Stalingrad-Berichterstattung
Verfasst: 3. Februar 2018, 19:23
Stalingrad-Berichterstattung
https://www.tagesschau.de/ausland/russland-309.html
https://www.tagesschau.de/multimedia/vi ... 73245.html
Sehr geehrte Rundfunkräte,
Russland hat mit einer Militärparade in Wolgograd des Sieges der Roten Armee über Nazi-Deutschlands Truppen in Stalingrad gedacht. Gezeigt wurden Waffensysteme aus der Zeit ebenso wie moderne Waffen. Geehrt und beteiligt wurden Veteranen, erinnert wurde an die hunderttausende von Toten in der Schlacht um Stalingrad.
War es nicht einzig und allein eine Sache der Russen, wie und mit welchen Mitteln sie ihr Erinnern gestalteten?
Wäre es nicht eine Sache Deutschlands gewesen, an diesem Tag ebenfalls ein Gedenken zu zelebrieren, und zwar eines gemeinsam mit Russen und in Dankbarkeit dafür, dass sie unser Volk vom Nazismus befreiten?
Stattdessen setzte uns ARD-aktuell ein peinliches und beschämendes antirussisches Propagandastück vor. Nicht einmal angesichts der Erinnerung an hunderttausende von Deutschen hingemordetete Sowjetmenschen konnten deutsche journalistische Schandmäuler es unterlassen, moralisierend und abfällig zu verkünden, Russland habe den Sieg der Roten Armee vor 75 Jahren in "martialischer" und "pompöser“ Art gefeiert.
Und selbstverständlich musste auch bei dieser Gelegenheit wieder gegen Präsident Putin gestänkert werden: Er habe das Gedenken zur persönlichen Imageförderung und zur Förderung seiner Kandidatur bei den bevorstehenden Präsidentenwahlen genutzt.
Stand eine solch anmaßende Kritik ausgerechnet einem deutschen Sender zu, der sich hier wie ein moralhütendes Staats- und Propagandainstitut spreizte?
Um die verleumderische Zielsetzung des Internet-Beitrages zu tarnen, wurde das Ganze mit den Auslassungen eines Militärhistorikers (Sönke Neitzel) pseudowissenschaftlich verbrämt. Bei dieser Variante der Propaganda bedient man sich eines "opportunen Zeugen“ (Lutz M. Hagen), um die Legitimität des eigenen Standpunkts mittels Berufung auf eine Autorität zu unterstreichen. Wenn die Expertenauswahl interessengeleitet und alle Gegenpositionen ignorierend erfolgt, handelt es sich um reine Manipulation. Sie ist auch im hier angesprochenen Beitrag unübersehbar. Die ARD-Moderatorin gibt die Stichworte, und Neitzel liefert die Propagandaversatzstücke.
Neitzel, der gezielt Auserwählte: In einem Spiegelbeitrag hatte er sich bereits vor einigen Monaten als aggressiver Militarist geoutet, der darauf besteht, dass sich die Bundeswehr in die Traditionslinie der (auf „unseren Führer Hitler" eingeschworenen!) Wehrmacht stellt, weil sie, die Bundeswehr, ein „Instrument des Kampfes“ sein müsse. Man könne „Panzergrenadieren oder Fallschirmjägern“ doch „nicht lauter nicht kämpfende Vorbilder anbieten“. Sie „sollen kämpfen und töten können“ und könnten sich deshalb nicht auf „Traditionselemente“ beschränken, „die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entsprechen“.
Waren das die gedanklichen Fundamente der ARD-aktuell, sich über die russische Siegesparade moralisch zu erheben?
Die Bundeswehr sei „eine militärische Organisation und keine Außenstelle der Bundeszentrale für politische Bildung“, erklärt der Professor weiter. Zu dieser Ausrichtung passe es nicht, nur den Widerstand innerhalb der Wehrmacht als traditionsstiftend zu akzeptieren. Man könne „auch in einem totalen Krieg für ein verbrecherisches Regime vorbildlich handeln […], etwa in der Menschenführung oder als erfolgreicher Soldat wie [Helmut] Lent.“
Lent, den Neitzel hier rühmt, war Kommodore des Nachtjagdgeschwaders 3 und wurde von der Nazi-Propaganda als Kriegsheld stilisiert. Hermann Göring bezeichnete ihn bei seiner Grabrede als „Anhänger unserer nationalsozialistischen Weltanschauung“ und selbst das um Entlastung bemühte Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, dass es sich bei Lent um einen „karrierebewussten Luftwaffenoffizier“ gehandelt habe, „der sich weitgehend angepasst und systemkonform verhielt“.
