Programmbeschwerde: Schäuble-Äußerungen

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Maren
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Programmbeschwerde: Schäuble-Äußerungen

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Schäuble-Äußerungen

Sehr geehrte Rundfunkräte,

in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" äußerte Bundesfinanzminister Schäuble, die Probleme der europäischen Flüchtlingspolitik seien dadurch entstanden, dass die Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen EU-Staaten nicht geklappt habe. Grund seien die Unterschiede in den EU-Sozialstandards: „Wir haben bei den sozialen Leistungen viel höhere Standards als die meisten europäischen Länder. Deswegen wollen so viele nach Deutschland. [...] wenn wir uns das nicht mehr leisten wollen, dann müssen wir gucken, ob wir mit den anderen EU-Ländern auf einen gemeinsamen, einheitlichen Sozialstandard kommen. Bisher ist das in Deutschland ein Tabu.“

Unklar an seiner Äußerung bleibt, ob hier der "einheitliche Sozialstandard“ für Asylsuchende gemeint war oder ob Schauble das Flüchtlingsthema zum Vorwand nehmen will, die Sozialstandards und Leistungen hierzulande grundsätzlich für alle zu senken (beides wäre asozial und menschenverachtend genug).

Über die Minister-Sprüche hat ARD-aktuell nicht berichtet, obwohl sie für einen beträchtlichen Teil der deutschen Bevölkerung von größtem Interesse sind, zumal vor einigen Tagen bekannt wurde, dass die notwendigen Mehrausgaben für die Unterbirngung und Integration der Zufluchtsuchenden in Deutschland jährlich über 22 MRD Euro betragen.

Journalistisch wäre es zwingend gewesen, über die Schäuble-Ergüsse zu berichten und ggf. zu recherchieren, ob mit seinem Vorschlag die Absicht verfolgt wird, die Sozialstandards in Deutschland allgemein weiter abzusenken (z.B. auf Griechenland-Niveau) oder „nur“ für die Flüchtlinge, die hier eine neue Heimat finden sollen.

Dass ARD-aktuell derartige Äußerungen des wichtigsten Ministers der Groko unterdrückt bzw. nicht klärt, gießt Wasser auf die Mühlen der AfD ("Lügenpresse"), die der ehrenwerte Herr Dr. Gniffke und seine Claqueure im Rundfunkrat ja im Sinne der Demokratie zu bekämpfen vorgeben.

Das Versäumnis ist ein Verstoß gegen die Programmrichtlinien.

F.Klinkhammer, V.Bräutigam
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Maren
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Re: Programmbeschwerde: Schäuble-Äußerungen

Beitrag von Maren »

Von: publikumsservice@tagesschau.de
Betreff: Ihre Nachricht vom 01.02.2017

Sehr geehrter Herr Klinkhammer, sehr geehrter Herr Bräutigam,

in Ihrer E-Mail vom 01.02.2017 kritisieren Sie, dass ARD-aktuell nicht über ein Interview der Zeitung "Die Welt" vom 29.01.2017 mit Bundesfinanzminister Schäuble berichtet hat. Gestatten Sie mir dazu folgende Anmerkungen:

Jeden Tag wird bei ARD-aktuell aufs Neue darüber diskutiert und gerungen, über welche Ereignisse in welchem Umfang berichtet wird. Nachrichten zu machen, bedeutet stets, Nachrichten zu gewichten und eine Auswahl zu treffen, denn aus Tausenden von Meldungen muss zwangsläufig eine Auswahl getroffen werden. ARD-aktuell ist sich dieser Tatsache bewusst und wir gehen so verantwortungsvoll wie wir können damit um. Dabei sind wir keiner politischen Instanz, Partei oder sonstigen Interessengruppen verpflichtet. Das öffentlich-rechtliche ARD-Gemeinschaftsprogramm wird aus Rundfunkbeiträgen finanziert und arbeitet frei von staatlicher Einflussnahme. Ob und in welchem Umfang über ein Thema berichtet wird, hängt auch davon ab, was sich an dem jeweiligen Tag noch alles ereignet hat. So kommt es vor, dass bestimmte Begebenheiten an einem Tag Einzug in unser Nachrichtenangebot erhalten, an einem anderen Tag dagegen nicht. Die Relevanz eines Themas ist gewissermaßen relativ und kann nur im Zusammenhang mit anderen tagesaktuellen Themen bewertet werden.

