Agitation statt Information über Venezuela

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Maren
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Agitation statt Information über Venezuela

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Agitation statt Information über Venezuela

http://www.tagesschau.de/ausland/venezuela-usa-105.html

Sehr geehrte NDR-Rundfunkräte,

aus dem Plan der USA, mittels Sanktionen und Unterstützung marodierender „Farbenrevolutionäre“ einen „regime change“ in Venezuela herbeizuzwingen, will und will einfach nichts werden. Folglich berichtet die transatlantisch getrimmte ARD-aktuell entweder gar nicht oder irreführend über das Land und seinen Präsidenten Maduro. Den lässt sie auch schon mal als Diktator abmalen, ein Höhepunkt feindseliger Agitation. Derzeit, in der letzten Septemberwoche, finden Sie mit der Suchmaschine auf tagesschau.de als aktuellsten Beitrag über die Lage in Venezuela den Artikel „Panzer und Propaganda“ vom 26. August. Er basiert – diese Propagandamethode ist alt und bewährt – weitgehend auf Behauptungen einer wünschenswert US-konformen „Expertin“.

Die Politologin Francine Jácome aus Caracas sieht die Merkmale einer Diktatur bereits erfüllt: Es gebe keine durch demokratische Wahlen legitimierten Institutionen mehr, das Regime mache immer mehr politische Gefangene und treibe die Militarisierung voran. ... Bei dem Militärmanöver gehe es darum, die verbliebenen Anhänger der sozialistischen Regierung zu binden. Das seien immerhin noch etwa 20 Prozent der Bevölkerung. ... [Die USA] sind noch [Venezuelas] größter Abnehmer von Erdöl und spülen das Geld in die Staatskasse ... “ Quelle: s. Betreff

Eine sachgerechte Gegenmeinung zu dem Blödsinn, Maduro habe mindestens 80 Prozent der Bevölkerung gegen sich – qualifizierte Expertisen sind sogar im Mainstream zu finden – , holt ARD-aktuell für ihren Bericht „natürlich“ nicht ein; sie entlarvte ja sonst ihre Mär, dass die Krawall und Gewalt inszenierende Oberschicht Venezuelas eine breite Mehrheit der Bevölkerung hinter sich habe.

Der Stuss der „Expertin“ bietet allerdings einen schönen Übergang zum verständnisinnigen nächsten Abschnitt des Berichts. US-Präsident Trump habe die Sanktionen gegen Venezuela verschärft und neue Strafmaßnahmen verhängt. ARD-aktuell hinterfragt das nicht nach den imperialen US-Motiven. Wozu auch, die Äußerungen der „Expertin“ reichten ja als Einstimmung....

Sauberer Journalismus ist in dieser Hauptabteilung des NDR eben nicht mehr geboten. Unter anderem deshalb, weil Sie, die dazu berufenen Rundfunkräte, nicht weiter danach fragen.

Nachrichtenunterdrückung und Falschdarstellung: Urteilen Sie bitte selbst, was davon mit Blick auf das Informationsangebot der ARD-aktuell über Venezuela zutrifft:

„Ölexporte in die USA sind von den Sanktionen allerdings nicht betroffen. Die USA sind der größte Abnehmer des wichtigsten venezolanischen Exportgutes“

heißt es in dem Beitrag wörtlich, gefolgt vom Zwischentitel

„Venezuela braucht die USA“

Die USA sind zwar noch der größte Abnehmer ursprünglich venezolanischen Öls auf dem gesamten amerikanischen Kontinent, nicht jedoch weltweit. Seit Anfang August hat der russische Konzern Rosneft Optionen auf einen Großteil der venezolanischen Ölproduktion der nächsten Jahre gekauft und damit faktisch die Vermarktung übernommen. Von ihm kaufen auch die USA. Das russische Engagement hat den Staatshaushalt Venezuelas dermaßen entlastet, dass die Regierung in Caracas eine Anhebung der Gehälter und Löhne um 40 (!) Prozent (vierzig) veranlassen konnte.

Kein Wort davon in der Tagesschau ...

Welche erheblichen Veränderungen sich auf dem Weltmarkt für Öl abspielen, geht aus einer weiteren, auch schon Wochen alten Information hervor, die ARD-aktuell ebenfalls mit Schweigen überging: Der chinesische Konzern CEFC China Energy hat 14,16 Prozent Unternehmensanteile an Rosneft gekauft, für umgerechnet mehr als 9 Milliarden Dollar. Damit sind langjährige Öl- und Gaslieferungen Russlands in die VR China verbunden. Ein historischer Vorgang, weil es sich um die erste Firmenverflechtung zwischen der VR China und Russlands im russischen Energiemarkt handelt und zeigt, wie rasant sich die Beziehungen zwischen den beiden Großmächten entwickeln. Da Rosneft auch in Indien engagiert ist, hat der riesige neue Deal Auswirkungen auf die belasteten Beziehungen zwischen China und Indien.

Quelle: http://oilprice.com/Energy/Oil-Prices/U ... lance.html

Erhebliche geopolitische Veränderungen zeichnen sich hier ab. Die Qualitätsjournalisten in der ARD-aktuell setzen sich jedoch großzügig darüber hinweg, als ob solche Informationen das deutsche Publikum nichts angingen. Der zur Beitragszahlung gezwungene Kunde des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss sich solche Nachrichten bei der kommerziellen Konkurrenz holen – wieder einmal.

