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MDR - Kommunalwahlen in Russland

Verfasst: 12. Oktober 2020, 09:12
von Maren
Mitteldeutscher Rundfunk
Anstalt des Öffentlichen Rechts
An die Intendantin
D-04360 Leipzig

11.10.2020

Programmbeschwerde zur Berichterstattung bezüglich den Kommunalwahlen in Russland

Sehr geehrte Damen und Herren,

auf Ihrem Fernsehkanal MDR sendeten Sie am 13.09. und 14.09.2020 in Ihrer Nachrichtensendung MDR Aktuell jeweils 19:30 Uhr Beiträge bezüglich den Kommunalwahlen in Russland.

Am 13.09.2020 behaupteten Sie unter anderem, „es gab Gewalt“ und „es gab Unregelmäßigkeiten“.

Zum Thema Gewalt zeigten Sie einen Rempler eines Wählers gegen einen angeblichenWahlbeobachter. Der gezeigte Vorfall wäre in Deutschland nicht einmal eine leichte Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuchs. Außerdem war in der Szene nicht klar, wer eigentlich die Beteiligten waren und um was es eigentlich ging.

Zum Thema Unregelmäßigkeiten zeigten Sie eine von hinten gefilmte Dame, welche einen Zettel unter dem Schreibtisch abgelegt hat. Waren Sie eigentlich schon einmal inDeutschland in einem Wahllokal bei der Stimmauszählung dabei?

Beide Behauptungen waren völlig haltlos und übertrieben. Es entsteht der Eindruck, Sie suchen krampfhaft nach Dingen, mit denen Sie Russland kritisieren können. Dabei legen Sie jedes Mal zweierlei Maß an. Zum Beispiel war es nicht einmal Ihrem Regionalmagazin Thüringen eine Nachricht wert, als bei einer Abstimmung am 18.08.2019 über einen Bürgerentscheid in der thüringischen Kleinstadt Plaue Wähler und Wahlhelfer mitten im Wahllokal damit bedroht wurden, dass sie aufgehängt würden, wenn sie das falsche wählen. Gegen den Täter wurde seinerzeit ein Strafverfahren eingeleitet (die Thüringer Allgemeine berichtete darüber).

Am 14.09.2020 behaupteten Sie, „in den Parlamenten der sibirischen Großstädte Tomsk und Nowosibirsk konnten sich die Kandidaten aus dem Team des Kreml-Kritikers Nawalny durchsetzen.“

Hier haben Sie sich als Sprachpanscher betätigt offenbar mit dem Ziel, die Bedeutung des „Teams Nawalny“ mittels ungenauer Formulierung etwas zu überhöhen. Fakt ist, dass je ein Kandidat des „Teams Nawalny“ es in den Stadtrat der jeweiligen sibirischen Stadt geschafft hat.

Ihre Berichterstattung ist immer wieder von geopolitischer Voreingenommenheit und von russophoben Einstellungen durchsetzt. Das Gegenteil von objektiver und umfassender Berichterstattung.

Mit Ihrer Berichterstattung verstießen Sie gegen Ihren Programmauftrag und gegen die Programmgrundsätze laut Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk:

§ 6 Programmauftrag
(1) Der MDR hat in seinen Sendungen einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale,
nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sein Programm
soll der Information und Bildung sowie der Beratung und Unterhaltung dienen und hat dem kulturellen
Auftrag des Rundfunks zu entsprechen. Er dient der freien individuellen und öffentlichen
Meinungsbildung. ...

§ 8 Programmgrundsätze
(1) Der MDR ist in seinen Sendungen an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und der Wahrheit
verpflichtet. Er trägt zur Verwirklichung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bei und fördert die
Zusammengehörigkeit im vereinigten Deutschland.

(2) Der MDR hat in seinen Sendungen die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und
weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten. Er soll dazu beitragen, die Achtung vor Leben,
Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinung anderer zu stärken und die
Gleichstellung von Frau und Mann zu fördern. Die Sendungen dürfen sich nicht gegen die
Völkerverständigung und gegen die Wahrung von Frieden und Freiheit richten.

(3) Alle Informationssendungen (Nachrichten und Berichte) sind gewissenhaft zu recherchieren und
wahrheitsgetreu und sachlich zu halten. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen
gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Die Redakteure sind bei der Auswahl und Sendung
der Nachrichten zur Objektivität und Überparteilichkeit verpflichtet. Kommentare sind deutlich von
Nachrichten zu trennen und unter Nennung des Verfassers als persönliche Stellungnahme zu kennzeichnen.
Sie haben dem Gebot journalistischer Fairness zu entsprechen. ...

Eine Kopie dieses Schreibens sende ich an den Verein Publikumskonferenz der öffentlichrechtlichen Medien e.V. zwecks Veröffentlichung.

Mit freundlichen Grüßen
Jens Köhler