Programmbeschwerde: Sendung Glaubwürdig - Seenotrettung

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Maren
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Programmbeschwerde: Sendung Glaubwürdig - Seenotrettung

Beitrag von Maren »

MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Anstalt des Öffentlichen Rechts
z. Hd. Intendantin Prof. Dr. Wille
D-04360 Leipzig


Programmbeschwerde zur Sendung Glaubwürdig: Axel Steier vom 30 Januar 2021

Autorin: Antje Schneider, Redaktion: Anette Reiß
Quelle: https://www.mdr.de/video/mdr-videos/d/v ... r-100.html


Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Wille,

der Mitteldeutsche Rundfunk hat gemäß § 6 des MDR-Staatsvertrages vom 30. Mai 1991 in seinen Sendungen einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sein Programm soll der Information und Bildung sowie der Beratung und Unterhaltung dienen und hat dem kulturellen Auftrag des Rundfunks zu entsprechen. Er dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung.

Nach meiner Überzeugung ist der Programmauftrag in der o. b. Sendung nicht vollumfänglich und im Sinne dieser Vorschrift eingehalten wurden.

Der Betrag des Formates „Glaubwürdig“ liefert ein Portrait von Axel Steier, dem Vereinschef von Mission Lifeline e.V. der stellvertretend für die NGO spricht.

Die Arbeit der sogenannten „Seenotretter“ wird in der Öffentlichkeit bei weitem nicht so unkritisch bewertet, wie es der 4:38 minütige Tendenzbericht vermittelt. Aus gesinnungsethischer Sicht, mag die Intension des Vereins von einem humanistischen Gedanken getragen zu sein. Aus verantwortungsethischer Sicht kann diese Praxis jedoch dazu führen, dass Schleppern in die Hände gespielt wird und dass letztendlich noch mehr seeuntüchtige Boote von Nordafrika in Richtung Europa starten werden, da die Chance auf Rettung durch die Aktivität des Vereins erhöht wird.
Die Tätigkeit der Hilfsorganisation hat in der Vergangenheit deshalb zu immer mehr vor allem qualifizierter Kritik insbesondere auch von Entscheidungsträgern geführt.

So hatte bereits im Jahre 2017 der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière folgenden Satz zu der Arbeit von „Seenotrettungsvereinen“ geäußert:

„Die Italiener untersuchen Vorwürfe gegen NGOs: Zum Beispiel, dass Schiffe ihre Transponder regelwidrig abstellen, nicht zu orten sind und so ihre Position verschleiern."
https://www.spiegel.de/politik/ausland/ ... 58415.html

Auch kritisierte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Faktion und jetzige parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium auf twitter die Rettungsaktionen für Flüchtlinge im Mittelmeer massiv.
Siehe: Aufhören! Falsch! Sagt Stephan Mayer, in #berlindirekt @ZDF

https://twitter.com/berlindirekt/status ... 17697?s=20

Besonders ärgerlich ist aber, dass der Beitrag keine Kritiker der Dresdner Stadtgesellschaft zu Wort kommen oder zumindest die entsprechenden Gegenargumente die notwendige Würdigung zu teil werden lässt. Denn die Arbeit des Vereins wird von vielen Bürgern bei Weitem nicht so positiv bewertet, wie es der Kurzbeitrag impliziert.

Siehe:
https://www.dnn.de/Dresden/Lokales/Frei ... aberkennen

Auch hätte es zwingend zu einer ausgewogenen Berichterstattung gehört, dass, wenn auch nur kurzfristig, es Ermittlungen wegen Verstoßes gegen Einschleusen von Ausländern gegen den Verein gegeben hat.

https://dejure.org/gesetze/AufenthG/96.html
https://www.tagesspiegel.de/politik/flu ... 79384.html
https://www.tagesspiegel.de/politik/flu ... 15922.html

Fraglich ist weiterhin, warum der Beitrag nicht darauf eingeht, dass der Schiffsführer Claus-Peter Reisch in Malta vor Gericht stand und nach neuesten Berichten sogar 300.000 Euro Strafe zahlen soll, weil er 2019 trotz einer Hafensperrung Migranten nach Sizilien gebracht hat.
https://www.faz.net/aktuell/politik/aus ... 77601.html

Herr Reisch hat sogar die Arbeit mit Mission Lifeline beendet, weil ihm in diesem Verein vieles zu linksradikal erscheint. Siehe Zeit-Artikel „Vieles ist mir zu linksradikal“
https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-0 ... g-lifeline

