Tagesschau: Lage der syrischen Zivilisten immer dramatischer

Hier veröffentlichen wir externe Programmbeschwerden mit freundlicher Genehmigung der Beschwerdeführer. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die in den Beschwerden thematisierten Anliegen ausschließlich in der Verantwortung der jeweiligen Beschwerdeführer liegen und diese nicht automatisch die Meinung der Forenbetreiber wiederspiegeln.
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Maren
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Tagesschau: Lage der syrischen Zivilisten immer dramatischer

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Rundfunkräte,

https://www.tagesschau.de/multimedia/se ... 24105.html

Hiermit erhebe ich Programmbeschwerde gegen den Beitrag über Syrien vom ARD-Studioleiter in Kairo, Daniel Hechler vom 9.2.2017.

Beginn des Beitrages Min. 10:43

"Es wird berichtet, dass in Ost-Ghouta diese Woche nach Angaben der "Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte" bis zu 200 Menschen bei Luftangriffen der syrischen Armee ums Leben gekommen wären."

Sowohl bei der Anmoderation der Studiosprecherin, noch in dem Filmbeitrag von Hechler wird erwähnt, dass in gleichem Zeitraum in Damaskus, an das Ost-Ghouta grenzt, ebenso täglich viele Menschen durch den Raketen- und Mörsergranatenbeschuss aus Ost-Ghouta getötet wurden, mit dutzenden Toten.

1.2.2018: 7 Tote, 13 Verletzte durch Beschuss mit Raketenwerfern aus Ost-Ghouta
4.2.2018: 7 Tote, 15 Verletzte durch Beschuss mit Granaten aus Ost-Ghouta
5.5.2018: 3 Tote, 20 Verletzte durch Mörser-Beschuss aus Ost-Ghouta
6.2.2018: 5 Tote, 13 Verletzte durch Beschuss mit Granaten aus Ost-Ghouta
7.2.2018: 2 Tote, 2 Verletzte durch Beschuss mit Raketenwerfern aus Ost-Ghouta
8.2.1018: 11 Tote durch Beschuss mit Granaten und Raketen aus Ost-Ghouta
9.2.2018: 1 Toter, 3 Verletzte durch Beschuss mit Raketen aus Ost-Ghouta

In der aktuellen UN-Sitzung, die hierzu stattfand, vom UN-Vorsitzenden, in Meldungen von Nachrichtenagenturen, als auch in Beiträgen andere deutscher Medien wird aufgeführt, dass die Millionenstadt Damaskus durchgehend aus dem Gebiet Ost-Ghouta beschossen wird.

Einzig in dem von mir kritisiertem Beitrag ist davon aber mit keinem einzigen Wort die Rede. Dies ist aber natürlich für den Konflikt in dieser Region absolut wichtig. Spekulationen, warum ausgerechnet ARD-aktuell und Studioleiter Hechler dies unterschlagen, erspare ich mir hier. Es wurde aber schon sehr oft thematisiert.

Im weiteren Verlauf des Beitrages zählt Hechler die 4 sog. Deeskalationszonen in Syrien auf.
Auch richtig erwähnt er, dass in diesen Gebieten Waffenruhe herrschen sollte. Was den Zuschauern der Tagesschau sowohl diesmal, als auch in den ganzen zurückliegenden Beiträgen ebenso nicht erklärt wird ist, dass die in der Deeskalationszone Ost-Ghouta, von Russland, der Türkei und dem Iran unter Zustimmung von Syrien vereinbarten Waffenruhe bereits im Oktober zusammengebrochen war.

Bei Anschlägen, die von der islamistischen Terror-Organisation al Nusra-Front nach einseitiger Erklärung zur Waffenruhe begangen wurden, kamen über 100 Angehörige der syrischen Streitkräfte ums Leben. Ausgeschlossen von den Deeskalations- und Sicherungsmaßnahmen sind der IS, die al Nusra-Front und alle Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen, die vom UN-Sicherheitsrat als Verbündete von al Nusra/al Kaida oder dem IS gelistet wurden.

