Kriegsverbrechen unter wahrscheinlicher Mitwirkung der Bundeswehr

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Maren
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Kriegsverbrechen unter wahrscheinlicher Mitwirkung der Bundeswehr

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Manipulieren und marginalisieren / ARD-aktuell über ein Kriegsverbrechen unter wahrscheinlicher Mitwirkung der Bundeswehr

http://www.tagesschau.de/multimedia/sen ... -5131.html

Sehr geehrte NDR Rundfunkräte,

In der Nacht vom 21.3. auf den 22.3. haben Kampfflugzeuge der „westlichen Koalition gegen den IS“ nahe der syrischen Stadt Rakka ein Schulgebäude bombardiert und dabei mindestens 33 Zivilisten umgebracht. An dem Kriegsverbrechen war die deutsche Bundeswehr zumindest mittelbar beteiligt. ARD-aktuell hat über das Bombardement zunächst jedoch überhaupt nicht berichtet. Unsere Programmbeschwerde dagegen blieb ohne Antwort. Eine versteckte Reaktion im Programm erfolgte erste eine Woche später, am 29. März, aufgrund der nicht mehr ignorablen Informationen über die Rolle der Bundeswehr. Mit aktueller und vor allem umfassender sachlicher Berichterstattung, wie im Staatsvertrag vorgegeben, hat diese redaktionelle Minusleistung nichts mehr gemein.

Die ohnehin zeitlich verspätete Meldung holte ARD-aktuell trotz ihrer Brisanz und ihres politischen Gewichts in denkbar unauffälliger Weise und lapidar nach: nicht in der Hauptausgabe der Tagesschau, (da hätten es an diesem Tag 4,9 Mio Zuschauer mitbekommen) sondern unter den Kurzmeldungen gegen Ende der Tagesthemen (nur mehr 2,2 Mio Zuschauer), versteckt zwischen einer Nachricht über den Kabinettsbeschluss für ein Korruptionsregister und der Mitteilung über die geplatzte Börsenfusion London-Frankfurt. Wortlaut dieses 30-Sekunden dauernden, niederträchtig auf marginal getrimmten Beitrags über ein schweres Kriegsverbrechen:

22’52“ - 23’22

„Die Bundeswehr soll nach Informationen von NDR und WDR an einem Luftschlag in Syrien beteiligt gewesen sein. Sie lieferte offenbar Aufklärungsfotos. Bei dem Angriff der US-geführten Koalition auf ein Schulgebäude waren nach Angaben von Aktivisten vergangene Woche mehr als 30 Zivilisten getötet worden. Das Verteidigungsministerium erklärte gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio, die Bundeswehr sei nicht in die Angriffsplanung involviert gewesen.“ Quelle: s. Betreffzeile

In einem ausführlicheren Beitrag fürs Internet, auf tagesschau.de (keine 0,5Mio Leser) hatte es noch geheißen:

Das Verteidigungsministerium wollte sich zum konkreten Fall nicht äußern und verwies auf Geheimhaltungsgründe. Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/luftan ... r-101.html

Das Redaktionsverständnis von der angemessenen journalistischen Bewertung der Nachricht über eine wahrscheinliche Mitschuld der Bundeswehr an einem Kriegsverbrechen ist nicht mehr nachvollziehbar. Es ist das Ergebnis regierungshöriger Einseitigkeit, transatlantischer Schlagseite, Fixiertheit auf transatlantisch genormtes Agenturmaterial und ignoranter Verweigerung alternativer Quellennutzung. Schon die verbale Schönfärberei mittels Wortschöpfungen aus der Propaganda-Giftküche wie „Luftschlag“ – für ein Massaker! – ist eine Verhöhnung aller Menschen, die sich über solche Vorfälle noch entsetzen können. Sie hat sich eingebürgert, dank häufiger Verwendung vor allem in den ARD-Nachrichten für ein Millionenpublikum. Auch Telepolis verwendet ihn, setzt aber wenigstens „verheerend“ davor und informiert präziser, ausführlich über die Ereignisse:

„Mehr Verantwortung übernehmen: Bundeswehr an verheerendem Luftschlag beteiligt

[...]. Demnach sollen deutsche Tornados am 19. März 2017 "Aufklärungsbilder" eines Gebäudekomplexes geliefert haben, der in der Nacht vom 21. auf den 22. März bombardiert wurde. [...] eine Zusammenkunft zwischen Vertretern des Bundesverteidigungsministeriums und Bundestagsabgeordneten, die sich heute in geheim tagender Sitzung im Verteidigungsausschuss des Bundestages getroffen haben. [...]“ Quelle:

https://www.heise.de/tp/features/Mehr-V ... 70436.html

Darüber, dass ARD-aktuell die Nachricht zunächst unterschlug, liegt Ihnen bereits unsere Beschwerde "... und über Syrien auch nichts mehr“ vom 24. März 2017 vor. Darin stellten wir fest:

„[...] Wenn die Schuld der USA überhaupt nicht zu leugnen ist und, wie am 21. März, zum Beispiel in dem Dorf al-Mansour nahe der IS-Hochburg Rakka in Nordsyrien eine Schule getroffen wird [...], dann kommt das gleich gar nicht in der Tagesschau vor. [...] Die Meister der manipulativen Nachrichtenauswahl in Hamburg-Lokstedt berichten nicht über US-Kriegsverbrechen, wenn die nicht eh schon an der Großen Glocke hängen.

