Unvollständig und irreführend über DelPonte-Rücktritt

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Maren
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Unvollständig und irreführend über DelPonte-Rücktritt

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Unvollständig und irreführend über DelPonte-Rücktritt

http://www.tagesschau.de/ausland/Delponte-101.html

Sehr geehrte Rundfunkräte des NDR,

der tagesschau.de-Bericht über den Rücktritt der Schweizer Juristin Carla Del Ponte als Mitglied der UN-Sonderkommission zu Syrien ist wegen seiner Unvollständigkeit und fehlender Einordnungsangebote irreführend. Er entspricht damit nicht den staatsvertraglichen Anforderungen an die Programmgestaltung. Da die Redaktion es nicht einmal im geräumigen Internet-Auftritt der ARD-aktuell schaffte, den Hintergrund einigermaßen auszuleuchten, war das in ihren übrigen Sendungen natürlich erst recht nicht zu erwarten. Hier einige Beispiele von irreführender Unvollständigkeit. tagesschau.de:

[...] Del Ponte, die als Anklägerin am Internationalen Strafgerichtshof Verbrechen in Ruanda und Jugoslawien verfolgte, sagte, in Syrien sei jeder "schlecht". Zu Beginn habe sie gedacht, die Opposition seien "die Guten".

Nach sechs Jahren sei sie jedoch zu zu einem anderen Schluss gekommen: Die Regierung des Präsidenten Baschar al-Assad verübe "schreckliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und setze Chemiewaffen ein. Die Opposition bestehe nur noch aus "Extremisten und Terroristen". [...]


Es fehlt der entscheidende Hinweis, dass Del Ponte gegenüber dem Tessiner Fernsehen RSI zu den Giftgasanschlägen in Aleppo erklärt hatte:

„Wir haben Zeugenaussagen von Ärzten, Flüchtlingen in benachbarten Ländern und Spitalmitarbeitern, dass chemische Waffen verwendet wurden - nicht von der Regierung, aber von der Opposition“

(gemeint: die u. a. von den USA, Großbritannien, Katar und Saudi-Arabien unterstützten Terroristen).

Dass ARD-aktuell über solche höchst kontroversen, die Persönlichkeit Del Ponte beschreibenden Äußerungen nicht berichtet, hat allerdings Tradition. Sie sei mit ihrer Forderung erfolglos geblieben, ein Sondertribunal zu Syrien einzurichten, meldet die Tagesschau. Die Redaktion geht jedoch nicht der Frage nach, woher die Schweizerin wohl ihre Überzeugung nimmt, ein solches Sondertribunal könne eine gerechte Strafverfolgung in Syrien sicherstellen. Als Chefanklägerin beim UN-Sondertribunal zu Jugoslawien, einer sehr viel einflussreicheren Position als der von ihr nunmehr aufgegebenen, hatte Del Ponte den Verdacht geäußert, die Kosovo-Befreiungsarmee UÇK habe im Sommer 1999 rund 300 Serben verschleppt und ihnen Organe für den Weiterverkauf entnommen. Es hätten genügend Beweise für eine Untersuchung vor dem Internationalen Gerichtshof vorgelegen, diese sei aber „im Keim erstickt worden“ (!). Stattdessen habe man sich auf die Verfolgung serbischer Kriegsverbrechen konzentriert (!).

Es fehlen außerdem Fragen und Antworten zu der Syrien-Untersuchungskommission selbst, aus der Del Ponte nunmehr ihren Austritt erklärte: Eingesetzt vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte, derzeit ein jordanischer Prinz, Chef einer eindeutig politischen und pro-westlich dominierten UN-Institution. Dem zugeordneten Gremium, dem UN-Menschenrechtsrat, gehören derzeit Vertreter u.a. Saudi-Arabiens (!), der USA, Großbritanniens, Ägyptens, Iraks und der VR China (!) an. Das Mandat der Kommission ist, alle Menschenrechtsverletzungen in Syrien zu untersuchen.