Quelle: https://www.global-review.info/2017/07/ ... undeswehr/
Ideologen wie Neitzel, ausgerechnet, nutzt ARD-aktuell, um die Erinnerungskultur Russlands als verfehlt zu bekritteln und dem russischen Präsidenten zu unterstellen, er nutze die Gelegenheit wie einen "Ball vor dem leeren Tor“. Dabei, so hieß es, "ginge es überhaupt nicht um Geschichte, um die Grautöne, die Opfer, vielleicht zuviele Opfer damals?" "Es geht allein darum. Ein gutes Gefühl zu haben“.
Was für eine bösartige Unterstellung!
Standen einem regierungsfrommen deutschen Sender solche blasierten Belehrungen und Einschätzungen zu? Gehörte es in die Kategorie "journalistischer Anstand", bei diesem Anlass auch gleich noch die Millionenzahl an hingemordeten sowjetischen Bürgern anzuzweifeln und den Russen vorzuwerfen, sie hätten selbst seinerzeit Menschen geopfert? Da maßte sich ein Nachfahre des deutschen Völkermords an, den Russen falschen Umgang mit ihrer Geschichte vorzuwerfen...."soweit ist Russland noch nicht“. Unsäglich!
Aber wir sind soweit, Deutschland ist soweit? Wir, die Guten, die Besseren, wir haben bereits so viel kritische Distanz zu allem Militärischen, dass wir uns für die moralisch Höherwertigen halten und gerieren dürfen? Und das bei 26 laufenden Bundeswehr-Einsätzen im Ausland, darunter mindestens einem völkerrechtswidrigen? ARD-aktuell gibt einem solchen widerwärtigen und peinlich revanchistischen Gedröhne das Forum?
Der Beitrag auf tagesschau.de hatte nichts mit objektiver Berichterstattung zu tun. Er ist ein Pamphlet, Geschichtsklitterei, Ausdruck von Arroganz, Unbelehrbarkeit, Verachtung gegenüber Russland, Zeugnis deutschen Herrenmenschen-Denkens. Ohne Taktgefühl, ohne Einfühlungsvermögen, von mieser deutschnationaler Warte fabriziert und in jeder Hinsicht ungeeignet, zur Völkerverständigung beizutragen. Obwohl ein entsprechender Beitrag aus gegebenem Anlass besonders wichtig gewesen wäre.
Ähnlich gestrickt ist der Bericht unserer Russenspezialistin Birgit Virnich aus der Frontberichts-Zentrale des Moskauer ARD-Studios: Sie mokiert sich in ihrer Reportage ebenfalls über die Militärparade in Wolgograd. Auch sie sieht das Ganze als Reklame-Rummel für Präsident Putin.
An historischer Genauigkeit war sie offenbar ebensowenig interessiert wie an der Wahrung journalistischen Anstands: Sie redet vom "Angriff der Russen auf Stalingrad", obwohl damals auch andere Sowjet-Soldaten an den Kämpfen beteiligt und die Militäraktionen keine Angriffe, sondern Verteidigungshandlungen der Roten Armee waren. Simple Sprache, simples Denken...
Wie im Sönke-Interview gehören auch bei Virnich Qualifizierungen wie "martialisch" und "pompös" zum herabwürdigenden Sprachgebrauch. Dass der interviewte Journalist Swanidse die Auffassung vertritt, "je weiter der Krieg zurückliegt, desto pompöser werden die Paraden“ ist sein persönlicher Irrtum; zum Gedenken an den "Großen Vaterländischen Krieg" hat es schon viel größere Paraden als die hier in Rede stehende mit ihren nur 1500 Soldaten gegeben. Frau Virnich nutzt eine objektiv unzutreffende Einschätzung eines Parade-Kritikers – statt sie zu korrigieren – für den agitatorischen Zweck, der mit ihrem Beitrag verfolgt wird: runtermachen, das Ganze.
Zitat aus den Zuschauerkommentaren zu dem Beitrag: "Frau Virnich ...hat von den Empfindungen sowjetischer/russischer Menschen keine Ahnung! Das mag zwar unhöflich klingen, aber ... ich habe sowohl die Ruhmeshalle unter der "Mutter Heimat", als auch Yad Vashem besucht (dazu noch dass Blockadedemuseum in Sankt Petersburg). Nur wer beide (oder drei) Gedenkstätten 30 Minuten schweigend auf sich wirken läßt, gewinnt eine Winzigkeit Ahnung, was in russischen und auch israelischen Menschen wirkt. Vor allem, wenn man als Deutscher dort steht."