Nach der Vereinbarung der Deeskalationszonen machten die al Nusra-Front und die mit ihnen verbündeten Gruppen deutlich, dass sie das Konzept der Deeskalationszonen ablehnen. Jede Kampfgruppe, die das in Astana vereinbarte Abkommen unterzeichne oder sich daran halte, werde angegriffen.

Weiter im Filmbeitrag von Daniel Hechler, Studio Kairo: "Russland bezeichnet die Rebellen als Terroristen"
Viele weitere Länder listen die al Nusra-Front als Terrororganisation, nicht nur Russland und ebenso die UN.
In kritisiertem Beitrag spricht Hechler speziell auch an, dass Kinder die besonders Leidtragenden in Ost-Ghouta sind. Bilder von verletzten Kindern, die auch hier gezeigt wurden, sind für jeden Zuschauer nur äußerst schwer zu ertragen.
Der gesamte Beitrag wird hier ganz bewusst auf eine emotionale Ebene verlagert. Sobald Emotionen geschürt
werden, ist es für Betrachter besonders schwierig, weiterhin das schlimme Geschehen rational zu beurteilen. Dies geschieht mit voller Absicht und dient natürlich ausschließlich dazu, das erzeugte Feindbild von der syrischen Armee und des syrischen Präsidenten Assads weiter zu verstärken. So war es auch mit den Bildern des syrischen Jungen Omran in Aleppo, der, wie sich später noch deutlicher herausstellte, vom ARD-Studio in Kairo und in Hamburg in schlimmer Art und Weise medial missbraucht wurde. Von Städten, die die USA und ihre Verbündeten bombardierten, wie Rakka oder Mossul, zeigte man den Zuschauern nie Bilder verletzter Zivilisten, geschweige denn von Kindern.

Solche mediale Zurschaustellung von Kindern wären auch nur einzig und allein zu rechtfertigen, wenn auch die verletzten Kinder in Damaskus gezeigt würden, die Opfer der Angriffe der al Nusra-Front wurden.
Alle Kinder sind besonders Leidtragende des Syrienkrieges, vollkommen unabhängig vom Ort, ansonsten ist es eine schlimme mediale Inszenierung und eine üble verlogene Heuchelei.

Es gibt Vorträge von spendenfinanzierten Hilfsorganisationen die in Syrien regelmäßig Zivilisten direkt vor Ort
versorgen und unterstützen.

Leiter dieser Organisationen sprechen explizit die schlimme Versorgungslage und die massiven Engpässe der
Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten an, was Medizin und Nahrung anbelangt. Speziell wird dabei auf die
schlimme Lage der Kinder eingegangen. Die Medikamente, um einfache und lebensbedrohliche Erkrankungen
dieser Kinder zu behandeln, fehlen aufgrund der verhängten Sanktionen der USA, der EU und der
Bundesregierung. Die Organisatoren schildern, wie man verzweifelt versucht, lebensrettende Medikamente aus
dem Libanon zu beschaffen, um den Kindern zu helfen. Oftmals zu spät. Es wird sogar geschätzt, dass durch
diese vom Westen verhängten Sanktionen mehr Kinder in diesem Krieg ums Leben kommen werden, als durch
kriegerische Handlungen direkt.

Der gesamte Beitrag unterstellt indirekt, dass die Opfer dieses Krieges unterschiedliches Gewicht haben: Von
Bedeutung sind sie für ARD-aktuell, wenn man sie der syrischen Armee in die Schuhe schieben kann. Ignoriert
wird in diesen Berichten aus Kairo grundsätzlich, dass Syrien mit Hilfe Russlands gegen international geförderte
und bewaffnete Terrororganisationen und Dschihadisten einen legalen Kampf führen. Ignoriert werden
Kriegsverursacher wie die USA und ihre Proxys im Nahen Osten. Der Beitrag verstößt gegen staatsvertragliche
Grundsätze, er ist blanke Kriegspropaganda.

