Tagesthemen: China-Berichterstattung

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Maren
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Tagesthemen: China-Berichterstattung

Beitrag von Maren »

Tagesthemen: China-Berichterstattung

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/ch ... t-121.html

Sehr geehrte Rundfunkräte,

vergleicht man den o.g. Bericht mit Beiträgen im Mainstream zur selben Thematik, dann stellt man eine fast völlige Identität der Inhalte fest und fragt sich, wazu eigentlich die ARD sich für die VR China einen eigenen Auslandskorrespondenten und ein sündhaft teures Studio in Beijing hält.

Im ersten Absatz trägt der Autor vor, dass in China wirtschaftlich alles zum Besten laufe, jedenfalls aus der Sicht des KP-Vorsitzenden Xi Jinping. Woher der Verfasser und ARD-aktuell diese lichtvolle Erkenntnis haben, geben sie nicht preis. Wie auch, es ist blanke Spekulation, Stochern im Nebel. Der KP-Chef brauche gute Nachrichten, meinen sie, denn der KP-Kongress stehe bevor.

Eine deutsche Nachrichtenredaktion gibt damit vor, genau darüber informiert zu sein, was der Generalsekretär der KP Chinas, der mit 80 Millionen Mitgliedern stärksten kommunistischen Partei weltweit, für sich, seine Funktion und für die Volksrepublik für notwendig hält und was die Erwartungshaltung des Nationalkongresses der Partei ist. Was schlechte Nachrichten sind, (die Generalsekretär Xi seinen Genossen nicht mitteilen wird, führende Kommunisten sagen nie die ganze Wahrheit) weiß ARD-aktuell selbstverständlich ebenfalls genau.

Und listet mutmaßend fleißig auf: Politisch heikel seien die bekannt gewordenen Zahlen zum Handelsüberschuss mit den USA. Für wen sie heikel sind, wird nicht gesagt. Riesige Exportüberschüsse, wenn deutsche, werden von ARD-aktuell positivistisch verkündet (“Deutschland ist erneut Exportweltmeister”). Im Falle der VR darf das Gleiche so lobend nicht vermittelt werden. Geradezu desinformativ die Behauptung, "schlechte Nachrichten könne Staatschef Xi auf dem Kongress nicht gebrauchen". Als ob es diesem Politiker nur darum gehe, seine Machtposition zu sichern, die könne von schlechten Wirtschaftsnachrichten gefährdet werden.

Klein Fritzchen erklärt via ARD-aktuell sich selbst und uns das Wesen der KP der VR China, indem es Parallelen zwischen Beijing und Berlin herbeifaselt. Damit noch nicht genug. Im letzten Abschnitt stülpt uns der ARD-aktuell-Autor seine eigenen profunden Wirtschaftskenntnisse über.

Neunmalklug und mit einer ausreichenden Prise Verachtung für Schuldenmacher: "Was Chinas Wirtschaft insgesamt angeht, bleiben außerdem zwei grundlegende Probleme: Erstens die enorm gestiegenen Schulden. Sie belaufen sich inzwischen auf das Dreifache der kompletten Jahreswirtschaftsleistung Chinas. Und zweitens die stockenden Reformen."

ARD-aktuell nennt offensichtlich ganz bewusst keine Zahlen. So weit reicht die informatorische Leistungsbereitschaft nicht. Auf Vergleichsdaten von anderen Ländern verzichtet die Redaktion erst recht, obwohl sie zum Verständnis und zur angemessenen Einordnung des Gesagten notwendig wären.

Die Liste der Verschuldung aller Länder ist beim Internationalen Währungsfonds abrufbar.

Staatsverschuldung in Prozent des Bruttoinlandsprodukts, Stand April 2017 (2017–2022 Schätzung), sortiert nach Verschuldung 2016,

Jahr 2016: Japan: 239%, USA: 107%, Deutschland: 68%, China: 46%, (2007 – 35%), Russland: 17%

Für 2017 gibt es nur geringfügige Veränderungen. Die Bemerkung von ARD-aktuell

“...die enorm gestiegenen Schulden. Sie belaufen sich inzwischen auf das Dreifache der kompletten Jahreswirtschaftsleistung Chinas....”

wird in diesem ergänzenden Vergleich als blühender Unsinn erkennbar, als üble, absichtsvolle Falschdarstellung.

Sollte ARD-aktuell nicht die übliche Berechung der Staatsverschuldung (Schulden./.BIP) vorgenommen haben, sondern den Umfang des Bargeldumlaufs plus Bankeinlagen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt meinen, dann hätte das auch so gesagt werden müssen. In dem Fall läge die VR China zwar aktuell an der Spitze des Ratings. Entgegen der Behauptung der Qualitätsjournalisten ist das aber kein "grundlegendes Problem" oder ein Problem "enorm gestiegener Schulden", sondern war eine temporäre Erscheinung, der inzwischen wirksam begegnet wurde. Über das Wie und mit welchem Erfolg schweigt sich ARD-aktuell natürlich ebenfalls aus...

