Union verteidigt SPD-Reform
Verfasst: 27. Februar 2017, 22:27
Programmbeschwerde: Union verteidigt SPD-Reform
http://www.tagesschau.de/inland/agenda- ... l-103.html
Sehr geehrte Damen und Herren des Rundfunkrates,
wie immer, wenn Kanzlerin Merkel etwas verkündet, steht ARD-aktuell stramm und geriert sich als schallender Herold ihrer Betrachtungen. Auch im o.g. Beitrag transportiert die Redaktion lediglich vollkommen distanzlos und unkritisch die Behauptungen der obersten politischen Beauftragten des Kapitals in unserer Parteienoligarchie. Mit der Headline und einer Lüge fängt es schon an: ARD-aktuell übernimmt ohne jegliche journalistische Skrupel die hämisch gemeinte Bemerkung der Kanzlerin: "Union verteidigt SPD-Reform". Tatsache ist: Es war eine "Reform", die von allen Parteien (mit Ausnahme der Linken) beschlossen wurde.
Frau Merkel verkündete den großen Erfolg der Agenda 2010 für Deutschland und den Arbeitsmarkt: Dem Schröder-Projekt sei es zu verdanken, dass die Arbeitslosenzahl sich seit 2005 halbiert habe. Das ist bereits nominell falsch und hätte dringend der redaktionellen korrigierenden Ergänzung bedurft: 2005 gab es in Deutschland 4,8 Mio Arbeitslose, dannach wurden die Vorgaben für die Statistik zwecks Aufhübschung geändert. Heute weist diese dergestalt nachgesüßte Statistik trotzdem noch 2,7 Mio Arbeitslose aus, also erheblich mehr als die Hälfte. Real aber sind 3,7 Menschen gänzlich ohne Arbeit.
In den Vorgaben für die Statistik steckt ebensoviel Täuschungsabsicht wie in der Kanzlerinnenbehauptung, die Arbeitlosigkeit sei „halbiert“; das ist sie also nicht einmal mit den geschönten statistischen Daten. Und dazu, dass die nominelle Arbeitsmarktentwicklung ein positives und begrüßenswertes Ergebnis allein der Agenda 2010 sei, gibt es erstens kein qualifziertes Indiz oder gar Beweise, sondern nur Behauptungen von interessierter Seite, und zweitens äußerst gegensätzliche Erkenntnisse der Fachwelt. Ein Blick auf den für die Absenkung der Arbeitslosenzahlen äußerst wirksamen Niedriglohnsektor, auf dem immerhinn fast ein Drittel aller Beschäftigten prekär tätig ist, wäre notwendig gewesen. Es gehört zu den Pflichten von Journalisten, auf falsche, irreführende Angaben von Politikern zumindest aufmerksam zu machen.
Das bloße Weitertragen selbstgefälliger und propagandistischer Zwecklügen aus Politikermund widerspricht hingegen dem Auftrag zu objektiver und vollständiger Berichterstattung gemäß den Programmrichntlinien des Staatsvertrages.
Bezeichnend auch die weitere Gestaltung des Beitrages: Neben CSU-Söder tauchen weitere Politiker auf, die sich nun nicht mehr mit Kanzlerin Merkels Sprüchen über die SPD und die Agenda 2010 befassen, sondern mit den Forderungen des SPD-Kanzlerkandidaten Schulz auseinandersetzen. Die Kanzlerin wird trotz ihrer Rolle als „Spitzenkandidatin“ der Union und trotz ihrer Fake-News zur Arbeitslosigkeit nun beiseite gelassen.
Die Stellungnahmen beziehen sich jetzt auf die Absicht des Kanzlerkandidaten Schulz, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes zu verlängern. Söder und die Grünen erhalten Gelegenheit, dagegen Stellung zu nehmen; die Linke, ohnehin medial grundsätzlich benachteiligt, darf sich ein wenig für Schulzens Forderung erwärmen. Der beabsichtige Eindruck: Schulz und die Schmuddelkinder der Politik machen gemeinsame Sache, da steht demnach Übles bevor. Oder, ins tatsächliche ARD-aktuell-Gewand gekleidet: „Die Linke gibt Rückendeckung“.
Die propagandistische Zielsetzung dieser Darbietung ist beim zweiten, genaueren Blick unverkennbar.
Müssen wir noch ergänzen, dass in diesem Bubenstück unterstützende Stellungnahmen von SPD-Politikern oder den hier inhaltlich mit der SPD verbündeten Gewerkschaften gänzlich fehlen?
Die einseitige Auswahl von unkritisch wiedergegebenen Gegenpositionen zu den Schulz-Forderungen demonstriert eine Parteilichkeit der Berichterstattung, die nach dem Staatsvertrag unzulässig ist. Es ist blanke Meinungsmache, was hier geboten wurde.
Auf Schulz und seine Wahlkampf-Forderungen wird so lange diskreditierend eingedroschen, dass später kaum noch eine Realisierungschance für die Reformvorstellungen mehr bleibt, selbst wenn Schulz nach der Wahl formal die Möglichkeit dazu bekäme. Klappern gehört eben zum Geschäft, ganz besonders im von den Sozis ausgerufenen sozialen Halbjahr, vulgo: der „heißen“ Wahlkampfphase. Journalistenpflicht wäre, es klar als eben dies erkennbar zu machen: Wahlkampflärm aller Beteiligten.
