ARD - Tagesthemen Flucht aus Donezk

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Maren
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ARD - Tagesthemen Flucht aus Donezk

Beitrag von Maren »

Norddeutscher Rundfunk
Gremienbüro
Frau Ute Schildt
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg


Norddeutscher Rundfunk
Intendanz
Herrn Lutz Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg


Programmbeschwerde

Sehr geehrter Herr Marmor,
sehr geehrte Frau Schildt,

hiermit legen wir, die Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V., formal Beschwerde gegen den Beitrag „Ukraine-Konflikt“ in den ARD-Tagesthemen vom 24. September 2014 ein.

In den ARD-Tagesthemen vom 24. September 2014 behauptet Birgit Virnich, ein Drittel der Bevölkerung der Stadt Donezk habe aufgrund seiner proukrainischen Haltung aus Donezk fliehen müssen (ab Minute 8:21):

"..Und so sind die meisten, die sich einen ukrainischen Staat wünschen, aus der selbsternannten Rebellenhochburg Donezk geflohen: fast ein Drittel der Bevölkerung."

http://www.ardmediathek.de/tv/Tagesthem ... astId=3914

Vorangegangen ist diesem Schlusssatz des Beitrags ein Interview mit "Irina", die Virnichs Behauptung, proukrainische Bewohner von Donezk würden von den Separatisten bedroht, beglaubigen sollte (ab Minute 8) und den Begründungszusammenhang für Virnichs Schlusssatz bildet.

Tatsächlich mag mittlerweile ungefähr ein Drittel der Bevölkerung aus Donezk geflohen sein (Anfang August waren es ca. 200.000 von rund 1 Mio Einwohnern).

Quelle: http://www.heute.de/ukraine-konflikt-lu ... 82450.html

Laut Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) liegt die Hauptfluchtursache jedoch in der gefährlichen Sicherheitslage begründet, die aus der Bürgerkriegssituation resultiert:

"The displaced cite security concerns, including the risk of being caught in crossfire, as the main reason for leaving their homes."

Neben diesem Hauptgrund listet der UNHCR-Bericht eine Reihe weiterer Gründe auf, die lediglich von "einigen" Flüchtlingen angegeben worden sind:

"Some People also expressed fears of persecution for their political views or ethnicity while others worried about forced recruitment by either side. Some talked about incidents of abduction, extortion and harassment in their neigbourhoods. Others cited damage to homes or infrastructure as well as lack of Services for fleeing."

Quelle: http://www.unhcr.org/53e0b3a59.html

Frau Virnichs Behauptung, fast ein Drittel - also sämtliche Flüchtlinge aus Donezk - seien aufgrund ihrer proukrainischen Haltung geflohen, entspricht nicht der Wahrheit und diente offenbar dazu, die von ihr zuvor dargestellte Bedrohung seitens der Separatisten auch zahlenmäßig zu" beweisen".

Frau Virnich ist aufgefordert, die Quellengrundlage für ihre Behauptung offen zu legen. Sollte sie dabei keine Quellen vorweisen können, die der Seriosität der Quellen des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) entsprechen, so sollte durch die Programmverantwortlichen der ARD eine zeitnahe Richtigstellung in den Tagesthemen erfolgen.

Nach § 8 NDR-S (1) ist der NDR ist in seinem Programm zur Wahrheit verpflichtet. Die Überprüfung der Zuverlässigkeit von Informationsquellen zur Wahrung einer hohen journalistischen Programmqualität ist nach § 8 (2) NDR-S zu garantieren.

Rundfunkstaatsvertrag
§ 10
Berichterstattung, Informationssendungen
(1)
Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Siemüssen unabhängig und sachlich sein.
Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. (…)

Zum Zwecke der Transparenz werden diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
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Maren
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Re: ARD - Tagesthemen Flucht aus Donezk

Beitrag von Maren »

Weiterleitung WDR
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Maren
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Re: ARD - Tagesthemen Flucht aus Donezk

Beitrag von Maren »

Antwort in Vertretung des Intendanten des WDR.
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Maren
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Antwort auf die Antwort - WDR - Tagesthemen Flucht aus Donezk

Beitrag von Maren »

Westdeutscher Rundfunk Köln
Intendanz
Frau Michel
Appellhofplatz 1
50667 Köln


Ihr Schreiben vom 26.11.2014


Sehr geehrte Frau Michel,

vielen Dank für Ihre Stellungnahme zu unserer Programmbeschwerde, den Beitrag „Ukraine-Konflikt“ in den ARD-Tagesthemen vom 24. September 2014 betreffend. http://www.tagesschau.de/multimedia/sen ... -3203.html

Ihren Ausführungen möchten wir wie folgt entgegnen:

1. Wir hatten kritisiert, dass Frau Virnich am 24. September 2014 die nachweisbar falsche, quantitativ untermauerte Tatsachenbehauptung verbreitet:

"Und so sind die meisten, die sich einen ukrainischen Staat wünschen, aus der selbsternannten Rebellenhochburg Donezk geflohen: fast ein Drittel der Bevölkerung"


Vorangegangen ist diesem Schlusssatz des Beitrags ein Interview mit "Irina", die Virnichs Behauptung, proukrainische Bewohner von Donezk würden von den Separatisten bedroht, beglaubigen sollte (ab Minute 8) und den Begründungszusammenhang für den von uns beanstandeten Schlusssatz bildet.