Als weiteres "Problem" Chinas sieht ARD-aktuell

"die stockenden Reformen. Allen Globalisierungs- und Öffnungsversprechen der Pekinger Staatsführung zum Trotz: Das Land verschließt sich aus Sicht westlicher Unternehmen weiter. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht".

Bei dieser Behauptung handelt es sich um typischen Meinungsjournalismus. ARD-aktuell versucht, die in der VR übliche Kontrolle ausländischer Investitionen als "Problem Chinas" darzustellen. Es ist das genaue Gegenteil: Es ist ein Problem der Investoren, weil die nicht schalten und walten können wie im Westen, z.B. nicht Betriebe aufkaufen, zerschlagen und aus dem Teileverkauf Profit schlagen können, weil sie sich auf Einhaltung des chinesischen Arbeitsrechts hin kontrollieren lassen müssen etc. pp. Typisch ist in diesem Zusammenhang, dass der Vorwurf gegen China mit keiner Silbe konkretisiert und mit Fakten erhärtet wird. Wir haben es mit tendenziöser, einseitiger Berichterstattung zu tun, unvereinbar mit den Programmrichtlinien.

ARD-aktuell versucht, das weltweit wachsende Ansehen und den zunehmenden Einfluss Chinas mit unsachlicher, manipulativer Berichterstattung zu schädigen, also ganz im Mainstream zu schwimmen. Eine Untersuchung im Vorjahr hatte ergeben, dass die Hälfte aller Berichte über die VRCh sich auf das Thema "Wirtschaftsmacht" bezieht, gefolgt vom Thema "Menschenrechte". Insgesamt sind nur 22 Prozent der Artikel in der Mediaanalyse als positiv eingestuft. 36 Prozent sind neutral gehalten, die restlichen 42 Prozent haben (eher) eine negative Tonalität (Huawei-Studie 2016).

Diese Verengung des Blickwinkels (Wirtschaft-Menschenrechte-Hongkong) ist auch für ARD-aktuell typisch. Die manipulative Themenauswahl dient dazu, dem deutschen Fernsehpublikum ein Negativ-Bild von der VR China zu vermitteln. Das Ergebnis ist mit dem der agitatorischen Russlandberichterstattung vergleichbar: Die Deutschen haben europaweit die schlechteste Meinung von den Chinesen. So glauben 70 Prozent der Bundesbürger, dass die chinesische Regierung auf Interessen anderer Nationen pfeift. 87 Prozent sind außerdem davon überzeugt, dass Peking die Rechte seiner Bürger nicht achtet.

Die Auswahl und Gestaltung der Beiträge der ARD-aktuell über China verstoßen gegen gesetzliche Bestimmungen (NDR- und Rundfunkstaatsvertrag):

"Die Programme und Angebote der ARD haben der Allgemeinheit einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Die ARD soll hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern."

Ferner:

"Berichterstattung und Informationssendungen müssen unabhängig und sachlich sein. Zur journalistischen Sorgfalt gehört, dass Tatsachenbehauptungen überprüft werden; Vermutungen sind als solche zu kennzeichnen."


F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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Maren
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Re: Tagesthemen: China-Berichterstattung

Beitrag von Maren »

Von: gremienbuero@ndr.de
Betreff: Ihre Programmbeschwerde vom 16.10.2017 "China-Berichterstattung"

Sehr geehrter Herr Klinkhammer, sehr geehrter Herr Bräutigam,

ich komme zurück auf unser Schreiben vom 17.10.2017, in dem wir die Weitergabe Ihrer o.g. Programmbeschwerde an den Intendanten des NDR bestätigt hatten.

Wie sich in der weiteren Bearbeitung herausstellte, ist der SWR für den der "Tagesschau" zugelieferten und von Ihnen kritisierten Beitrag verantwortlich.

Ich habe daher Ihr Schreiben heute an den SWR weitergeleitet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günter Hörmann
Rundfunkratsvorsitzender
_____________________________
NORDDEUTSCHER RUNDFUNK
Gremienbüro
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Tel. (040) 4156-3506
Fax (040) 4156-3452
E-Mail: gremienbuero-beschwerden@ndr.de
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Maren
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Re: Tagesthemen: China-Berichterstattung

Beitrag von Maren »

Von: "Hauser, Christoph" <Christoph.Hauser@swr.de>
Betreff: Ihre E-Mail vom 16. Oktober 2017

Sehr geehrter Herr Klinkhammer, sehr geehrter Herr Bräutigam,

besten Dank für Ihr Schreiben vom 16. Oktober 2017, in dem sie sich mit einer auf tagesschau.de veröffentlichten Nachrichtenmeldung zur Wirtschaft in China auseinandersetzen. Da der SWR für den Beitrags verantwortlich ist, übernehme ich gerne die Beantwortung Ihrer Programmkritik.

