NDR - Putin - Völkermord in den Mund gelegt

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Maren
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NDR - Putin - Völkermord in den Mund gelegt

Beitrag von Maren »

An den
Rundfunkrat des NDR
Frau Vorsitzende
Dagmar Pohl-Laukamp


Programmbeschwerde


Sehr verehrte Frau Vorsitzende,

am 25.2.2015 war auf der Tagesschauseite neben der Head-Line "Putin wirft Kiew Völkermord vor" im vorletzten Absatz zu lesen:

"Der unter deutscher und französischer Vermittlung vereinbarte Waffenstillstand gilt eigentlich seit dem 15. Februar. Die Separatisten hatten diesen in den ersten Tagen gebrochen.."

Diese Meldung ist einseitig und irreführend, genauso irreführend wie die gewählte Überschrift des Beitrages. Wenn man des Lesens kundig ist, sieht man sofort, dass Putin eine anderslautende Formulierung benutzte, er hatte keinen Völkermordsvorwurf erhoben, sondern lediglich gesagt, dass das Vorgehen Kiews nach "Völkermord riecht". Das ist eine andere und m.E. eine durchaus nachvollziebare Formulierung, wenn man bedenkt, wie Kiew mit der eigenen Bevölkerung im Osten des eigenen Landes umspringt: Gnadenloser Beschuss von Wohnhäusern, der Raub der Renten, der bewusste Ausschluss der Bevölkerung von lebensnotwendigen Versorgungsgütern.

Zum zweiten Punkt:

Im vorletzten Absatz hätte es korrekt heißen müssen: "Die Seperatisten und die Kiewer Regierung haben beide trotz der vereinbarten Waffenruhe in den ersten Tagen weitergekämpft" ( "Bruch" ist eine falsche Wortwahl, weil eine Waffenruhe nach Minsk II zunächst nicht hergestellt werden konnte und es deshalb auch nichts zu brechen gab)

Das Problem des Kessels in Debalzewo war den Teilnehmern bei den Verhandlungen zu Minsk II bekannt, aber insbesondere die Hollande-Merkel-Fraktion ließ die Problematik in der Schwebe. Putin meinte in seinem Statement nach Abschluß der Verhandlungen sinngemäß: “Wir gehen davon aus, dass die eingekesselten ukrainischen Militärs ihre Waffen niederlegen und den Widerstand einstellen. Der ukrainische Präsident ist der Meinung, dass es gar keinen Kessel gibt. Das werden dann unsere Militärexperten gemeinsam klären.”. Trotz realitätsfernen Behauptung Poroschenkos vom Nichtbestehen eines Kessels wissen wir heute, dass in der Kesselschlacht von Debalzewo der überwiegende Teil der ukrainischen Soldaten militärisch zerrieben und getötet wurde. Da der ukrainische Präsident und seine Militärs sich zunächst trotz Minsk II und des Putin-Hinweises weigerten, die eingekesselten Soldaten abziehen zu lassen, ging das tödliche Gemetzel weiter, auf beiden Seiten. Nun davon zu reden, die Seperatisten hätten die vereinbarte Waffenruhe verletzt, kann deshalb so nicht richtig sein, zumal auch die ukrainischen Soldaten - wie es in Kriegen üblich ist - versuchten, mit militärischen Mitteln (und keineswegs mit Knallfröschen!) der Einkesselung zu entkommen.

Vor diesem Hintergrund ist unbestritten, dass nicht die Rebellen, sondern beide Seiten gegen Minsk II verstießen. Erst als ein Kommandeur der ukrainischen Armee auf eigene Faust den Befehl zum Rückzug der Soldaten gab, wurden die Kämpfe beendet. Dieser Ablauf der Ereignisse macht es völlig unverständlich, weshalb die "Tagesschau" die Nichteinhaltung der Waffenruhe noch immer allein den Seperatisten in die Schuhe schiebt. Hätte Poroschenko bei den Minsk II-Verhandlungen nicht (wie so oft, mit propagandistischer Unterstützung westlicher Medien!) die Situation schöngeredet und einem Abzug aus dem Kessel sofort zugestimmt, hätte auch kein Hindernis für eine sofortige Waffenruhe bestanden.

Worauf die ungenügende Darstellung in der "Tagesschau" zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu beurteilen: Entweder ist es ein vorsätzlicher Verstoß gegen die in den Programm-Richtlinien festgelegten Grundsätze oder eine journalistische Schlamperei.

