Katalonien - Dreckiger Journalismus

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Maren
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Katalonien - Dreckiger Journalismus

Beitrag von Maren »

„Eingabe“ und „Anregung“: Katalonien - Dreckiger Journalismus

http://faktenfinder.tagesschau.de/ausla ... d-101.html

Sehr geehrte Rundfunkräte,

„Spanien spricht von russischer Kampagne“,

titelt der Faktenfinder, und wir titeln zurück: Diese Faktenfinderei ist unter aller Sau.

Das einzige Faktum, das hier aufgeführt wird, ist, dass die spanische Regierung im Streit mit ihrer katalonischen Separatistenbewegung tatsächlich zu diesem letzten der billigen Propagandamittel griff. Auf Argumentation und Beweisführung für die spanische Variante der Behauptung „der Russe ist an allem schuld“ verzichtete Madrid, aus nachvollziehbaren Gründen: Die Regierung hat nichts davon auf der Pfanne.

Auf dieses Defizit wies der „Faktenfinder“ allerdings nicht ausdrücklich hin. Sonst hätte er ja vor der Frage gestanden: Weshalb schreiben wir hier überhaupt darüber? Er erfüllte lieber seine Funktion als antirussische Dreckschleuder.

Der Beitrag über Katalonien verstößt gegen sämtliche Prinzipien, die seriösen Journalismus ausmachen (und er verstößt damit auch gegen den Rundfunkstaatsvertrag). Die spanische Regierung ist in dem Konflikt Partei. Zu ihren Beschuldigungen wäre selbstverständlich die Gegenseite zu hören, wenn denn schon argumentationslose Anmache in dieser Form überhaupt aufgegriffen wird. Die regierungsamtliche Beweislosigkeit wird zwar in dem Faktenfinder-Beitrag sichtbar, aber es ergibt sich nicht, warum trotzdem über die bloßen Anschuldigungen berichtet wird. Eigene Recherchen hat der Faktenfinder offenkundig nicht vorgenommen, er hat nichts zu bieten. Stattdessen liefert er dieses:

„In sozialen Netzwerken seien gefälschte Nutzerkonten entdeckt worden, die zur Hälfte nach Russland und zu 30 Prozent nach Venezuela zurückverfolgt worden seien. (Verteidigungsministerin) Cospedal sprach ihrerseits von Belegen, dass staatliche und private russische Gruppen über Internet-Plattformen wie Twitter und Facebook die Separatisten gefördert hätten.“

(Außenminister) Dastis verwies nach AP-Angaben zudem auf ein Treffen einer führenden Persönlichkeit der Unabhängigkeitsbewegung mit WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Es gebe Hinweise, dass Assange und andere versuchten, sich in der Katalonien-Krise "einzumischen und zu manipulieren".

Der „Faktenfinder“ berichtet hier über reines Hörensagen, er stellt keine Nachfragen, qualifiziert diese lachhafte Darstellung nicht, zieht nichts davon in Zweifel, liefert keine eigenen Erkenntnisse. Er bläst damit zwar nur indirekt, dafür aber allen Ernstes den kritischen Niederschlag in sozialen Netzwerken distanzlos zur "russischen Einmischung“ auf. Und weil es ihm nicht gelingen kann, diese Seifenblase weiter zu vergrößern, ohne sich zur Gänze der Lächerlichkeit preiszugeben, vollzieht er unter Beibehaltung des Grundmusters einen Wechsel in der Wahl seines „Angeklagten“. Plötzlich nimmt er den Wikileaks-Gründer Assange aufs Korn und erhebt ihn praktisch zum Ehren-Russen, obwohl der Mann nach wie vor Australier ist und in der ecuadorianischen Botschaft in London Asyl gefunden hat:

Tatsächlich hatte sich Assange massiv in die Debatte um eine Unabhängigkeit eingeschaltet. Auf Twitter provozierte er mit einem gewagten Vergleich. Dort verbreitete Assange ein Foto vom Platz des Himmlischen Friedens von 1989 und setzte das katalanische Streben nach Unabhängigkeit mit dem blutig niedergeschlagenen Volksaufstand in China gleich.

Auf Medienseiten und in sozialen Netzwerken toben Kampagnen rund um das katalanische Referendum. Dabei reihen sich Falschmeldungen und Missverständnisse aneinander – befeuert von vielen Seiten.

Das hat nun schon gar nichts mehr mit der Titelaussage zu tun „Spanien spricht von russischer Kampagne“. Deshalb endet dieser journalistische Schund denn auch mit einer Bezugnahme in Form eines Dementis, das zugleich verdachtsverstärkend wirkt

Ein Vertreter der katalanischen Separatisten wies erneut die Vorstellung zurück, eine russische Einflussnahme habe das Referendum beeinflusst. Auch die Regierung in Moskau dementierte entsprechende Vorwürfe.

Nach dem Muster: Wo viel Rauch ist, da ist auch ein Feuer. Oder gemäß der Frage: Schlagen Sie ihre Frau? Wer das etliche Male gefragt wird, mutiert zum Verdächtigen.