Die Ermittler haben bisher mehr als 5000 Zeugen und Opfer befragt. Da die syrische Regierung von der Kommission angesichts deren politischer Rahmenbedingungen keine strafprozessualrechtlich unabhängige Arbeit von ihr erwartete und ihr deshalb keinen Zugang ins Land gewährt, wurden die Befragungen mit Betroffenen in Syrien über Telefon oder Skype geführt sowie mit Geflüchteten in den Nachbarländern Syriens. Die Kommission verwendet auch Bildmaterial, forensische und medizinische Berichte sowie Dokumente von Regierungen und internationalen Organisationen. Die trotzdem vielerorts diskutierten Zweifel an ihrer Arbeitsweise und politischen Unabhängigkeit wären von ARD-aktuell darzustellen gewesen.

Eine Überweisung der Untersuchungsergebnisse der Kommission an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag kann nur vom UN-Sicherheitsrat beschlossen werden. Der hat das bisher nicht erreicht, aus zweifelsfrei ebenfalls rein politischen Gründen, und das nun hat Del Ponte frustriert.

Quellen u.a.: https://www.nzz.ch/international/rueckt ... 2_2017-8-7

Das Erklärmuster der ARD-aktuell für diese Sachlage, „achtmal hat Russland mit einem Veto einen solchen Beschluss verhindert, sechsmal hat China von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht“ wird hier nicht gesondert erörtert, weil solche kontextfreien, simplen Darstellungen nur propagandistischen Zielen dienen. Entgegenzuhalten ist hier, dass in keinem Fall die Verantwortlichen für Staatsterrorismus in Syrien vor dem Sondertribunal stünden, sondern allenfalls die Täter aus der zweiten Riege - und die Repräsentanten der unterlegenen Kriegspartei. Nach dem Jugoslawienkrieg waren das Mladic und Milosevic und eben nicht Clinton, Schröder, Fischer und Scharping. Und nach dem Syrienkrieg werden es nicht Obama und die Direktoren der CIA sein, trotz deren unbezweifelbarer Schuld am Massenmord.

Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer
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Maren
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Re: Unvollständig und irreführend über DelPonte-Rücktritt

Beitrag von Maren »

Von: l.marmor@ndr.de
Betreff: Ihre E-Mail

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

in Ihrer E-Mail vom 10. August 2017 kritisieren Sie erneut die Berichterstattung von ARD-aktuell.

Ich habe die verantwortliche Redaktion gebeten, zu Ihrer Kritik Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme finden Sie im Anhang.

Aus meiner Sicht liegt kein Verstoß gegen die Programmgrundsätze des NDR oder sonstige Vorschriften vor. Durch die Übersendung dieser Stellungnahme bringe ich dies zum Ausdruck.

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Marmor

Intendant des Norddeutschen Rundfunks
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Dateianhänge
2017 08 29 Bornheim Stellungnahme-6_geschwärzt.pdf
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Maren
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Re: Unvollständig und irreführend über DelPonte-Rücktritt

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Damen und Herren des Rundfunkrates,

wieder einmal argumentiert der NDR an den Ausführungen der PB vorbei:

Es geht nicht um die Kommentierung einer Nachricht zu Syrien (da produzierte ARD-aktuell seit Jahren zur Ukraine und Syrien mehr als genug Propaganda), sondern um eine korrekte Einordnung einer wichtigen Nachricht, so wie in den Programmrichtlinien vorgesehen. Der Unterschied zur Kommentierung scheint dem Herrn Bornschein offensichtlich nicht geläufig zu sein. Es mag richtig sein, dass ARD-aktuell über die UN-Beschlüsse berichtet hat, aber nur dann, wenn eine antirussische bzw. antisyrische Linie unterstützt wurde. Sonst wurden häufig genug Unwahrheiten verbreitet. Nachdem die von ARD-aktuell medial unterstützen Al Kaida-Terroristen von den Russen erfolgreich ausgeschaltet wurden, haben die Gniffke-Freunde Pelda, Weisshelme, Schwenck, die Syrische Beobachtungsstelle und AMC-Aktivisten nichts mehr zu berichten. Es geht der Gniffke-Redaktion nun darum, die Spuren ihrer unzuträglichen Berichterstattung zu verwischen. Dazu gehört auch der del Ponte-Beitrag, eine Restrechtfertigung der desaströsen Syrien-Berichterstattung. Objektivität oder umfassende Berichterstattung spielen dabei aus unserer Sicht keine Rolle.

Wegen der Einzelheiten verweisen wir auf die Ausführungen in unserer Programmbeschwerden. Den Vorwurf des Verstoßes gegen die Programmrichtlinien halten wir aufrecht.

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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