Programmbeschwerde wegen Syrien-Berichterstattung/Sprachmutation

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Maren
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Programmbeschwerde wegen Syrien-Berichterstattung/Sprachmutation

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde wegen Syrien-Berichterstattung/Sprachmutation

Tagesschau.de verschiedene Berichte/ 30.9./1.10.15


Sehr geehrter Herr Marmor,

der Sender N24 und viele andere Medien meldeten am 21. September mit Verweis auf die „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“:

"Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat in Syrien neun Männer und einen Jungen hingerichtet, denen sie Homosexualität vorwarf. Sieben Männer seien in Rastan in der Provinz Homs im Zentrum des Landes erschossen worden."

Und was berichtete neun Tage später ARD-aktuell, nachdem die russischen Bomber ihre erste Angriffswelle geflogen hatten?"

"Die Angriffe fanden den russischen Angaben zufolge in den zentralen Provinzen Hama und Homs statt. Die dort bombardierten Gebiete werden überwiegend nicht vom IS, sondern von der mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida verbundenen Al-Nusra-Front und anderen islamistischen Gruppen kontrolliert."

Aus nicht ersichtlichen Gründen waren die IS-Terroristen auf einmal unsichtbar geworden und medial zum Terrornetzwerk Al-Kaida und zur Al-Nusra-Front mutiert (TS am 30.9.15 um 20.00 Uhr). Dann, noch ein paar Stunden später änderte sich die Sprachregelung erneut. Unter der Führung unserer tapferen, kampferprobten Barrikadenbraut und Preisträgerin Golineh Atai in Moskau (tagesschau24 10:00 Uhr, 01.10.2015) war ab sofort nur noch von "gemäßigten Rebellen " die Rede, egal ob nun Al-Kaida, Al-Nusra-Front, die al-Islam-Army oder andere islamistiche Mörderbanden. Offensichtlich nach dem bereits in der Ukraine-Kriegsberichterstattung zutage getretenen Schema: Hauptsache, es richtet sich gegen die Russen.

Die "gemäßigten Rebellen", also die guten Terroristen, tragen nun den Heiligenschein ihrer USA-, Saudi-Arabien-Unterstützer und letztlich auch das Wohlwollen unserer wie immer folgsamen ARD-aktuell. Die hält fügsam Schulterschluss mit den unermüdlich kriegstreibenden US-Propaganda-Brigaden.

Finden Sie nicht auch, dass das alles nach journalistischer Unterstützung von Terroristen stinkt? Und dass der Gestank durchaus nicht nur levantinische sondern auch transatlantische Veruracher hat?

Viel Freude beim Ausbrütenlassen neuer Rechtfertigungen.

Beste Grüße

F.Klinkhammer
V. Bräutigam


P.S.: Wir lesen gerade im Internet , dass die "gemäßigten" Rebellen von der al-Islam-Army ein Gefängnis bei Damaskus gestürmt und fünf Gefangene exekutiert haben. "Ist doch gemäßigt", hören wir Herrn Gniffke sagen, "der IS nimmt bekanntlich ein Messer und lässt die Opfer vor laufender Kamera viehisch von einem Henker umbringen. Die "gemäßigten Rebellen" beschränken sich dagegen darauf, wehrlose Gegner zu erschießen, statt sie z.B. zu enthaupten. Deshalb ist eine unterschiedliche Einstufung der Terroristen auf jeden Fall journalistisch gerechtfertigt."
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Maren
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Re: Programmbeschwerde wegen Syrien-Berichterstattung/Sprachmutation

Beitrag von Maren »

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 6. Oktober 2015, mit der Sie die Syrien-Berichterstattung in der "Tagesschau" kritisieren. Ich habe dazu Herrn Dr. Gniffke um eine Stellungnahme gebeten. Sie finden Sie anbei.

Der Sichtweise von Herrn Dr. Gniffke schließe ich mich an.