Hier, bitte: http://www.n-tv.de/wirtschaft/Venezuela ... 82700.html

Der Bericht auf n-tv ist übrigens auch schon einen Monat alt.

Wie meilenweit sich ARD-aktuell mit seinen desinformativen Halbwahrheiten vom Programmauftrag und der Programmrichtlinien im Staatsvertrag über den NDR entfernt hat, ist hiermit abermals evident.

Werte NDR-Rundfunkräte, wir erwarten Ihre Standard-Antwort: dass Sie trotz „intensiver Diskussion und eingehender Beratung“ auch im vorliegenden Fall keine Staatsvertragsverletzung hätten erkennen können. Bzw. – Antwort nach Schablone B –, dass unsere Beschwerde gar keine Beschwerde sei, sondern lediglich eine Anregung, die Sie nicht weiter zu beraten brauchten und bloß an den Intendanten weitergereicht hätten. Erlauben Sie uns die Rückfrage: Machen Sie sich eigentlich klar, dass Ihre Honorare, Reisekostenpauschalen, das Futtern von exquisiten Knabberkeksen, der gereichte feine Tee beim Absitzen Ihrer Veranstaltungen und der Service des NDR für Sie ebenfalls von den Gebührenzahlern finanziert werden müssen?

Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer
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Maren
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Re: Agitation statt Information über Venezuela

Beitrag von Maren »

Von: gremienbuero@ndr.de
Betreff: Ihre Programmbeschwerde vom 26.09.2017

Ihre Programmbeschwerde vom 26.09.2017 / "Agitation statt Information über Venezuela"

Sehr geehrter Herr Bräutigam, sehr geehrter Herr Klinkhammer,

ich bestätige den Eingang Ihrer o.g. Beschwerde.

Gemäß § 7 der Geschäftsordnung des NDR Rundfunkrates ist zunächst dem Intendanten des Norddeutschen Rundfunks die Möglichkeit einzuräumen, zu Beschwerden Stellung zu nehmen. Ich habe Ihr Anliegen daher an Herrn Lutz Marmor weitergeleitet mit der Bitte, Ihnen innerhalb eines Monats eine Antwort zukommen zu lassen.

Sollte die Antwort des Intendanten Sie nicht zufriedenstellen, können Sie sich erneut an den Rundfunkrat wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günter Hörmann
Vorsitzender NDR Rundfunkrat
_____________________________
NORDDEUTSCHER RUNDFUNK
Gremienbüro
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Tel. (040) 4156-3506
Fax (040) 4156-3452
E-Mail: gremienbuero@ndr.de
__________
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Maren
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Re: Agitation statt Information über Venezuela

Beitrag von Maren »

Von: l.marmor@ndr.de
Betreff: Ihre E-Mail

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

in Ihrer E-Mail vom 26. September 2017 kritisieren Sie erneut die Venezuela-Berichterstattung von ARD-aktuell.

Ich habe die verantwortliche Redaktion gebeten, zu Ihrer Kritik Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme finden Sie im Anhang.
Dr. Gniffke_Venez_geschwärzt.pdf
(156.5 KiB) 821-mal heruntergeladen
Aus meiner Sicht liegt kein Verstoß gegen die Programmgrundsätze des NDR oder sonstige Vorschriften vor. Durch die Übersendung dieser Stellungnahme bringe ich dies zum Ausdruck.

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Marmor

Intendant des Norddeutschen Rundfunks
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Maren
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Re: Agitation statt Information über Venezuela

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Rundfunkräte,

wie es aussieht, reibt sich Herr Dr. Gniffke an unserer relativ unverschleierten Ausdrucksweise. Er mag das Wort "Stuss" nicht. Das ist schade.

Das Wort "Stuss" kommt aus dem Hebräischen und bedeutet soviel wie "Narrheit" oder "Unsinn".

Dass wir die Formulierung "Blödsinn" statt "Unsinn" gewählt haben, ist – das räumen wir unumwunden ein - in der Tat für empfindliche Geister ein wenig derb. Dennoch meinen wir, dass die gewählte Formulierung als "Zuspitzung" unserer Kritik und vor dem Hintergrund des Rechts auf freie Meinugsäußerung zulässig ist.

Inhaltlich ist Dr. Gniffkes Stellungnahme unbrauchbar, weil der Herr Chefredakteur nicht rechtfertigen kann, dass er nur solche Experten bemüht, die das transatlantische Interpretationsmuster der ARD-aktuell beibehalten helfen. Von seriösem Journalismus kann man erwarten, dass er auch die Gegenpositionen mit entsprechenden Experten zu Worte kommen lässt. Zu den weiteren Ausführungen des Chefredakteurs wollen wir uns nicht zu äußern, sie belegen, dass es bei ARD-aktuell erhebliche Informationsmängel über Venezuela gibt. Sie werden nach unserem Eindruck gar liebevoll gepflegt.

Wir bleiben bei unserem Vorwurf, dass der Beitrag nicht den Anforderungen der Programmrichtlinien entspricht
Mit freundlichen Grüßen

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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