Und eine zweite Kommentierung: "Ich würde sagen: Es ist ein "nicht gewolltes" Einfühlungsvermögen.......an jeden Bericht wird ein westlich moralisierender Meinungsrattenschwanz angehangen".
Es sei hier zum Schluss noch ein besonderer Aspekt angesprochen, zu betiteln mit "Doppelstandard, Heuchelei": Wenn Frankreich am 14. Juli seinen Nationalfeiertag mit einer pompösen, martialischen Parade auf den Champs Elysee feiert, nehmen daran nicht nur mindestens dreimal soviele Soldaten aller Waffengattungen teil wie jetzt in Wolgograd, sondern die Staatsoberhäupter nutzen das Ereignis ganz selbstverständlich auch zur „Selbstinszenierung“, zuletzt die Präsidenten Macron und Trump. Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/paris- ... p-101.html
Repräsentanten Deutschlands sind übrigens in Paris auch immer mit von der militärischen Schauspiel-Partie, und die Bundeswehr stellt oft große Kontingente bei diesen Aufmärschen. Da aber hütet sich ARD-aktuell vor abfälligem Vokabular wie „pompös“ und „martialisch“. Da wahrt ARD-aktuell auf einmal den nötigen Respekt vor dem Anlass solcher militärischen Aufzüge: nationales Gedenken. Gniffkes Qualitätsverein hält sich ja sogar gegenüber den fraglos unappetitlichen „Großer-Zapfenstreich“-Getue mit seinen pseudoreligiösen Inszenierungen in Berlin mit Kritik zurück. („Helm ab! - zum Gebet!").
Kritische Distanz gegenüber allen militärischen Zurschaustellungen ist zwar grundsätzlich zu begrüßen. Der Anachronismus von Militärparaden darf und soll nach Möglichkeit angesprochen werden. Aber nicht jeder ist in jedem Fall dazu berufen. Und nicht immer ist es angebracht. Zudem hat solche Kritik immer bei der eigenen Adresse zu beginnen.
Die beiden Beiträge der ARD-aktuell waren eine journalistische Geschmacklosigkeit, von ahistorischem Sensibilitätsmangel geprägt, agitatorisch statt auf Information und auf Völkerverständigung ausgerichtet: mit Programmauftrag und Programmrichtlinien unvereinbar.
Mit freundlichen Grüßen
F. Klinkhammer, V. Bräutigam
https://www.tagesschau.de/ausland/russland-309.html
https://www.tagesschau.de/multimedia/vi ... 73245.html
Sehr geehrte Rundfunkräte,
Russland hat mit einer Militärparade in Wolgograd des Sieges der Roten Armee über Nazi-Deutschlands Truppen in Stalingrad gedacht. Gezeigt wurden Waffensysteme aus der Zeit ebenso wie moderne Waffen. Geehrt und beteiligt wurden Veteranen, erinnert wurde an die hunderttausende von Toten in der Schlacht um Stalingrad.
War es nicht einzig und allein eine Sache der Russen, wie und mit welchen Mitteln sie ihr Erinnern gestalteten?
Wäre es nicht eine Sache Deutschlands gewesen, an diesem Tag ebenfalls ein Gedenken zu zelebrieren, und zwar eines gemeinsam mit Russen und in Dankbarkeit dafür, dass sie unser Volk vom Nazismus befreiten?
Stattdessen setzte uns ARD-aktuell ein peinliches und beschämendes antirussisches Propagandastück vor. Nicht einmal angesichts der Erinnerung an hunderttausende von Deutschen hingemordetete Sowjetmenschen konnten deutsche journalistische Schandmäuler es unterlassen, moralisierend und abfällig zu verkünden, Russland habe den Sieg der Roten Armee vor 75 Jahren in "martialischer" und "pompöser“ Art gefeiert.
Und selbstverständlich musste auch bei dieser Gelegenheit wieder gegen Präsident Putin gestänkert werden: Er habe das Gedenken zur persönlichen Imageförderung und zur Förderung seiner Kandidatur bei den bevorstehenden Präsidentenwahlen genutzt.
Stand eine solch anmaßende Kritik ausgerechnet einem deutschen Sender zu, der sich hier wie ein moralhütendes Staats- und Propagandainstitut spreizte?