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Marmor

ARD-Vorsitzender
Intendant des Norddeutschen Rundfunks
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Dateianhänge
Stellungnahme Syrien-Berichterstattung.pdf
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Maren
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Re: Programmbeschwerde wegen Syrien-Berichterstattung/Sprachmutation

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde v. 06.10. 2015, wg. staatsvertragswidriger Berichterstattung über den Syrien-Krieg,
hier: Schreiben v. 20.10.2015 der Herren L. Marmor und Dr. Gniffke


Sehr geehrte Damen und Herren,

Intendant L. Marmor und ARD-aktuell-Chefredakteur Dr. Gniffke haben unsere Programmbeschwerde vom 6. Oktober 2015, betreffend die staatsvertragswidrig unsachliche und tendenziöse Syrien-Berichterstattung der Tagesschau
(s. Anhang), so unqualifiziert zurückgewiesen, dass wir uns genötigt sehen, uns erneut an Sie zu wenden und Sie zu ersuchen, sich mit der Angelegenheit formell zu befassen.

Offensichtlich wollen Intendant und Chefreakteur weder verstehen, was die Grundüberlegung und Zielrichtung unserer Beschwerde war, noch auch nur ernsthaft die konkreten Kritikpunkte zur Kenntnis nehmen und angemessen darauf reagieren.

Unsere generelle Kritik galt dem in der Syrienberichterstattung besonders deutlich gewordnenen Fehlen einer Grundlinie von gleichbleibend um Distanziertheit, objektive Betrachtung und Erkenntnisvermittlung bemühtem seriösem Journalismus. Wir wollten aufzeigen, dass die Nachrichtengebung der Tagesschau von einem Moment auf den nächsten aus einem noch relativ neutralen Berichtsmodus in unverhohlenen Kriegspropagandamodus umschaltet, und dass dies einer opportunistisch-USA- und regierungskonformistischen Redaktionsführung entspringt.

Bitte betrachten Sie dies:

Am 29.9.2015 – einen Tag vor den völkerrechtlich gedeckten ersten russischen Luftangriffen auf Rebellenziele in Syrien – war auf tagesschau.de noch zu lesen:

Die Truppen der Opposition? Sind längst aufgerieben "Gemäßigte" Rebellen, auf die der Westen setzt, gibt es kaum noch. Die Verbände der "Freien Syrischen Armee", die den Aufstand gegen Assad getragen hatten, sind längst aufgerieben, mussten Bündnisse mit den Dschihadisten eingehen oder sind notgedrungen zu ihnen übergelaufen...“

Eine entsprechende Einschätzung hatte bereits am 18.07.2015 auf den Seiten des Regierungssenders "Deutschlandfunk" gestanden. Zitat Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur arabischen Welt an der Universität Mainz:

"Diese gemäßigten Rebellen, insbesondere die Freie Syrische Armee, hat am Anfang der Rebellion eine große Rolle gespielt, inzwischen ist sie de facto bedeutungslos. Die Strategie der Amerikaner, die in der Türkei beziehungsweise in Jordanien und in Saudi-Arabien mehr als 5.000 gemäßigte Kämpfer ausbilden will, setzt darauf, dass damit der Islamische Staat bekämpft werden soll, aber auch das syrische Regime. Eine Hoffnung, die sich in der Vergangenheit als nicht erfüllbar erwiesen hat, im Gegenteil.

Diejenigen Soldaten, die ausgebildet sind, die mit US-amerikanischen Waffen beziehungsweise mit Waffen, die vom CIA aus Libyen nach Syrien gebracht worden sind, ausgerüstet worden sind, die sind über kurz oder lang zum weitaus größten Teil zum Islamischen Staat und zur Nusra-Front, also dem Al-Kaida-Ableger übergelaufen. Das heißt, diese Strategie ist de facto gescheitert. Es gibt keine gemäßigten Gruppen. Islamisten, radikale Islamisten – einerseits Al-Kaida-nahestehend, andererseits Islamischer Staat –, das sind diejenigen, die den Ton angeben."

Im Klartext: "Gemäßigte“ (???) Rebellen gibt es in Syrien nicht mehr, die wenigen damit gemeinten noch übrigen Kämpfer sind abhängig vom Al-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front.

Einen Tag später, am 30.09., zum Auftakt der Berichterstattung über das russische Eingreifen in diesen von den USA angezettelten Bürgerkrieg in Syrien, hieß es jedoch plötzlich bei ARD-aktuell:

"Der Vorwurf an Moskau bei den ersten Angriffen lautete: Russische Jets hätten vor allem in jenen Gebieten angegriffen, in denen sich kaum Angehörige des IS aufhalten würden - sondern gemäßigte syrische Regierungsgegner, mit denen der Westen zusammen zu arbeiten versucht."