Dass die Ereignisse in Katalonien im Internet in aller Breite diskutiert werden, in allen europäischen Sprachen, ist wahrlich nicht verwunderlich. Die Regierung in Madrid kommt in diesen Diskussionen durchgängig schlecht weg. Aus diesem Faktum russische Einmischung zu konstruieren, ist einfach nur dummdreist, aber einem korrupten Ministerpräsidenten Rajoy und seiner Entourage durchaus gemäß. Es aufzugreifen, sich formal zu distanzieren und es trotzdem verdächtigmachend weiterzutragen, ist ARD-aktuell-Faktenfinder-gemäß.

Der Gedanke, dass US-Regime-Change-Politik oder deutsche „Übernahme von mehr Verwantwortung in der Welt“ in Form von Bundeswehr-Einsätzen eine sehr viel konkretere, blutigere Form der Einmischung in die Angelegenheiten fremder Völker darstellen als im Internet geführte Debatten über Ereignisse da und dort, kommt journalistischen Ausfall-Erscheinungen wie hier den „Faktenfindern“ offenbar schon gar nicht.

Wir haben unseren Einspruch als „Eingabe“ und als „Anregung“ deklariert. Der Teil „Anregung“ folgt hier: Der Rundfunkrat möge prüfen, ob den ARD-aktuell-Faktenfindern ein Schulungsseminar in Form einer halbjährigen Hospitanz in der „Telepolis“-Redaktion verordnet werden sollte. Die Kollegen dort demonstrieren laufend, wie sauberer Journalismus aussieht. Den Katalonienkonflikt betreffend ist das hier schön dokumentiert:

https://www.heise.de/tp/features/Die-Ru ... 90128.html

Wir haben zwar in Erinnerung, dass Chefredakteur Dr. Gniffke einst die Frechheit besaß, Ihnen und uns gegenüber das Magazin Telepolis als für ARD-aktuell nicht seriös genug zu bewerten. Deshalb erinnern wir Sie daran, dass er seine Sprüche gleich darauf in einem peinlichen Verfahren zurücknehmen musste. Er ist in solchen Dingen jedoch äußerst flexibel. Ein biegsames Rückgrat scheint für ARD-aktuell-Chefredakteure zu den professionellen Kompetenzen zu gehören.


Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer
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Maren
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Re: Katalonien - Dreckiger Journalismus

Beitrag von Maren »

Von: gremienbuero@ndr.de
Betreff: Ihre Programmbeschwerde vom 15.11.2017 / "Katalonien"

Sehr geehrter Herr Bräutigam, sehr geehrter Herr Klinkhammer,

ich bestätige den Eingang Ihrer o.g. Beschwerde.

Gemäß § 7 der Geschäftsordnung des NDR Rundfunkrates ist zunächst dem Intendanten des Norddeutschen Rundfunks die Möglichkeit einzuräumen, zu Beschwerden Stellung zu nehmen. Ich habe Ihr Anliegen daher an Herrn Lutz Marmor weitergeleitet mit der Bitte, Ihnen innerhalb eines Monats eine Antwort zukommen zu lassen.

Sollte die Antwort des Intendanten Sie nicht zufriedenstellen, können Sie sich erneut an den Rundfunkrat wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günter Hörmann
Vorsitzender NDR Rundfunkrat
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Gremienbüro

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E-Mail: gremienbuero-beschwerden@ndr.de
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Maren
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Re: Katalonien - Dreckiger Journalismus

Beitrag von Maren »

Gesendet: Montag, 18. Dezember 2017 um 11:41 Uhr
Von: l.marmor@ndr.de
An: f.klinkhammer@gmx.de, v.braeutigam@googlemail.com
Betreff: Ihre E-Mail
Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

in Ihrer E-Mail vom 15. November 2017 kritisieren Sie erneut die Berichterstattung von ARD-aktuell. Ich habe die verantwortliche Redaktion von ARD-aktuell gebeten, zu Ihrer Kritik Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme finden Sie im Anhang.
Stellungnahme Spanien.pdf
(1.44 MiB) 907-mal heruntergeladen
Aus meiner Sicht liegt kein Verstoß gegen die Programmgrundsätze des NDR oder sonstige Vorschriften vor. Durch die Übersendung dieser Stellungnahme bringe ich dies zum Ausdruck.

Mit freundlichen Grüße

Lutz Marmor

Intendant des Norddeutschen Rundfunks
Rothenbaumchaussee 132
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Maren
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Re: Katalonien - Dreckiger Journalismus

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Damen und Herren des Rundfunkrates,

zu unserem Bedauern ist es Herrn Dr. Gniffke erneut nicht gelungen, eine brauchbare Stellungnahme abzuliefern.

Dabei räumen wir allerdings gern ein, dass ihm die Zusammenfassung unserer Beschwerde diesmal gelungen ist. Nicht schlecht.