Zunächst: Anders als von Ihnen ausgeführt, stammt die Meldung nicht aus dem ARD-Hörfunkstudio Peking, sondern aus dem in Shanghai. Unser Korrespondent Steffen Wurzel (SWR) beschäftigt sich von dort aus schwerpunktmäßig mit der Wirtschaftsberichterstattung über China. Als Korrespondent berichtet Herr Wurzel für alle Hörfunk-Wellen der ARD und stellt seine Manuskripte auch tagesschau.de zur Verfügung. Der von Ihnen kritisierte Beitrag ist ursprünglich ein Text für die Hörfunknachrichten. Gerne gehe ich im Folgenden auf die von Ihnen beanstandeten Details in der Meldung ein.

Zunächst zur Rolle Xi Jinpings: Chinas Staats- und Parteichef hat beim zurückliegenden Parteitag der Kommunisten seine Machtposition tatsächlich ausgebaut. Das können Sie journalistischen Erzeugnissen jeder Art und aus aller Welt entnehmen, nicht nur Berichten aus Deutschland, sondern auch jenen aus China selbst. Im Folgenden füge ich Ihnen dazu zwei Links der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua bei. Dort können Sie erkennen, dass der Ausbau von Xis Machtposition im Zentrum der Berichterstattung steht. Während bei vergangenen Parteitagen immer alle sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses mehr oder weniger gleichberechtigt dargestellt wurden, steht nun klar Xi Jinping im Vordergrund.

(Vgl. http://news.xinhuanet.com/english/2017- ... 702802.htm und http://www.xinhuanet.com/english/specia ... /index.htm)

Zum Exportüberschuss Chinas: Dass dieser politisch heikel ist, sieht man u.a. daran, dass das Thema beim Besuch von US-Präsident Donald Trump in Peking vor einigen Tagen eine Rolle bei den Gesprächen spielte. Auf den von Ihnen angesprochenen deutschen Exportüberschuss ist der Autor in seiner Meldung überhaupt nicht eingegangen.

Sie behaupten, über die Probleme, die der deutsche Exportüberschuss verursache, werde nicht berichtet. Das ist falsch. Zahlreiche deutsche Medien berichten darüber immer wieder, so auch die ARD.

Zu Ihrer Kritik, der Autor nenne in dem Text bewusst keine Zahlen. Das ist richtig, denn wie eingangs beschrieben handelt es sich bei diesem Text um einen (kurzen) Text für die ARD-Hörfunknachrichten. Nachrichtentexte unterscheiden sich von denen, die für längerer Radio-Beiträge geschrieben werden. Gerne füge ich Ihnen exemplarisch einen Link zu einem längeren Text des Autors bei, in dem er sowohl Zahlen nennt, als auch auf die Ambivalenz der Zahlen-Lage hinweist:

(Vgl. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/china-653.html)

Zur Relativierung der chinesischen Schulden: Selbst Chinas von der Regierung eingesetzter (also nicht unabhängiger) Zentralbankchef warnte vor kurzem vor einem Platzen der Schuldenblase, wie zahlreiche Medien berichteten.

Zum Thema Reformen: Wirtschaftslobbyverbände, Firmenvertreter und Manager, die in China aktiv sind, beklagen schon seit längerem, dass die chinesische Staatsführung das Land zunehmend abschotte, anstatt es – wie häufig angekündigt – weiter zu öffnen.

Zu Ihrem Vorwurf, es gebe in der China-Berichterstattung einen verengten Blickwinkel: Wenn Sie sich die Zeit nehmen, sich den Umfang der Berichte unserer beiden Hörfunkkorrespondenten in China anzusehen, werden Sie unschwer erkennen, dass das falsch ist. Die beiden Korrespondenten bilden ein sehr breites und vielfältiges Themenspektrum ab, von Technologie, Umweltschutz und Kultur über Buntes, Wirtschaft, Sport und Politik.

Aus den dargelegten Gründen ist Ihre Programmkritik für mich nicht nachvollziehbar. Es würde mich freuen, wenn Sie trotz unterschiedlicher Positionen dem SWR und seinen Programmen gewogen bleiben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Christoph Hauser
Programmdirektor
Information, Sport, Film, Service und Unterhaltung
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Re: Tagesthemen: China-Berichterstattung

Beitrag von Maren »

An: "Hauser, Christoph" <Christoph.Hauser@swr.de>

Sehr geehrter Herr Hauser,

die Ausführungen in Ihrer Stellungnahme haben uns überzeugt. Wir sehen unsere Beschwerde damit als erledigt an.

Mit freundlichen Grüßen

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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