Natürlich kann man geteilter Meinung darüber sein, für wie wichtig man welche Themen hält. Wir versichern Ihnen aber, dass wir uns tagtäglich bemühen, unsere Zuschauer möglichst umfassend über das Weltgeschehen zu informieren. Zugleich bitte ich um Verständnis, dass ich auf Ihre weiteren grundsätzlichen Anschuldigungen, ARD-aktuell ignoriere oder unterdrücke Informationen, wegen offensichtlicher Haltlosigkeit nicht eingehe.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Nitsche
Zweiter Chefredakteur ARD-aktuell
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Maren
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Re: Programmbeschwerde: Schäuble-Äußerungen

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Damen und Herren des NDR-Rundfunkrates,

wir hatten an Sie die Beschwerde vom 01.02.2017 gerichtet und bekamen dann eine Textbaustein-Antwort der ARD-aktuell-Redaktion: Das entspricht nicht dem Verfahren des § 13 NDR-Staatsvertrag und der GO des Rundfunkrates.

Dass ARD-aktuell als kritisierte Redaktion die Rechtfertigung für das eigene Versäumnis liefert, ist Pille-Palle, es heisst: Es wird der Bock zum Gärtner gemacht. Die kritisierte Redaktion ist befangen, sie hatte schließlich eine Stellungnahme in eigener Sache abzugeben. Aufgrund des Subordinationsverhältnisses der Hauptabteilung ARD-aktuell zu ihrer Geschäftsleitung bleibt ihr zur Vermeidung von Nachteilen nur die Selbstrechtfertigung. Dass Sie als Rundfunkrat diese Prozedur nicht für unwürdig, sondern für angebracht und vertretbar halten, zeigt, wie naiv Sie in Medienfragen sind und wie wenig Sie darüberhinaus sich selbst ein eigenständiges, unabhängiges Urteil zubilligen.

Dass eine wichtige Meldung - immerhin von anderen deutschen Medien verbreitet - bei ARD-aktuell unterdrückt wurde, zeigt die Regierungsabhängikeit der Redaktion und die Mängel bei der Anwendung anerkannter journalistischer Grundsätze.

Da Sie mittlerweile nahezu täglich Beschwerden über die fehlerhafte Arbeitsweise der ARD-aktuell erhalten, sind Sie offenbar - im Zusammenspiel mit der Staatskanzlei des niedersächsischen Ministerpräsidenten - bemüht, sich Arbeit damit vom Hals zu halten und die Protestschreiben einfach der Chefredaktion zur Beantwortung weiterzuschieben. Wir bewundern die juristische Spitzfindigkeit, mit der Sie diese Extratour zu rechtfertigen versuchen, halten sie allerdings für untauglich, Ihre Unfähigkeit zu gründlicher eigenständiger Prüfarbeit jeder einzelnen Eingabe zu verschleiern. Auf solche Mätzchen verfällt nur, wer entweder zu bequem oder überfordert ist, seine Kontrollfunktion zu erfüllen. So oder so: Es wirft kein gutes Licht auf Sie als Repräsentanten von Gewerkschaften, Umweltschutzorganisationen, Schriftstellerverband, Parteien, Arbeitgebern, Kirchen etc. pp. Es entbehrt nicht einer inneren Logik, dass Sie Programmbeschwerden auch nur hinter verschlossenen Türen beraten und Ihre Entscheidungen gegenüber der Öffentlichkeit auch nicht begründen.

Wir fordern Sie auf, bei Behandlung unserer Programmbeschwerde wenigstens formal das seit mehr als 30 Jahren übliche Verfahren einzuhalten.


F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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