Systematische Irreführung über den Krieg gegen Jemen

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Maren
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Systematische Irreführung über den Krieg gegen Jemen

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Systematische Irreführung über den Krieg gegen Jemen

Sehr geehrter Herr Intendant Marmor,

„Im Bürgerkriegsland Jemen breitet sich die Cholera immer stärker aus [...]“

So sieht infame Desinformation über das Geschehen auf der arabischen Halbinsel aus. Und genau so beginnt am 21. Mai 17 auch die „Tagesschau“-Hauptausgabe ihren verfälschenden Bericht über einen Krieg, der schon seit Jahren kein „Bürgerkrieg“ mehr ist, sondern blutiger Terror, mit dem das reiche Saudi-Arabien und seine Alliierten, militärisch unterstützt von den USA und Großbritannien, seit Jahr und Tag den Jemen überziehen, eines der ärmsten Länder der Welt. Ein weiterer Bruch des Völkerrechts, und zudem begehen diese Länder beinahe tagtäglich schlimmste Kriegsverbrechen, indem sie zivile Ziele bombardieren und bereits zehntausende Tote zu verantworten haben. Weiter heißt es in dem skandalösen Tagesschau-Angebot aus der Giftküche für transatlantischen Propaganda:

„[...] Seit 2015 haben sich die Auseinandersetzungen in dem Land verschärft. Vom Iran unterstützte Huthi-Rebellen kämpfen gegen die Regierung. Die wiederum erhält Unterstützung von Seiten Saudi-Arabiens. [...]“

„Schuldige“ also vor allem die Houthi und der Iran? Der Iran hat zwar wiederholt versucht, humanitäre Hilfe in den Jemen zu liefern, die Aktionen scheiterten jedoch zumeist an der Blockade der Saudis und ihrer kriegsverbrecherischen Verbündeten. Glaubwürdige Hinweise auf ein militärisches Engagement des Iran im Jemen gibt es hingegen nicht. Selbst in der proamerikanischen Wikipedia ist dergleichen nicht zu finden. Die transatlantisch getrimmte „Stiftung Wissenschaft und Politik“, SWP, die regierungsnahe deutsche „Denkfabrik“, stellt ein militärisches Engagement des Iran im Jemen sogar ausdrücklich in Abrede.

Hingegen bombardiert die US-gestützte saudische Koalition seit Monaten die Infrastruktur des Landes wie Wasser- und Stromversorgung, Brücken, Schulen, Krankenhäuser und Lebensmittelmärkte. Sie ist der zentrale Verursacher der Cholera-Katastrophe, die den Jemen nunmehr heimsucht. Nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes IKRK sind bereits mehr als 11 000 Menschen an der Seuche erkrankt, mehr als tausend schon gestorben, vor allem Kinder und Jugendliche.

Über die Verbrechen am jemenitischen Volk und das resultierende Elend hat sich ARD-aktuell entgegen seiner Informationspflichten monatelang fast vollständig in Schweigen gehüllt, nicht weniger schändlich als die Kanzlerin Merkel und ihre Regierung.

Sorgfältig vermeidet die widerwärtige Melange aus Regierungspolitik und Tagesschau-Qualitätsjournalismus aktuelle und präzise Informationen über Hintergründe, Interessenlagen und Beteiligte an diesem Krieg. Dass es um geostrategische Interessen am Persischen Golf und im Arabischen Meer geht, die Saudis hier für ein Kriegsabenteuer im Iran üben, den nun offenbar auch US-Präsident Trump voranzutreiben gedenkt (und bereits mit Drohnenbombardements auf jemenitische Ziele vorbereiten hilft) – findet in den „Nachrichten“ der Tagesschau keine Erwähnung. Systematische Irreführung ist auch, dass die indirekte deutsche Beteiligung (Waffenlieferungen an die Saudis, Bündnispolitik mit diesem Despotenstaat) und die Doppelmoral der Bundesregierung seitens ARD-aktuell verständnisinnig ignoriert werden.

Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer
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Maren
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Re: Systematische Irreführung über den Krieg gegen Jemen

Beitrag von Maren »

Von: l.marmor@ndr.de
Betreff: Ihre E-Mail

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

in Ihrer E-Mail 25. Mai 2017 kritisieren Sie erneut die Jemen-Berichterstattung von ARD-aktuell.

Ich habe die verantwortliche Redaktion gebeten, zu Ihrer Kritik Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme finden Sie im Anhang.
Stellungnahme_Cholera_geschwärzt.pdf
(4.45 MiB) 924-mal heruntergeladen
Aus meiner Sicht liegt kein Verstoß gegen die Programmgrundsätze des NDR oder sonstige Vorschriften vor. Durch die Übersendung dieser Stellungnahme bringe ich dies zum Ausdruck.

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Marmor

Intendant des Norddeutschen Rundfunks
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
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Maren
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Re: Systematische Irreführung über den Krieg gegen Jemen

Beitrag von Maren »

PB vom 25.5.17 - Jemen

Sehr geehrte Rundfunkräte,

dass Dr. Gniffke sich auf regierungsamtliche Mitteilungen und auf andere Mainstreammedien beruft, zeigt seinen Mangel an Distanz zu den gebotenen Informationen, seine fehlende Bereitschaft, zu objektivieren. Es demonstriert fehlenden Willen, eigenständige journalistische Verantwortung zu tragen. Eine solche Denk- und Verhaltensweise kontrastiert zu den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Gestützt auf eine sichere und vorbildliche gesamtgesellschaftliche Finanzierung soll er eigenständige und unabhängige Information über alle wesentlichen Lebensbereiche garantieren. Eine hohe Zielsetzung, basierend auf existenziellem Privileg. Dank Funktionsträgern wie Intendant Marmor und Chefredakteur Dr. Gniffke wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk weder seinem Privileg noch seiner Zielsetzung gerecht.