Auf jeden Fall ist auch diese TS-Information geeignet, die verantwortungslose Kriegstreiberei in Politik und Medien zu verstärken, anstatt im Sinne der im Staatsvertag statuierten Friedenspflicht mit deeskalierender Wirkung korrekt zu berichten.

Unsäglich und zum Fremdschämen ist m.E. der Kommentar des HR-Fernseh-Chefs Theisen. Er soll hier wegen seiner unterirdischen journalistischen Qualität nicht kommentiert werden.

Eine Zierde für den öffentlich-rechtliche Rundfunk und für die "Tagesthemen" ist er jedenfalls nicht.

Ich bitte Sie zu prüfen, ob der Beitrag vom 25.2.2015 eine Staatsvertragsverletzung enthält, dem Bereich der "journalistischen Schlamperei" zuzuordnen ist oder dem Verständnis von "Qualitäts-Journalismus" entspricht.

Mit freundlichen Grüßen

Friedhelm Klinkhammer
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Maren
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Re: NDR - Putin - Völkermord in den Mund gelegt

Beitrag von Maren »

Anmerkung: Bitte zunächst die Anhänge lesen.


Programmbeschwerde vom 25.2.15/ Tagesschau

"Völkermord/Waffenruhe"

Sehr geehrte Frau Pohl-Laukamp,

die Antwort des stellvertretenden Intendanten Dr. Beyer/ Herr Nitsche-Tagesschau vom 27.3.2015 auf meine Beschwerde vom 25.2.2015 finde ich unzureichend und lächerlich. Deshalb bitte ich nunmehr darum, dass der Rundfunkrat sich mit der Beschwerde befasst. Auffallend an der NDR-Darstellung ist der erneute zwanghafte Versuch, eigene Fehler zu bestreiten, bzw. zu verdrängen. Keine gute Voraussetzung, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Dass die Behauptung "Putin wirft Kiew Völkermord vor" falsch war, wird zwar grundsätzlich nicht betritten. Dennoch versucht der NDR Nebelkerzen zu werfen, in dem er so tut, als handele es sich letztlich doch um eine korrekte Information. Er argumentiert nicht mit Tatsachen, sondern redet von Zuspitzungen, Pointierungen, vermeintlichen Putin-Intentionen und Justizverfahren. Das alles hat mit der Frage, ob die Meldung richtig oder falsch war, nichts zu tun. Fest steht, dass Putin etwas anderes gesagt, als die "Tagesschau" behauptet hat.

Diese falsche Information war offenkundig ungeprüft von anderen Medien/Nachrichtenagenturen übernommen worden, denn auffällig ist, dass die "Tagesschau" gleichgeschaltet und im Chor mit den sogenannten "Qualitäts-Medien" Spiegel, der Bild, der Welt, der FAZ, dem Stern (und mit unzähligen weiteren deutschen Medienunternehmen) massenwirksam völlig wortidentisch gröhlten: "Putin wirft Kiew Völkermord vor". Sie können es selber herausfinden: Mit der entsprechenden wörtlichen Suchoption finden Sie bei Google hunderte Einträge, im übrigen auch ein eindrucksvoller Beleg für die freiheitlich-demokratische Vielfalt deutscher Medien.

Zur Waffenruhe heisst es: "Tatsächlich hat der Artikel den Gasstreit zum Schwerpunkt". Was soll das heissen? Dürfen Informationen zu anderen Berichtspunkt deshalb falsch sein?

Dass die Tagesschau-Angaben am 25.2.2015 zur Waffenruhe gefälscht waren, kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass man sich doch auch sonst um "Objektivität und eine andere Gewichtung" bemüht. "Heute ein paar falsche Nachrichten, dafür morgen ein bisserl korrekter", soll das die Message sein?

Herr Dr. Beyer/Nitsche behaupten, dass man immer wieder darüber berichtet habe, dass beide Seiten die Waffenruhe verletzt hätten. Diese Behauptung ist falsch. In der "Tagesschau" wird allenfalls berichtet, was die Separatisten und die Kiewer Regierung über den Bruch der Waffenruhe zu sagen haben. Diese naturgemäß zweifelhaften Angaben der am Konflikt direkt beteiligten Parteien behandelt die "Tagesschau" ständig – unhinterfragt – als Tatsachen, obwohl jedem seriösen Journalisten klar sein müsste, um welchen zweifelhaften Informationswert es sich dabei handelt. Gerade Poroschenko ist – genau wie seine US-Freunde - bekannt für die vielen "faulen Informations-Eier", die sie in langer Reihe hinter sich herziehen, mit dem Ziel, die Weltöffenlichkeit zu belügen.