F. Klinkhammer V. Bräutigam
http://www.tagesschau.de/inland/agenda- ... l-103.html
Sehr geehrte Damen und Herren des Rundfunkrates,
wie immer, wenn Kanzlerin Merkel etwas verkündet, steht ARD-aktuell stramm und geriert sich als schallender Herold ihrer Betrachtungen. Auch im o.g. Beitrag transportiert die Redaktion lediglich vollkommen distanzlos und unkritisch die Behauptungen der obersten politischen Beauftragten des Kapitals in unserer Parteienoligarchie. Mit der Headline und einer Lüge fängt es schon an: ARD-aktuell übernimmt ohne jegliche journalistische Skrupel die hämisch gemeinte Bemerkung der Kanzlerin: "Union verteidigt SPD-Reform". Tatsache ist: Es war eine "Reform", die von allen Parteien (mit Ausnahme der Linken) beschlossen wurde.
Frau Merkel verkündete den großen Erfolg der Agenda 2010 für Deutschland und den Arbeitsmarkt: Dem Schröder-Projekt sei es zu verdanken, dass die Arbeitslosenzahl sich seit 2005 halbiert habe. Das ist bereits nominell falsch und hätte dringend der redaktionellen korrigierenden Ergänzung bedurft: 2005 gab es in Deutschland 4,8 Mio Arbeitslose, dannach wurden die Vorgaben für die Statistik zwecks Aufhübschung geändert. Heute weist diese dergestalt nachgesüßte Statistik trotzdem noch 2,7 Mio Arbeitslose aus, also erheblich mehr als die Hälfte. Real aber sind 3,7 Menschen gänzlich ohne Arbeit.
In den Vorgaben für die Statistik steckt ebensoviel Täuschungsabsicht wie in der Kanzlerinnenbehauptung, die Arbeitlosigkeit sei „halbiert“; das ist sie also nicht einmal mit den geschönten statistischen Daten. Und dazu, dass die nominelle Arbeitsmarktentwicklung ein positives und begrüßenswertes Ergebnis allein der Agenda 2010 sei, gibt es erstens kein qualifziertes Indiz oder gar Beweise, sondern nur Behauptungen von interessierter Seite, und zweitens äußerst gegensätzliche Erkenntnisse der Fachwelt. Ein Blick auf den für die Absenkung der Arbeitslosenzahlen äußerst wirksamen Niedriglohnsektor, auf dem immerhinn fast ein Drittel aller Beschäftigten prekär tätig ist, wäre notwendig gewesen. Es gehört zu den Pflichten von Journalisten, auf falsche, irreführende Angaben von Politikern zumindest aufmerksam zu machen.
Das bloße Weitertragen selbstgefälliger und propagandistischer Zwecklügen aus Politikermund widerspricht hingegen dem Auftrag zu objektiver und vollständiger Berichterstattung gemäß den Programmrichntlinien des Staatsvertrages.
Bezeichnend auch die weitere Gestaltung des Beitrages: Neben CSU-Söder tauchen weitere Politiker auf, die sich nun nicht mehr mit Kanzlerin Merkels Sprüchen über die SPD und die Agenda 2010 befassen, sondern mit den Forderungen des SPD-Kanzlerkandidaten Schulz auseinandersetzen. Die Kanzlerin wird trotz ihrer Rolle als „Spitzenkandidatin“ der Union und trotz ihrer Fake-News zur Arbeitslosigkeit nun beiseite gelassen.
Die Stellungnahmen beziehen sich jetzt auf die Absicht des Kanzlerkandidaten Schulz, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes zu verlängern. Söder und die Grünen erhalten Gelegenheit, dagegen Stellung zu nehmen; die Linke, ohnehin medial grundsätzlich benachteiligt, darf sich ein wenig für Schulzens Forderung erwärmen. Der beabsichtige Eindruck: Schulz und die Schmuddelkinder der Politik machen gemeinsame Sache, da steht demnach Übles bevor. Oder, ins tatsächliche ARD-aktuell-Gewand gekleidet: „Die Linke gibt Rückendeckung“.
Die propagandistische Zielsetzung dieser Darbietung ist beim zweiten, genaueren Blick unverkennbar.
Müssen wir noch ergänzen, dass in diesem Bubenstück unterstützende Stellungnahmen von SPD-Politikern oder den hier inhaltlich mit der SPD verbündeten Gewerkschaften gänzlich fehlen?
Die einseitige Auswahl von unkritisch wiedergegebenen Gegenpositionen zu den Schulz-Forderungen demonstriert eine Parteilichkeit der Berichterstattung, die nach dem Staatsvertrag unzulässig ist. Es ist blanke Meinungsmache, was hier geboten wurde.
Auf Schulz und seine Wahlkampf-Forderungen wird so lange diskreditierend eingedroschen, dass später kaum noch eine Realisierungschance für die Reformvorstellungen mehr bleibt, selbst wenn Schulz nach der Wahl formal die Möglichkeit dazu bekäme. Klappern gehört eben zum Geschäft, ganz besonders im von den Sozis ausgerufenen sozialen Halbjahr, vulgo: der „heißen“ Wahlkampfphase. Journalistenpflicht wäre, es klar als eben dies erkennbar zu machen: Wahlkampflärm aller Beteiligten.
F. Klinkhammer V. Bräutigam