Auf einmal sind sie also doch wieder da, diese „Gemäßigten“. ARD-aktuell zeigt sich opportunistisch zur Übernahme antirussischer US-Propagandatöne bereit. Cheredakteur Gniffke hatte die Sprachregelung verstanden und erlaubte die unverzügliche Umsetzung per Übernahme des Materials der US-frommen Nachrichtenagenturen in die Sendungen der Tagesschau und der Tagesthemen.

Stockt Ihnen nicht auch der Atem angesichts der Geschwindigkeit, mit der die „guten“ Rebellen – kurz zuvor noch als nicht-existent erklärt - wie Kai aus der Tageschau-Kiste wieder auftauchen?

Die auf Antirussisch abgerichtete ARD-Frontberichterstatter-Formation Golineh Atai, Ina Ruck und Bernd Großheim redeten von Stund an nur noch von den "gemäßigten Rebellen". Die komplette Riege übernimmt und verwendet unisono schlagartig einen Begriff nicht nur ohne jede faktische Begründbarkeit, sondern auch ohne Rücksicht auf seinen propagandistischen Charakter und seine ethische Fragwürdigkeit.

Wir haben gegen diese schillernde charakterlose Wechselförmigkeit Beschwerde erhoben, gegen diese distanzlose Bereitschaft, nach US-Vorgaben und –Interessen zwischen guten und schlechten Bürgerkriegsparteien in Syrien zu unterscheiden und jede journalistische Ethik und Seriosität dabei über Bord gehen zu lassen. Was sollen in dem – immer wieder ist einzufügen: vom Regime der USA unter Bruch des Völkerrechts und zahlreicher weiterer internationaler Rechtsnormen angezettelten, mithilfe der königlichen Mordbande in Riad sowie der NATO und damit auch Deutschlands mit Ausbildern, Söldnern, Waffen und Geld unterstützten – Morden und Zerstören eigentlich „Gemäßigte“ sein?

Betrachten Sie bitte, was jeder Tagesschau-Redakteur auch wissen müsste und berücksichtigen sollte: Am 05.10.2015 trafen sich 40 Rebellengruppen in Syrien, unterzeichneten eine Resolution gegen die russischen Luftangriffe und schworen Vergeltung. Eine beeindruckend große Zusammenkunft war das zwar nicht, aber großmäulig waren sie allemal: sogenannte "gemäßigte" Rebellen sowie Vertreter anderer radikaler Gruppen wie Ahrar al-Scham und Dschaisch al-Islam, die sich zu dem Bündnis zusammenfanden. Welch ein gemäßigter, ja, geradezu menschenfreundlicher Milizenclub! Sogar Human Rights Watch (ein US-konformer Verein!) berichtete, dass Ahrar al-Scham zusammen mit anderen bewaffneten Oppositionsgruppen vom 4. bis 18. August im Gouvernement Latakia an Massakern beteiligt war, bei denen mindestens 190 Zivilisten getötet und über 200 als Geiseln genommen worden waren.

Finden Sie es nicht beschämend, dass diese Mörderbanden in Schlechte und weniger Schlechte aufgeteilt werden, auf dass, den USA-Propagandazielen gemäß, ARD-aktuell das militärische Eingreifen Russlands dem deutschen Millionenpublikum wenigstens ein bisschen madig machen kann? Das völkerrechtswidrige Bomben und Morden der USA im Nahen Osten, deren ungezählte Verletzungen der Menschenrechte: relativiert, weil die Russen alle Bewaffneten angreifen, die nicht reguläre syrische Truppen sind, also nicht nur die „schlechten Schlechten“, sondern, wie empörend, auch die „guten Schlechten“?

Auch in Gniffkes Stellungnahme – im Brief eines ARD-Chefredakteurs! – taucht er wieder auf, dieser inakzeptable, widerwärtige Propagandakniff „eher gemäßigte Rebellen“. Das „gemäßigt“-Attribut US-konformer Nachrichtenagentur-Schmocks verdienten sich die mörderischen Herrschaften offenbar auch in Gniffkes Augen damit, dass sie den „Machthaber Assad“ (s. unsere weitere, gegen diese Begriffsverwendung gerichtete Programmbeschwerde v. 21.10. 2015) bekämpfen. Deutlich wird bereits angesichts dieser Wortwahl, wie wenig Chefredakteur Dr. Gniffke selbst noch in der Lage ist zu objektiver Betrachtung eines Berichtsthemas, wie es der Bürgerkrieg in Syrien darstellt.