Um die verleumderische Zielsetzung des Internet-Beitrages zu tarnen, wurde das Ganze mit den Auslassungen eines Militärhistorikers (Sönke Neitzel) pseudowissenschaftlich verbrämt. Bei dieser Variante der Propaganda bedient man sich eines "opportunen Zeugen“ (Lutz M. Hagen), um die Legitimität des eigenen Standpunkts mittels Berufung auf eine Autorität zu unterstreichen. Wenn die Expertenauswahl interessengeleitet und alle Gegenpositionen ignorierend erfolgt, handelt es sich um reine Manipulation. Sie ist auch im hier angesprochenen Beitrag unübersehbar. Die ARD-Moderatorin gibt die Stichworte, und Neitzel liefert die Propagandaversatzstücke.
Neitzel, der gezielt Auserwählte: In einem Spiegelbeitrag hatte er sich bereits vor einigen Monaten als aggressiver Militarist geoutet, der darauf besteht, dass sich die Bundeswehr in die Traditionslinie der (auf „unseren Führer Hitler" eingeschworenen!) Wehrmacht stellt, weil sie, die Bundeswehr, ein „Instrument des Kampfes“ sein müsse. Man könne „Panzergrenadieren oder Fallschirmjägern“ doch „nicht lauter nicht kämpfende Vorbilder anbieten“. Sie „sollen kämpfen und töten können“ und könnten sich deshalb nicht auf „Traditionselemente“ beschränken, „die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entsprechen“.
Waren das die gedanklichen Fundamente der ARD-aktuell, sich über die russische Siegesparade moralisch zu erheben?
Die Bundeswehr sei „eine militärische Organisation und keine Außenstelle der Bundeszentrale für politische Bildung“, erklärt der Professor weiter. Zu dieser Ausrichtung passe es nicht, nur den Widerstand innerhalb der Wehrmacht als traditionsstiftend zu akzeptieren. Man könne „auch in einem totalen Krieg für ein verbrecherisches Regime vorbildlich handeln […], etwa in der Menschenführung oder als erfolgreicher Soldat wie [Helmut] Lent.“
Lent, den Neitzel hier rühmt, war Kommodore des Nachtjagdgeschwaders 3 und wurde von der Nazi-Propaganda als Kriegsheld stilisiert. Hermann Göring bezeichnete ihn bei seiner Grabrede als „Anhänger unserer nationalsozialistischen Weltanschauung“ und selbst das um Entlastung bemühte Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, dass es sich bei Lent um einen „karrierebewussten Luftwaffenoffizier“ gehandelt habe, „der sich weitgehend angepasst und systemkonform verhielt“.
Quelle: https://www.global-review.info/2017/07/ ... undeswehr/
Ideologen wie Neitzel, ausgerechnet, nutzt ARD-aktuell, um die Erinnerungskultur Russlands als verfehlt zu bekritteln und dem russischen Präsidenten zu unterstellen, er nutze die Gelegenheit wie einen "Ball vor dem leeren Tor“. Dabei, so hieß es, "ginge es überhaupt nicht um Geschichte, um die Grautöne, die Opfer, vielleicht zuviele Opfer damals?" "Es geht allein darum. Ein gutes Gefühl zu haben“.
Was für eine bösartige Unterstellung!
Standen einem regierungsfrommen deutschen Sender solche blasierten Belehrungen und Einschätzungen zu? Gehörte es in die Kategorie "journalistischer Anstand", bei diesem Anlass auch gleich noch die Millionenzahl an hingemordeten sowjetischen Bürgern anzuzweifeln und den Russen vorzuwerfen, sie hätten selbst seinerzeit Menschen geopfert? Da maßte sich ein Nachfahre des deutschen Völkermords an, den Russen falschen Umgang mit ihrer Geschichte vorzuwerfen...."soweit ist Russland noch nicht“. Unsäglich!
Aber wir sind soweit, Deutschland ist soweit? Wir, die Guten, die Besseren, wir haben bereits so viel kritische Distanz zu allem Militärischen, dass wir uns für die moralisch Höherwertigen halten und gerieren dürfen? Und das bei 26 laufenden Bundeswehr-Einsätzen im Ausland, darunter mindestens einem völkerrechtswidrigen? ARD-aktuell gibt einem solchen widerwärtigen und peinlich revanchistischen Gedröhne das Forum?
Der Beitrag auf tagesschau.de hatte nichts mit objektiver Berichterstattung zu tun. Er ist ein Pamphlet, Geschichtsklitterei, Ausdruck von Arroganz, Unbelehrbarkeit, Verachtung gegenüber Russland, Zeugnis deutschen Herrenmenschen-Denkens. Ohne Taktgefühl, ohne Einfühlungsvermögen, von mieser deutschnationaler Warte fabriziert und in jeder Hinsicht ungeeignet, zur Völkerverständigung beizutragen. Obwohl ein entsprechender Beitrag aus gegebenem Anlass besonders wichtig gewesen wäre.