Mit freundlichen Grüßen

Bernhard Moser
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Maren
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Re: Tagesschau: Lage der syrischen Zivilisten immer dramatischer

Beitrag von Maren »

Von: gremienbuero@ndr.de
Betreff: Ihre E-Mail vom 17.02.2018

Ihre E-Mail vom 17.02.2018

Sehr geehrter Herr Moser,

wir bestätigen den Eingang Ihrer o.g. Mail.

Da der von Ihnen kritisierte Kommentar von dem SWR-Autoren Daniel Hechler stammt und somit der "Tagesschau" zugeliefert wurde, habe ich Ihr Schreiben heute an den SWR weitergeleitet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günter Hörmann
Rundfunkratsvorsitzender
_____________________________
NORDDEUTSCHER RUNDFUNK
Gremienbüro

Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Tel. (040) 4156-3506
Fax (040) 4156-3452
E-Mail: gremienbuero-beschwerden@ndr.de
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Maren
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Re: Tagesschau: Lage der syrischen Zivilisten immer dramatischer

Beitrag von Maren »

Von: "Hauser, Christoph" <Christoph.Hauser@swr.de>
Betreff: Ihre E-Mail vom 17. Februar 2018

Sehr geehrter Herr Moser,

zu Ihrer Programmbeschwerde nehmen wir wie folgt Stellung:

In der Anmoderation zum Beitrag heißt es: „Allein in dieser Woche kamen nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mehr als 200 Menschen bei Angriffen der Regierungstruppen ums Leben. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Zahlen allerdings nicht“.
Die Moderatorin nennt also die Quelle und schätzt sie zudem ein. Damit ist auch der folgende Beitrag von vornherein eingeordnet. Zudem wird klar, dass sich dieser Bericht zunächst vor allem einer Seite des Krieges zuwenden wird. In Anbetracht der Länge, die für „Tagesschau“-Berichte zur Verfügung steht (1'20 bis 1'40 Min), ist es vertretbar, dass bei Ereignissen, die sich über einige Zeit hinziehen, die Berichte Schwerpunkte setzen. In diesem Fall sind es –entsprechend der Dramatik der Lage und der hohen Zahl der Opfer – die Toten und Verletzten in Ost-Ghuta gewesen. Wir sind uns bewusst, dass Aufnahmen verletzter Kinder besondere Emotionen auslösen. Doch wenn Sie in hoher Zahl unter den Opfern sind, müssen wir das darstellen. In Syrien ebenso wie im Jemen oder im Gazastreifen.

Im Beitrag selbst achtet der Korrespondent genau darauf, die indirekte Rede zu verwenden, wenn er Einschätzungen zitiert, die er nicht selbst verifizieren kann. Etwa: „Krankenhäuser seien getroffen worden, die Situation sei katastrophal.“ Die Waffenruhe bezeichnet der Korrespondent als „brüchig“ und sagt weiter: „Russland spricht von Einsätzen gegen Terroristen“. Damit wird darauf hingewiesen, dass die bewaffneten Milizen am Bruch der Waffenruhe beteiligt sind.

In früheren Berichten der ARD zu den Deeskalationszonen wurde dargelegt, welche Gruppen davon ausgenommen sind (und den Gesprächen in Astana ja auch fernblieben). Über die sogenannte Nusra-Front und ihre Nachfolger sind ebenfalls Berichte in der ARD gelaufen, die keinen Zweifel daran ließen, welche ideologischen Ziele diese Gruppen verfolgen und mit wem sie kooperieren.

Im zweiten Teil des Beitrags, den Sie nicht erwähnen, zeigt der Korrespondent Opfer eines US-amerikanischen Angriffs auf syrische Regierungstruppen und zitiert hierbei sowohl die Lesart der syrischen Regierung als auch die der USA.

Den Vorwurf der Einseitigkeit oder gar der Kriegspropaganda weisen wir daher entschieden zurück.

Abschließend darf ich darauf hinweisen, dass Sie gemäß § 20 Abs. 3 der SWR-Hauptsatzung den zuständigen Ausschuss anrufen und die Beratung der Beschwerde verlangen können. Der zuständige Ausschuss im vorliegenden Fall ist der Programmausschuss Information.