Zu ergänzen ist: Über eine wahrscheinliche deutsche Mitwirkung an Kriegsverbrechen im Rahmen dieser „Koalition“ berichtet ARD-aktuell erst nur dann, wenn die Geschichte in Berlin an der Großen Glocke hängt. Aber dann auch nur ordentlich abgepackt in ein MItschuld leugnendes Dementi der mutmaßlichen Täter: „[...]die Bundeswehr sei nicht in die Angriffsplanung involviert gewesen.“

Nein nein, die Bundeswehr hat nur wesentliches Material für die Angriffsplanung geliefert. Und ARD-aktuell übernimmt lieber die apologetische Wortklauberei des Ministeriums, unreflektiert und lakaienhaft, als ordentliche journalistische Leistung zu zeigen. Dass die Luftbilder der Tornados nicht für die Aktion „Unser Dorf soll schöner werden“ gebraucht wurden, war allen Beteiligten am Geheimtreffen im Bundestag und den Qualitätsjournalisten im ARD-Hauptststudio klar. Vereint sind hier Komplizen und Mitwisser eines Vorgangs, der als Kriegsverbrechen zu betrachten ist.

Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer
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Maren
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Re: Kriegsverbrechen unter wahrscheinlicher Mitwirkung der Bundeswehr

Beitrag von Maren »

Von: publikumsservice@tagesschau.de
Betreff: Ihre Nachricht vom 30.03.2017 - Rolle der Bundeswehr / Rakka

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 30.03.2017.

Wie Sie sehr richtig festgestellt haben, hat ARD-aktuell über den u. g. Vorfall berichtet. Wir können daher nicht erkennen, inwieweit wir uns des "Manipulierens" und "Marginalisierens" schuldigt gemacht haben sollen.

Art und Umfang unserer Berichterstattung hängt ebenso wie der Verbreitungsweg von mehreren Faktoren ab. Es gibt bestimmte Kriterien, nach denen die Redaktion Themen gewichtet und einordnet. Jeden Tag wird bei ARD-aktuell aufs Neue darüber diskutiert und gerungen, über welche Ereignisse in welchem Umfang berichtet wird. Nachrichten zu machen, bedeutet stets, Nachrichten zu gewichten und eine Auswahl zu treffen, denn aus Tausenden von Meldungen muss zwangsläufig eine Auswahl getroffen werden.

ARD-aktuell ist sich dieser Tatsache bewusst und geht so verantwortungsvoll wie möglich damit um. Da unser Nachrichtenangebot breit gefächert ist und auf vielen Ausspielwegen stattfindet, ist es uns möglich, eine Vielzahl von Meldungen zu verbreiten; deutlich mehr als noch vor einigen Jahren.

Daher gilt: Eine Nachricht, die es nicht bis in die Hauptausgabe der Tagesschau um 20 Uhr schafft, findet möglicherweise Eingang in andere Sendung oder wird auf tagesschau.de berücksichtigt. Ob und in welchem Umfang über ein Thema berichtet wird, hängt auch davon ab, was sich an dem jeweiligen Tag noch alles ereignet hat. So kommt es vor, dass bestimmte Begebenheiten an einem Tag Einzug in unser Nachrichtenangebot erhalten, an einem anderen Tag dagegen nicht. Die Relevanz eines Themas ist gewissermaßen relativ und kann nur im Zusammenhang mit anderen tagesaktuellen Themen bewertet werden.

Bei der Auswahl von Nachrichten unterliegt ARD-aktuell keinem Druck oder Einfluss von außen oder verfolgt gar ein bestimmtes politisches Ziel. Das öffentlich-rechtliche ARD-Gemeinschaftsprogramm wird aus Rundfunkbeiträgen finanziert und arbeitet frei von staatlicher Einflussnahme.

Wir hoffen, wir konnten Ihnen damit weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Kai Gniffke
Erster Chefredakteur ARD-aktuell
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Maren
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Re: Kriegsverbrechen unter wahrscheinlicher Mitwirkung der Bundeswehr

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Rundfunkräte,

die Stellungnahme ist dreist. Der Anstaltsvertreter Gniffke geht inhaltlich mit keinem Wort auf unsere Programmbeschwerde ein.

Er versucht mit einem seiner gängigen nichtssagenden Textbausteine den Eindruck zu erwecken, als sei er ein "verantwortungsvoller" Journalist. Das entspricht nicht der Realität, er zeigt sich hier eher als Ignorant.

Nun sind Sie mit einer Stellungnahme an der Reihe...

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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