rassismus und Fremdenhass berichtet habe.

Tatsächlich hat am 18.11.2016 der Menschenrechtsausschuss der UN-Generalversammlung über eine Resolutionsentwurf Russlands abgestimmt, der den Titel „Bekämpfung der Verherrlichung von Nazismus, Neonazismus und anderen Praktiken, die zum Schüren von modernen Formen des Rassismus, der Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz beitragen“ trug. Der Ausschuss nahm diese Resolution mit 131 Stimmen an, gegen die Stimmen der USA, der Ukraine und Palaus. Es gab 48 Enthaltungen, darunter Deutschland und die anderen EU-Staaten.

Soweit ARD-aktuell dies nachvollziehen kann, ist diese Abstimmung in deutschsprachigen Medien praktisch unbeachtet geblieben. Lediglich bei „Russia Today Deutsch“ findet sich eine kurze Meldung. Auch in den vergangenen Jahren hatte Russland diese Initiative in den Menschenrechtsausschuss eingebracht. Gewohnheitsmäßig stimmen die USA gegen die Resolution, die EU-Staaten enthalten sich. Der Grund liegt im politischen Charakter der eingebrachten Erklärung. Russland geht es offenbar nicht um eine Verurteilung von neonazistischen Tendenzen, sondern wohl eher darum, missliebige Regierungen in den Nachbarstaaten in die Nähe des Faschismus zu rücken. 2014 hatte die Bundesregierung die Nicht-Zustimmung folgendermaßen begründet:

„Die Bundesregierung lehnt jede Verherrlichung des Nationalsozialismus kompromisslos ab. Der von Russland initiierte Resolutionsentwurf ‘Combating glorification of Nazism, neo-Nazism and other practices that contribute to fuelling contemporary forms of racism, racial discrimination, xenophobia and related intolerance‘ wurde am 21.11.2014 im Dritten Ausschuss der VN-Generalversammlung mit 115 zu drei Stimmen bei 55 Enthaltungen angenommen. Deutschland hat sich wie in den Vorjahren gemeinsam mit seinen Partnern in der Europäischen Union (EU) der Abstimmung enthalten. Dafür war vor allem ausschlaggebend, dass der Entwurf Personen, die sich in den 40er Jahren für die Unabhängigkeit der baltischen Staaten von der Sowjetunion eingesetzt haben, pauschal eine Verbindung zu den nationalsozialistischen Verbrechen unterstellt. Wie in den Vorjahren hatte die EU in den Verhandlungen insbesondere zu den Nummern vier und 14 klarstellende Formulierungen vorgeschlagen, die Russland als Initiator des Entwurfs allerdings nicht aufgegriffen hat. Darüber hinaus enthält der Entwurf weitere problematische Formulierungen in Bezug auf das Recht auf Meinungsfreiheit, die Integrität der Vertragsorgane und des Universal-Periodic-Review-Verfahrens sowie in Bezug auf die Unabhängigkeit des UN-Sonderberichterstatters über zeitgenössische Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung, der Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz. Die EU hat ihre Bedenken in einer Stimmerklärung im Dritten Ausschuss dargelegt.“

Aus Sicht von ARD-aktuell ist die quasi turnusgemäße Einbringung und Ablehnung bzw. Nicht-Zustimmung einer Resolution in einem UN-Ausschuss eine Nachricht von nachrangiger Bedeutung. In Anbetracht bedeutenderer Themen haben wir deshalb auf eine Berichterstattung verzichtet. Keineswegs liegt deswegen eine Nachrichtenunterdrückung vor. Die Redaktion muss jeweils aus der Vielzahl von wichtigen Themen jeden Tag die allerwichtigsten aussuchen. Keinesfalls gibt es eine Pflicht zur Berichterstattung bei bestimmten Themen, wie von Ihnen unterstellt.

Aus unserer Sicht ist Ihre Kritik deshalb unbegründet.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kai Gniffke
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Maren
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Re: Programmbeschwerde: Für Nazis zweierlei Maß

Beitrag von Maren »

UN-Vollversammlung

Sehr geehrte Rundfunkräte,

Dr. Gniffkes Auslassungen sind der erneute Beweis dafür, dass ARD-aktuell sich bei der Berichterstattung sklavisch von der politischen Zielsetzung der Bundesregierung abhängig macht und auf eigene, journalistische, unabhängig entwickelte Akzentuierung und Auswahlkriterien verzichtet. Vulgo: Hofschranzentum, Lakaiengeist, selbstverschuldete Regierungsabhängigkeit, Ergebnis: Staatsfunk.

Da Sie mittlerweile nahezu täglich Beschwerden über die fehlerhafte Arbeitsweise der begnadeten ARD-aktuell erhalten, sind Sie offenbar - im Zusammenspiel mit der Staatskanzlei des niedersächsischen Ministerpräsidenten - bemüht, sich Arbeit damit vom Hals zu halten und sie einfach der Chefredaktion zur Beantwortung weiterzuschieben. Wir bewundern Ihre juristische Spitzfindigkeit bei der allerdings vergeblichen Suche nach einer Tarnung für Ihre Unfähigkeit zu gründlicher eigenständiger Prüfarbeit jeder einzelnen Eingabe; Sie sind anscheinend entweder zu faul oder überfordert. Mit Chefredakteur Dr. Gniffke, dem Verantwortlichen für das journalistische Versagen, machen Sie lieber den Bock zum Gärtner: Soll er doch schauen, wie er die Beschwerdeführer abwimmelt. Wir erwarten also von ihm, wie in mehr als 150 vorausgegangenen vergleichbaren Fällen bereits gegeben, eine seiner faulen Ausreden und rechthaberischen Dementis. Denn Dr. Gniffke ist ein ehrenwerter Journalist.
Wie beeilen uns, hinzuzufügen: Und Sie sind ehrenwerte Rundfunkräte.

Mit besten Grüßen

F.Klinkhammer, V. Bräutigam
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