Mit freundlichen Grüßen


Dr. Christoph Hauser
Programmdirektor

Information, Sport, Film, Service und Unterhaltung

SWR
Südwestrundfunk
Hans-Bredow-Straße
76530 Baden-Baden
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Maren
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Re: Tagesschau: Lage der syrischen Zivilisten immer dramatischer

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Stellungnahme Ihres Herrn Hauser ist nicht geeignet, meine Beschwerde zu entkräften. Ich halte diese infolgedessen in vollem Umfang aufrecht.

Die Erklärung Herrn Hausers ist nicht nur unzureichend, sie ist eine Kränkung, weil der Verfasser offenbar annimmt, mich für dumm verkaufen zu können. Beispiel: Ausdrücklich verweist er darauf, die Angaben der „Syrischen Beobachtungsstelle“ seien relativiert worden mit dem Hinweis, dass sie sich „nicht unabhängig überprüfen“ ließen. Das ist eine verlogene Argumentation, denn Aussagen, die man nicht unabhängig überprüfen kann, haben in Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nichts zu suchen. Dass die „Beobachtungsstelle“ immer wieder in den Nachrichten zitiert wird, verleiht ihr eben deshalb eine unverdiente Glaubwürdigkeit „an sich“, und damit werden ihre Behauptungen auch vom Publikum im Normalfall als Tatsachen aufgenommen. Der Mechanismus ist jedem Propagandisten bekannt, natürlich auch den Verantwortlichen des SWR.

Bei allem Verständnis für den Zwang, in einer Nachricht von 1‘40“ Länge nur das Allerwichtigste an Neuem unterbringen zu können: Die Notwendigkeit, zu komprimieren, kann nicht aus Ausrede dafür dienen, dass dem Rezipienten das Verständnis für die Zusammenhänge unmöglich gemacht und er geradezu zu Fehlschlüssen verleitet wird.
Die laufende Verwendung des Konjunktivs 1 als Stilmittel zur Verdeutlichung, dass hier Dritte zitiert und nicht eigene Aussagen gemacht werden, ist schon deshalb als Entlastungsgrund untauglich, weil die zugrunde liegende Absicht nur dem sehr geschulten Nachrichtenkonsumenten klar wird, nicht aber dem normalen Publikum. Zudem ist mit der Auswahl bestimmter Aussagen ein Mittel der Manipulation gegeben. Es ist auch hier nur ein Verschleierungsargument, mit dem meine Beschwerdegründe nicht aufzulösen sind. Es dient offenkundig dazu, die kritische Aufmerksamkeit des Rundfunkrates einzulullen.

Weder kann noch will ich Ihnen abnehmen, selbst zu denken und zu prüfen, inwieweit meine Beschwerde insgesamt begründet ist. Es ist schließlich Ihres Amtes, darüber zu wachen, dass der Sender die Programmrichtlinien des Rundfunkstaatsvertrages und die Bestimmungen in den „Grundsätzen für die Zusammenarbeit der ARD-Anstalten“ einhält.

Der Vertrauensverlust, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk als seriöse Informationsquelle objektiv erleidet, ist weitestgehend selbstverschuldet. Unter anderem mit der Unfähigkeit des Managements der Sender, mit Kritik sachlich statt selbstgerecht umzugehen. Arrogant belehrende Schreiben wie die vorliegende Stellungnahme sind dem Ansehen des Senders sicher nicht dienlich.

Ich erlaube mir abschließend das Fazit: Mit der hier angesprochenen Nachrichtensendung wurden die genannten Grundsätze und Regeln für seriösen Journalismus verletzt. Wenn Herr Hauser dafür die durchgehende Erklärung bereit hält, die verwendeten Formeln und Stilmittel seien üblich, dann bedeutet das noch lange nicht, dass sie richtig und vertretbar sind.

Mit freundlichen Grüßen

Bernhard Moser
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