Seine Rechtfertigung verfehlt dann allerdings den Kern unserer Kritik: Ist es noch Journalismus, wenn barer Unsinn einer ministeriellen Erklärung weitergegeben wird aus dem einzigen ersichtlichen Motiv heraus, dass damit Russland unter Verdacht gestellt wird, selbst wenn die Quelle des Unsinns nicht in der Redaktion, sondern in einer fremden Regierung sprudelt? Wenn Beschuldigungen, auf fremde Politik werde unzulässige Einflussnahme versucht, immer nur gegen Russland erhoben werden, nie aber gegen (beispielsweise) die USA, ist dann nicht von antirussischer Propaganda zu reden? Wir meinen schon.

Und noch eine Anmerkung: Wie es aussieht, ist Dr. Gniffke offensichtlich wieder einmal einer Verschwörungstheorie aufgesessen, zumal es keinerlei Beleg für die Behauptung der spanischen Regierung zum Vorwurf gegen Russland gibt, genausowenig, wie es bisher trotz großer Anstrengungen in der "Westlichen-Wertegemeinschaft" mit ihren vielen Geheimdiensten gelungen ist, auch nur einen einzigen Beweis zu liefern, der die Spekulationen und Verdächtigungen gegen Russland belegen könnte. Wir meinen, dass die ARD-aktuell mehr papageienhaftes Nachplappern bietet als ernstzunehmenden Journalismus. Dem Programmauftrag und den Programmrichtlinien gemäße Arbeit ist nicht zu erkennen. Schade, aber wir geben die Hoffnung nicht auf, dass sich das irgendwann ändert.

Mit freundlichen Grüßen
F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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Re: Katalonien - Dreckiger Journalismus

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir nehmen unsere Replik vom 19.12.17 zurück und ersetzen sie durch die vom 12.1.18.
Wir hätten aber auch nichts dagegen, wenn Sie bei Ihrer Beratung beide berücksichtigen würden.

Mit freundlichen Grüßen

F. Klinkhammer V. Bräutigam

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Gesendet: Freitag, 12. Januar 2018 um 18:55 Uhr
An: "NDR RR VWR" <gremienbuero@ndr.de>
Betreff: Eingabe vom 15.11.17 - Katalonien und die Russen

Sehr geehrte Rundfunkräte,

Dr. Gniffkes Stellungnahme überzeugt uns ganz und gar nicht, obwohl sein Einstieg gelungen ist: Er hat unsere Beschwerde völlig korrekt zusammengefasst.

Richtig ist auch, dass ARD-aktuell die spanische Verschwörungstheorie über die angebliche Einmischung Russlands in die Katalonienabstimmung wortgetreu wiedergegeben hat. Aber darin liegt das Problem: Spaniens Regierung betätigt sich selbst als Verschwörungstheoretikerin und antirussische Propagandistin. Dr. Gniffke zeigt sich als williger Verbreiter dieses Unsinns. Das ist so, als wenn nach entsprechenden russischen Veröffentlichungen gesendet wird:

"Die russische Regierung hat bei der letzten Pressekonferenz dargelegt, dass nach Geheimdienstberichten Herr Hörmann bei ARD-Empfängen gegenüber männlichen Gästen regelmäßig im "Me-Too"-Format auffällt. Er und der BND weisen diese Äußerungen aber nachdrücklich zurück.“

Eine korrekte Meldung? Nach Gniffkes Qualitäts-Kriterien offenkundig schon.

Vornehm, also in Frack mit Stehkragen und Glacehandschuhen ausgedrückt: Dr. Gniffke folgt der Logik des „semper liquid haeret“ und streut üble Nachrede.

Nach unserer Vorstellung ist Beihilfe zur Verbreitung von Verschwörungstheorien billige Propaganda und mit den Programmrichtlinien unvereinbar.

Wie denken Sie darüber? "You-Too"?

Mit freundlichen Grüßen

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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Re: Katalonien - Dreckiger Journalismus

Beitrag von Maren »

Von: gremienbuero-beschwerden@ndr.de
Betreff: Ihre Programmbeschwerde vom 15.11.2017 / Ihre Schreiben vom 18.12.2017 und 12.01.2018

Ihre Programmbeschwerde vom 15.11.2017 über einen "Faktenfinder"-Bericht zu Katalonien vom 14.11.2017



Sehr geehrter Herr Klinkhammer, sehr geehrter Herr Bräutigam,

die o.g. Beschwerde habe ich an den Rechts- und Eingabenausschuss des Rundfunkrates mit der Bitte um Beratung überwiesen.

Der Rechts- und Eingabenausschuss wird sich voraussichtlich in einer seiner nächsten Sitzungen mit Ihrem Anliegen befassen.
Die abschließende Beratung erfolgt voraussichtlich in der darauffolgenden Sitzung des Rundfunkrates.

Über das Ergebnis der Beratungen werde ich Sie unterrichten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günter Hörmann
Vorsitzender NDR Rundfunkrat
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E-Mail: gremienbuero-beschwerden@ndr.de
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