Die in Gniffkes Brief wie auch generell in den Nachrichtensendungen seiner Redaktion vorgenommene Bezugnahme auf die „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ als Quelle von Nachrichten befreit ihn und seine Untergebenen erst recht nicht vom Vorwurf propagandistischer Falschberichterstattung. Im Gegenteil: Diese Quelle hat nicht den geringsten Anspruch, ernst genommen zu werden und als Basis für eine Nachricht an ein Millionenpublikum zu dienen, und Dr. Gniffke und seine Redaktion wissen das bzw. müssten es wissen.

Die „Beobachtungsstelle“ ist eine dubiose One-Man-Show. Ein syrischer Geschäftsmann und Assad-Feind, der in London einen obskuren Laden betreibt und von dem niemand weiß, womit er sich eigentlich finanziert und wer seine Informanten sind. Der Mann ist unstreitig parteiisch, und er hat Kontakte auch zu US-Geheimdiensten. Seine (englischsprachige) Internetseite verzeichnet nur lächerliche 40 000 Klicks pro Tag, davon fast zwei Drittel aus Kuwait, Irak, Aserbeidschan und Ägypten (http://www.easycounter.com/report/syriahr.com). Niemand weiß oder könnte je überprüfen, wie qualifiziert die Zuträger dieses Typen und ihre Mitteilungen sind. Indiskutabel jedenfalls sind seine Machwerke als Basis für die wichtigste Nachrichtensendung eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders, vollkommen inakzeptabel, wenn es sich obendrein noch um die einzige Quelle einer „Information“ handelt. Dass solche Informationen sich wiederholt als frei erfunden erwiesen (s. z.B. unsere bereits vorliegende Programmbeschwerde vom 23.10. 2015 wegen Falschberichten über einen russischen Angriff auf ein syrisches Krankenhaus) und unseren „Beobachter für Menschenrechte“ als unseriös bis in die Knochen zeigen, hätte ARD-aktuell längst veranlassen müssen, auf ihn zu verzichten. Doch bei ARD-aktuell schämt sich offenbar niemand über die häufigen Rückgriffe auf eine dermaßen anrüchige Quelle. Die vom ZDF machen es ja auch....

Ein Name wie „Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ ist für sich genommen noch längst kein Qualitätssiegel, jeder hergelaufene Ladendieb kann sich als Rächer der Enterbten ausgeben. Der Grundsatz, dass ein guter Journalist das Maul hält, wenn er von einer Sache nichts Genaues weiß, ist auch für Herrn Gniffke und seine Mannen nicht schon deshalb außer Kraft gesetzt, weil sie für die ARD schreiben dürfen.

Eine seriöse Redaktion, die über keine eigenen gesicherten Informationen verfügt und das ihr von dritter Seite angebotene Material nicht überprüfen kann, teilt genau das mit und verzichtet auf Sensationshascherei; für dreckigen Boulevard gibt es BILD. Eine anständige Redaktion mit berufsethischen Grundsätzen passt sich deren Schmierenjournalismus nicht an. Die anderen Redaktionen, darunter ARD-aktuell und ZDF-heute, berufen sich auf die „syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ und senden propagandistische Gräuelmärchen.

Bis ihnen endlich Rundfunkräte mit Rückgrat mal kräftig auf die Finger klopfen. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich solche Rundfunkräte noch finden lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Volker Bräutigam
Friedhelm Klinkhammer

P.S. Herr Dr. Gniffke weist unseren Vorwurf zurück, ARD-aktuell unterstütze mit dieser Berichterstattung Terroristen. Wir halten diesen Vorwurf ausdrücklich aufrecht, denn wer von „gemäßigten Rebellen“ spricht und schreibt, erweist dem Terrorismus dieses Packs ideelle Unterstützung. Herr Gniffke betont, das ihm in den Mund gelegte Zitat habe er so nie gesagt. Das stimmt, deshalb haben wir es ihm ja in den Mund gelegt, weil es nämlich genau dahinein und zu ihm passt.
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Maren
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Re: Programmbeschwerde wegen Syrien-Berichterstattung/Sprachmutation

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