Ihre Argumentation fassen wir wie folgt zusammen: Eine Tatsachenbehauptung ist nur dann eine Tatsachenbehauptung, wenn sie sich auf belegbare Fakten stützt. Da sich Frau Virnich bei ihrer Angabe über nahezu ein Drittel politischer Flüchtlinge aber auf keine belegbaren Fakten gestützt hat (Anm. Publikumskonferenz: Quod erat demonstrandum), hat Frau Virnich auch keine falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern nur eine "Gesamteinschätzung" abgegeben.

Trotz Ihrer originellen Argumentation haben wir keinen Zweifel daran, dass Sie - als Volljuristin - in Wirklichkeit den eigentlichen Unterschied zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung ("Gesamteinschätzung") sehr gut kennen: Eine Tatsachenbehauptung ist eine Äußerung, die sich auf (und wenn nur theoretisch) überprüfbare, also dem Nachweis (etwa durch Dokumente, Zeugen, Sachverständige usw.) zugängliche Tatsachen bezieht. Sie kann bestätigt oder widerlegt werden. Eine Meinungsäußerung ist dagegen ("Gesamteinschätzung") eine subjektive, nicht überprüfbare Einschätzung.

Frau Virnich hat mit ihrer Darstellung, wonach fast ein Drittel der Donezker Bevölkerung aus politischen Gründen aus der Stadt geflohen sei, eindeutig eine Tatsachenbehauptung aufgestellt. Dass Frau Virnich diese nicht belegen kann und wir diese als faktenwidrig widerlegt haben, macht die falsche Tatsachenbehauptung selbstverständlich nicht zu einer Meinungsäußerung.
Im Übrigen wissen Sie als Volljuristin nur zu genau, dass selbst "Gesamteinschätzungen" der ARD-Korrespondenten der Wahrheits-und Sorgfaltspflicht unterliegen.

2. Wir haben nachgewiesen, dass Frau Virnichs Darstellung den Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats widerspricht, wonach der Hauptfluchtgrund die gefährliche Sicherheitslage ist, die aus der Bürgerkriegssituation resultiert. Nur die allerwenigsten Flüchtlinge haben laut UNHCR Donezk aus politischen Gründen verlassen.

(Gesamtzahl der Donezker Flüchtlinge im August 2014 ca. 200 000 von 1 Mio nach Schätzungen der örtlichen Behörden, Virnichs Aussage über die politisch motivierte Flucht bezieht sich also auf die unge-fähre Gesamtzahl der Donezker Flüchtlinge Ende September 2014)

http://www.unhcr.org/53e0b3a59.html
http://www.heute.de/ukraine-konflikt-lu ... 82450.html

Sie argumentieren dagegen völlig zusammenhangslos:

dass Geschäfte in Donezk nicht geöffnet haben,
dass das Geld fehlt, das Nötigste einzukaufen,
dass Renten nicht ausgezahlt werden,
dass zwei Frauen ihre Sichtweise schilderten,
dass die eine vor die Kamera tritt,
dass die andere sich nicht traut vor die Kamera zu treten usw.

3. Wir haben nachgewiesen, dass Frau Virnichs Aussage darüber, dass sämtliche (fast ein Drittel der Bevölkerung ausmachenden) Donezker Flüchtlinge aus politischen Gründen geflohen seien, falsch ist.

Sie "konzedieren" mit Ihrem Korrekturvorschlag, dass u.a. die Aussparung der von uns beanstandeten Angabe (ein Drittel politischer Flüchtlinge) in der Aussage von Frau Virnich "die bessere Wahl" gewesen wäre, und lehnen im Übrigen aber die Abhilfe der Beschwerde ab.

4. Wir haben Frau Virnich aufgefordert, ihre Darstellung anhand von Quellen zu belegen, die der Seriosität des UN-Flüchtlingskommissariats entsprechen.

Sie nennen "Irina".

Fazit: Die Argumentation des WDR ist ein beredtes Selbstzeugnis, das keiner weiteren Kommentierung unsererseits bedarf.

Wir halten an der Beschwerde fest und rufen den WDR-Rundfunkrat an. Wir bestehen weiterhin auf einer öffentlichen, journalistisch korrekten Richtigstellung.

Eine Kopie des Schreibens wird der Konferenz der Gremienvorsitzenden zugeschickt. Wir weisen daraufhin, dass unabhängig von der Weiterleitung unserer Beschwerde an den WDR die Behandlung der Beschwerde durch die ARD als die den Beitrag einbringende Sendeanstalt rechtlich vorgeschrieben ist.

Zum Zwecke der Transparenz wird dieser Schriftverkehr auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
Vorsitzende
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Re: ARD - Tagesthemen Flucht aus Donezk

Beitrag von Maren »

Zwischenbescheid Rundfunkrat
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RfR_Flucht aus Donezk.pdf
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Maren
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Re: ARD - Tagesthemen Flucht aus Donezk

Beitrag von Maren »

In seiner Sitzung am 23.01.2015 wurden folgende Programmbeschwerden vom Rundfunkrat des WDR, einstimmig und ohne Enthaltungen, abgewiesen:

- ARD - Brennpunkt - Syrien-Bomben gegen IS
- WDR - Falsches Bildmaterial II
- ARD - Tagesthemen Flucht aus Donezk
- ARD - Verharmlosung faschistischer Organisationen
- ARD - Falschinterpretation OSZE-Bericht
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WDR Rundfunkrat Ablehnung_5 Beschwerden.pdf
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