Wie üblich: Geschönter Arbeitsmarkt-Bericht

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Maren
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Wie üblich: Geschönter Arbeitsmarkt-Bericht

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde. Wie üblich: Geschönter Arbeitsmarkt-Bericht

http://www.tagesschau.de/multimedia/sen ... 19069.html

Sehr geehrte NDR Rundfunkräte,

der Mangel ist klassisch: Die Tagesschau beschränkt sich, wie immer bei ihren monatlichen Informationen über die Lage auf dem Arbeitsmarkt, auch hier wieder auf einige wenige statistische Angaben, die kein vernünftiges Urteil über die tatsächlichen Gegebenheiten erlauben, sondern Schönfärberei im Interesse der Regierenden sind:

„Das milde Frühjahrswetter hat sich positiv am Arbeitsmarkt ausgewirkt. [...] Insgesamt waren im März 2.662.000 Frauen und Männer arbeitslos gemeldet. Das sind 100 000 weniger als im Vormonat und 183 000 weniger als im März des Vorjahres. Die Quote liegt bei 6 Prozent.“ Quelle: s. Betreffzeile

Auf tagesschau.de, dem ARD-aktuell-Feigenblatt im Internet, wird im Titel zwar gefragt:

„Ist die Arbeitslosenstatistik geschönt?“

und zur Antwort gegeben:

„Ja und Nein. Denn wer als arbeitslos gilt, ist eine Frage der Definition. [...]. Jede Änderung wirkt sich auf die Statistik aus. Immer wieder formulierte die Politik die Kriterien so um, dass die Arbeitslosenzahlen offiziell sanken [...]“. Quelle: http://www.tagesschau.de/wirtschaft/hg- ... 93849.html

Konkretisiert wird das aber nicht. Weil nicht dargestellt wird, mit welchen definitorischen Tricks die Zahl der Unglücklichen ohne ausreichenden Arbeitserwerb künstlich gedrückt wurde, ist auch nicht abschätzbar, wie viele Menschen insgesamt tatsächlich betroffen sind von Erwerbslosigkeit.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber hat „[...] einen objektiven und umfassenden Überblick über das [...] Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben“. Denn: „Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbständigen Urteilsbildung der Burger und Bürgerinnen beizutragen“.

Die von ARD-aktuell zu vertretende Schönfärberei und der manipulative Umgang mit Fakten werden im vorliegenden Fall auch daran erkennbar, dass ein weiteres Informationsangebot der Bundesagentur für Arbeit gleich gar nicht genutzt wurde: Die breiter gefassten Zahlen zur Unterbeschäftigung. Dieser Wert stieg nämlich im Vergleich zum März 2016 um 18.000 an. Insgesamt belief sich die Unterbeschäftigung im März auf 3.688.000 Personen. Quelle:

https://deutsche-wirtschafts-nachrichte ... utschland/

Ein erheblicher Mangel ist darin zu sehen, dass keine konkreten Informationen über den Umfang des Niedriglohnsektors und seines Einflusses auf die angeblich positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gegeben wurden. Wie lautet der Programmauftrag? „...sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbständigen Urteilsbildung der Burger und Bürgerinnen beizutragen.“ So, wie ARD-aktuell das versteht, funktioniert es nicht. Statistische Rosinenpickerei und angestrengt positivistische Berichterstattung über die Entwicklungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind mit dem Informationsauftrag unvereinbar, den die wichtigste Nachrichtensendung der Republik zu erfüllen hätte.

Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer
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Maren
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Re: Wie üblich: Geschönter Arbeitsmarkt-Bericht

Beitrag von Maren »

Von: publikumsservice@tagesschau.de
Betreff: Ihre Nachricht vom 02.04.2017 - Arbeitsmarkt

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 02.04.2017.

Sie werfen ARD-aktuell vor, unzureichend über die arbeitsmarktpolitische Lage in Deutschland zu berichten bzw. die Lage am Arbeitsmarkt bewusst zu schönen. Wir sind der Ansicht, dass diese Anschuldigung jedweder Grundlage entbehrt.