Als Beispiel nennt er die Verunglimpfung des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz als „Baby-Hitler“ auf dem Twitter-Kanal des Vereins Mission Lifeline, als dieser die private Seenotrettung vor Libyen für Todesfälle im Mittelmeer verantwortlich gemacht hatte: „Manchmal unterstützen private Seenotretter, ohne dass sie es wollen, die Schlepper. Und so führt das Vorgehen der privaten Seenotretter am Ende zu mehr Toten“.

https://www.welt.de/politik/ausland/art ... itler.html

Der Verein stand außerdem auch massiv in der Kritik, da er zum Eingehen von Scheinehen („Mission Lifeline“: „Ihr seid noch nicht verheiratet? Vielleicht verliebt Ihr Euch zufällig in einen Menschen, der/die hier noch kein Bleiberecht hat. Könnte passieren, oder? Bleibt offen!“) aufgerufen hat und daraufhin viele Bundespolitiker sich entsprechend kritisch äußerten.

CDU-Abgeordneter Philipp Amthor: „Dieser absurde Aufruf zum Eingehen von Scheinehen zeigt überdeutlich, dass diese ‚Seenotretter‘ in Wahrheit eine viel größere Agenda verfolgen. Sie wollen unser Ausländerrecht mit ihrer linken Ideologie hintertreiben und unseren Rechtsstaat an der Nase herumführen.“ Und sprach im Interview sogar von „ideologischen Schlepper-Helfern“.

FDP-Vizebundesfraktionschef Michael Theurer kritisierte diese Äußerung mit folgenden Worten: „Offenbar hat Lifeline noch eine extreme politische und eben keine rein humanitäre Zielsetzung.“
https://www.bild.de/politik/inland/poli ... .bild.html

Es ist demnach journalistisch schlichtweg unredlich, wenn Herr Steier als einzigen Kritiker hier anekdotisch über eine Begegnung mit einem mutmaßlichen „Pegidisten“ aufführen kann, der ihn und sein Kind tätlich angegriffen habe.

Diese Tat ist sicherlich sehr schändlich und verachtenswert, aber unabhängig, ob das so stattgefunden hat oder nicht, ist dies im höchsten Maße manipulativ, da unweigerlich Kritiker der Aktivitäten der umstrittenen NGO mit einer gewaltbereiten Grundhaltung und mit dem Pegida-Umfeld in unzulässiger Weise verschachtelt werden.

Im Grunde findet hier ein klassisches Framing nach folgendem Schema statt:

„Seenotretter“ sind uneingeschränkt die Guten - die Kritiker dieser Aktivitäten, insbesondere wenn sie die fragwürdige Verstrickung des Vereins ins linksextremistische Milieu ansprechen, sind die Bösen, sind die Menschenfeinde und werden- wie in im vorliegenden Falle- nicht entsprechend bei der Berichterstattung berücksichtigt.

Damit missachtet der MDR die Forumsfunktion, einen wesentlichen Bestandteil seines öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrages.

Zur pluralistischen Meinungsbildung des Rezipienten trägt die Forumsfunktion wesentlich bei. Der Rundfunk als Kommunikationsmedium hat den Auftrag, ein Forum für die öffentliche Diskussion zu bieten, an der alle gesellschaftlichen Gruppen offen ihre Meinungen austauschen können. Durch die Forumsfunktion wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk verpflichtet, alle unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömungen in seinem Programm zu berücksichtigen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat dabei in seinem Programm darauf zu achten, dass die politische Ausgewogenheit des Programms garantiert wird. Durch die unterschiedlichen Informationen und Inhalte entsteht Meinungsvielfalt im Rundfunk, welche wiederum die Basis für den verfassungsrechtlich geforderten Meinungspluralismus ist. 1

Der kritisierte Beitrag wird diesem Anspruch nicht einmal ansatzweise gerecht.

Sehr geehrte Prof. Wille, nehmen Sie sich bitte meine Zeilen zu Herzen und glauben Sie mir, mit solchen Beiträgen tut sich der MDR wirklich keinen Gefallen, denn guter Journalismus hört immer genau dort auf, wo ideologieintendierter Aktivismus beginnt!

Das spüren immer mehr Zuschauer und schalten ihren Fernseher gar nicht mehr ein, weil Sie sich durch eine ideologisch unterlegte Themensetzung nicht mehr vollständig wahr- und mitgenommen fühlen.


Mit freundlichen Grüßen

Torsten Küllig


1 „Zur Gewährleistung des Funktionsauftrages durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ Christian Brenner
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Maren
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Re: Programmbeschwerde: Sendung Glaubwürdig - Seenotrettung

Beitrag von Maren »

Antwort aus der Juristischen Direktion des MDR
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