Ähnlich gestrickt ist der Bericht unserer Russenspezialistin Birgit Virnich aus der Frontberichts-Zentrale des Moskauer ARD-Studios: Sie mokiert sich in ihrer Reportage ebenfalls über die Militärparade in Wolgograd. Auch sie sieht das Ganze als Reklame-Rummel für Präsident Putin.
An historischer Genauigkeit war sie offenbar ebensowenig interessiert wie an der Wahrung journalistischen Anstands: Sie redet vom "Angriff der Russen auf Stalingrad", obwohl damals auch andere Sowjet-Soldaten an den Kämpfen beteiligt und die Militäraktionen keine Angriffe, sondern Verteidigungshandlungen der Roten Armee waren. Simple Sprache, simples Denken...
Wie im Sönke-Interview gehören auch bei Virnich Qualifizierungen wie "martialisch" und "pompös" zum herabwürdigenden Sprachgebrauch. Dass der interviewte Journalist Swanidse die Auffassung vertritt, "je weiter der Krieg zurückliegt, desto pompöser werden die Paraden“ ist sein persönlicher Irrtum; zum Gedenken an den "Großen Vaterländischen Krieg" hat es schon viel größere Paraden als die hier in Rede stehende mit ihren nur 1500 Soldaten gegeben. Frau Virnich nutzt eine objektiv unzutreffende Einschätzung eines Parade-Kritikers – statt sie zu korrigieren – für den agitatorischen Zweck, der mit ihrem Beitrag verfolgt wird: runtermachen, das Ganze.
Zitat aus den Zuschauerkommentaren zu dem Beitrag: "Frau Virnich ...hat von den Empfindungen sowjetischer/russischer Menschen keine Ahnung! Das mag zwar unhöflich klingen, aber ... ich habe sowohl die Ruhmeshalle unter der "Mutter Heimat", als auch Yad Vashem besucht (dazu noch dass Blockadedemuseum in Sankt Petersburg). Nur wer beide (oder drei) Gedenkstätten 30 Minuten schweigend auf sich wirken läßt, gewinnt eine Winzigkeit Ahnung, was in russischen und auch israelischen Menschen wirkt. Vor allem, wenn man als Deutscher dort steht."
Und eine zweite Kommentierung: "Ich würde sagen: Es ist ein "nicht gewolltes" Einfühlungsvermögen.......an jeden Bericht wird ein westlich moralisierender Meinungsrattenschwanz angehangen".
Es sei hier zum Schluss noch ein besonderer Aspekt angesprochen, zu betiteln mit "Doppelstandard, Heuchelei": Wenn Frankreich am 14. Juli seinen Nationalfeiertag mit einer pompösen, martialischen Parade auf den Champs Elysee feiert, nehmen daran nicht nur mindestens dreimal soviele Soldaten aller Waffengattungen teil wie jetzt in Wolgograd, sondern die Staatsoberhäupter nutzen das Ereignis ganz selbstverständlich auch zur „Selbstinszenierung“, zuletzt die Präsidenten Macron und Trump. Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/paris- ... p-101.html
Repräsentanten Deutschlands sind übrigens in Paris auch immer mit von der militärischen Schauspiel-Partie, und die Bundeswehr stellt oft große Kontingente bei diesen Aufmärschen. Da aber hütet sich ARD-aktuell vor abfälligem Vokabular wie „pompös“ und „martialisch“. Da wahrt ARD-aktuell auf einmal den nötigen Respekt vor dem Anlass solcher militärischen Aufzüge: nationales Gedenken. Gniffkes Qualitätsverein hält sich ja sogar gegenüber den fraglos unappetitlichen „Großer-Zapfenstreich“-Getue mit seinen pseudoreligiösen Inszenierungen in Berlin mit Kritik zurück. („Helm ab! - zum Gebet!").
Kritische Distanz gegenüber allen militärischen Zurschaustellungen ist zwar grundsätzlich zu begrüßen. Der Anachronismus von Militärparaden darf und soll nach Möglichkeit angesprochen werden. Aber nicht jeder ist in jedem Fall dazu berufen. Und nicht immer ist es angebracht. Zudem hat solche Kritik immer bei der eigenen Adresse zu beginnen.
Die beiden Beiträge der ARD-aktuell waren eine journalistische Geschmacklosigkeit, von ahistorischem Sensibilitätsmangel geprägt, agitatorisch statt auf Information und auf Völkerverständigung ausgerichtet: mit Programmauftrag und Programmrichtlinien unvereinbar.
Mit freundlichen Grüßen
F. Klinkhammer, V. Bräutigam