Sie führen selbst unsere Hintergrundberichterstattung auf tagesschau.de über die Hintergründe der amtlichen Statistiken an und behaupten, dort werde nicht dargestellt, mit welchen "definitorischen Tricks" gearbeitet werde. Das ist aus unserer Sicht falsch. U. a. unter den Punkten "Was fehlt in der Arbeitslosenstatistik?" und "Wie viele Arbeitslose gibt es wirklich?" wird eingehend genau darauf Bezug genommen. Dass die monatlich in den kurzen Meldungen bekannt gegebenen Zahlen unvollständig sind, liegt in der Natur der Sache; in aller Regel besteht keine Möglichkeit, die aktuelle Statistiken detailliert zu beleuchten, da dies den Rahmen der vorhandenen Sendezeit bzw. den Raum unserer anderen Ausspielplattformen sprengen würde. Da wir in dem o. g. Bericht auf tagesschau.de allerdings einen ausführlichen Hintergrundbericht anbieten, sehen wir uns hier gut aufgestellt und sind der Meinung, dass wir unserem Programmauftrag vollumfänglich nachkommen.

Wir hoffen, wir konnten Ihnen damit weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Kai Gniffke
Erster Chefredakteur ARD-aktuell
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Maren
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Re: Wie üblich: Geschönter Arbeitsmarkt-Bericht

Beitrag von Maren »

Sehr geehrter Herr Rohrbach,

wir sind der Auffassung, dass diese Beschwerde - auch nach den Vorgaben des Rundfunkrates ("Arbeitsentlastungsprogramm für bequeme Mandatsträger"), an denen Sie selbst nach Angaben der Rundfunkratsvorsitzenden mitgewirkt haben - vom Rundfunkrat nach dessen GO zu behandeln ist und keineswegs mit einer Anregung verwechselt werden kann. Es geht hier nicht um die Auswahl von Nachrichten, sondern um eine korrekte Bearbeitung nach den Vorschriften des NDR-Staatsvertrages bzw. des Rundfunkstaatsvertrages. Wir gehen davon aus, dass Sie den Rundfunkrat auf die Rechtslage hinweisen und ordnungsgemäße Behandlung des Beschwerdevorgangs empfehlen.

Zum Inhalt der PB: viewtopic.php?f=44&t=1917

Mit freundlichen Grüßen

F. Klinkhammer V. Bräutigam
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Maren
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Re: Wie üblich: Geschönter Arbeitsmarkt-Bericht

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Rundfunkräte,

dem Anstaltsvertreter Gniffke fehlt es sichtbar an Bereitschaft zu selbstkritischer Betrachtung, wie er mit seiner Replik beweist, er bzw. seine Redaktion berichteten ausreichend über die "Lage am Arbeitsmarkt".

Unabsichtlich legt er einen Offenbarungseid ab: "... in aller Regel besteht keine Möglichkeit, die aktuellen Statistiken detailliert zu beleuchten, da dies den Rahmen der vorhandenen Sendezeit bzw. den Raum unserer anderen Ausspielplattformen sprengen würde". Eine ebenso sachlich falsche wie frappierend offenherzige Einlassung, erkennbar daran, dass für Nachrichten über die Wirtschaft und ihre Unternehmen täglich reichlich Sendezeit zur Verfügung steht. Allein Börsennachrichten - allenfalls interessant für die kleine Klasse der Betuchten, gibt es fast täglich umfassende Nachrichten samt Reporterbeiträgen. Dass es demgegenüber für die ohnehin nur selten anfallenden Berichte vom Arbeitsmarkt kaum Sendeplätze für detaillierte Informationen und Erläuterungen geben soll, zeigt wieder einmal die Schräglage der ARD-aktuell zugunsten der gesellschaftlichen Eliten. Und es zeigt, wie interessengebunden und beschränkt der Chefredakteur die staatsvertragliche Pflicht auslegt, einen „objektiven und umfassenden Überblick über das Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben“ (§5,1).

Fehlt im Grunde also nur noch Dr Gniffkes Behauptung, die „Lage auf dem Arbeitsmarkt“ sei kein wesentlicher Lebensbereich, wohl aber das Interesse der Aktienbesitzer und Spekulanten, deren Informationsansprüche er so bereitwillig erfüllen lässt, obwohl ihr Beitrag zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vergleichsweise gering ist. Diese Schieflage, diese Tendenzberichterstattung verstößt im übrigen auch gegen die staatsvertragliche Verpflichtung, zur „sozialen Gerechtigkeit beizutragen“ (§7,2) sowie sicherzustellen, dass das Programm "nicht einseitig einer [...] Gruppe, einer Interessengemeinschaft [...] oder einer Weltanschauung dient“ (§8,2).

Die Stellungnahme des Chefredakteurs ist unsachlich, unzutreffend und steht im deutlichen Widerspruch zur Aufgabenstellung der Redaktion. Der Rundfunkrat ist aufgerufen, dazu Stellung zu nehmen. WIr weisen daraufhin, dass das bisherige Verfahren erneut gegen § 7 der GO NDR RR verstößt.

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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