Einigermaßen objektivierbare Angaben – wie die der OECE - werden dagegen von der "Tagesschau" gemieden, vor allem dann, wenn sie die Kiew-Regierung belasten.

Insoweit verweise ich z.B. auf das Unterdrücken der Nachrichten vom 22.3.2015, als die OSZE das ukrainische Militär beschuldigte, die Bewegungsfreiheit ihrer Beobachter anhaltend zu behindern.

Auch Informationen, die eine westliche Unzufriedenheit mit der Kiew-Regierung erkennen lassen, werden den deutschen Zuschauern der "Tagesschau" und den anderen Medien penetrant vorenthalten, so zum Beispiel die Äußerungen des französischen Präsidenten Hollande ("Le Monde"):

http://www.lemonde.fr/europe/article/20 ... _3214.html

"Dem ukrainischen Präsidenten Pjotr Poroschenko gelang es nicht, ein Gesetz durchzusetzen, das örtliche Wahlen in den östlichen Regionen des Landes und eine aktive Dezentralisierung garantieren würde“, zitiert die Zeitung eine Quelle aus der Umgebung des französischen Präsidenten Francois Hollande. „Kiew hat Bedingungen gestellt, die von den Minsker Vereinbarungen nicht vorgesehen waren.“

Ein weiteres aktuelles Beispiel der Russenfeindlichkeit:

Monatelang beherrschte die russische Schwulenpolitik die deutschen Medien, zuletzt ein gescheiterter UN-Antrag Russlands, der sich (erfolglos) gegen die Gleichstellung von UN-Mitarbeitern richtete. Jetzt, als bekannt wird, dass in den USA eine gesetzliche Diskriminierung der Schwulen aus religiösen Gründen geplant ist, schweigt die "Tagesschau" (im Gegensatz z.B. zu "Spiegel-Online"), vermutlich weil die Amerikaner unsere Freunde sind. Es drängt sich deshalb der Schluss auf, dass die Tagesschau Schwulenprobleme nach Bedarf instrumentalisiert, um vornehmlich Stimmung gegen Putin zu machen. Ein typischer Fall von Feind- Propaganda

Die "Tagesschau" hat übrigens – im Gegensatz zu dem russischen Antrag über die UN-Schwulengleichstellung – geschwiegen, als es um den russischen UN-Antrag ging, der die Nazi-Verherrlichungen im Baltikum verurteilte und von Deutschland als Ex-Nazi-Staat nicht unterstützt wurde. Dieses Schweigen war in Übereinstimmung mit dem NDR-Rundfunkrat als richtige Programmentscheidung beurteilt worden.

Auch das spricht eine deutliche Propaganda-orientierte Sprache.

Die journalistische Praxis zeigt (die sich mit unzähligen täglichen Beispielen belegen lässt), dass die Tagesschau – insbesondere, wenn es um Russland geht – alles andere als journalistisch fair, wahrheitsgetreu, völkerverständigend und objektiv ist. Sie ist weiterhin das, was der ARD-Programmbeirat im Vorjahr zu Recht kritisiert hatte. Und der NDR-Rundfunkrat hat es noch immer nicht begriffen..

Dass es auch noch vereinzelt deutsche Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, die ihre Berichtspflicht gegenüber den Gebührenzahlern ernst nehmen, zeigt ein Beitrag im DLF. Ich rege an, dass dieser Beitrag Herrn Dr. Gniffke, dem Intendanten und den Gremien als Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt wird.

http://www.deutschlandfunk.de/politik-d ... _id=311262


Mit besten Grüßen

F.Klinkhammer
Dateianhänge
2015 03 27 02 NDR Programmbeschwerde.pdf
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2015 03 27 01 NDR Programmbeschwerde.pdf
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Maren
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Re: NDR - Putin - Völkermord in den Mund gelegt

Beitrag von Maren »

Antwort bzw. Beschluss des NDR-Rundfunkrates:
PS 2015 09 30 Völkermord.pdf
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