Im vorliegenden Beschwerdefall behaupten Intendant und Chefredakteur übereinstimmend und wahrheitswidrig, die Tagesschau sei ausführlich auf die Situation im Jemen eingegangen. Beide lügen. ARD-aktuell hat nicht einmal über schwerste Kriegsverbrechen wie die Bombardierung eines Marktplatzes mit weit über 100 Toten berichtet und auch nicht über die Rolle und die Interessenlagen der Kriegskoalition unter Beteiligung Saudi-Arabiens und der USA. Dass die beiden NDR-Manager nicht einmal das Offenkundige eingestehen können, passt ins Bild, das immer mehr Menschen in der Öffentlichkeit über sie haben.

Auf den letzten Absatz unserer Beschwerde geht Gniffke überhaupt nicht ein. Seine Stellungnahme ist wie immer unbrauchbar, entlarvend und entbehrlich. Uns stellt ein dermaßen simpler Versuch, sich aus der Affäre herauszulügen, natürlich nicht zufrieden. Wir sehen unsere Beschwerde nicht widerlegt und beziehen uns hier ausdrücklich noch einmal auf unser Schreiben vom 25.5.17.

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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Re: Systematische Irreführung über den Krieg gegen Jemen

Beitrag von Maren »

Von: gremienbuero-beschwerden@ndr.de
Betreff: Ihre Anregung vom 25.05.2017 / Ihre E-Mail vom 08.06.2017

Sehr geehrter Herr Klinkhammer, sehr geehrter Herr Bräutigam,

auf Ihre Anregung, die Sie direkt an Herrn Marmor adressiert hatten, ist Herr Dr. Gniffke in seiner Stellungnahme vom 06.06.2017 eingegangen.

Sie monierten im vorliegenden Fall, dass über ein von Ihnen für wichtig erachtetes Thema bzw. über bestimmte Aspekte nicht berichtet worden sei. § 13 NDR Staatsvertrag unterscheidet zwischen Anregungen und Beschwerden. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Anregung, dass ARD-aktuell sich mit dem von Ihnen genannten Thema hätte befassen bzw. bestimmte Aspekte hätte nennen sollen. Der Rundfunkrat ist nicht befugt, in die Programmgestaltung des NDR einzugreifen oder auf die auf Basis anerkannter journalistischer Grundsätze getroffene Themenwahl Einfluss zu nehmen. Nach § 18 Absatz 2 des NDR-Staatsvertrages kann der Rundfunkrat nur solche Beiträge und Beitrags-Inhalte im Wege einer Beschwerde überprüfen, die bereits gesendet oder veröffentlicht wurden, da zum einen eine Kontrolle des Programms vor der Ausstrahlung nicht zulässig ist und zum anderen die tatsächlichen Inhalte Gegenstand der Programmkontrolle sind.

Aus diesem Grund wird sich der NDR Rundfunkrat nicht mit Ihrem Anliegen befassen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günter Hörmann
Vorsitzender NDR Rundfunkrat

_____________________________
NORDDEUTSCHER RUNDFUNK
Gremienbüro

Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Tel. (040) 4156-3506
Fax (040) 4156-3452
E-Mail: gremienbuero-beschwerden@ndr.de
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Re: Systematische Irreführung über den Krieg gegen Jemen

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Rundfunkräte,

Ihre Betrachtungs- und Vorgehensweise widerspricht, wie in allen vergleichbaren Fällen, den formalen Vorgaben, die der NDR-Staatsvertrag sowie die GO des Rundfunkrates für die Behandlung von Eingaben (§13 NDR Staatsvertrag) setzen. Es bleibt abzuwarten, wie das Verwaltungsgericht Hamburg unsere diesbezügliche Klage bescheidet.

Zum Inhalt: Die Ausführungen sind nicht geeignet, unsere Beschwerde zu entkräften. Wie in der China- Ukraine- und Russlandlandberichterstattung ist auch in der Jemen-Berichterstattung eine Manipulationsmethode erkennbar, die der Publizist Prof. Teusch so beschreibt:

"Jedes Medium ist angesichts des gigantischen Nachrichtenangebotes gezwungen, eine kleine, oft winzig kleine Auswahl zu treffen. Die Frage ist, wie und nach welchen Kriterien diese Auswahl vorgenommen wird. Und da ist...im Mainstream...Folgendes zu beobachten: Erstens werden Nachrichten in ganz bestimmter Weise gewichtet. Zweitens werden Nachrichten gezielt unterdrückt. Drittens werden Nachrichten in tendenziöser Weise bewertet, das heisst es wird mit zweierlei Maß gemessen, es gibt "Doppelstandards“. Alle drei Aspekte hängen eng zusammen und verstärken sich wechselseitig. Wenn sie auf bestimmten Themenfeldern lange genug und mit ausreichender Intensität wirken, entstehen dominante Narrative, also große journalistische Erzählungen oder Deutungsmuster, in die dann alle neu einlaufenden Informationen eingeordnet werden können – oder eben auch nicht, so sie denn nicht ins Narrativ passen".

Das Narrativ heisst in diesem Fall: Weil die USA und Saudi-Arabien unsere Freunde sind, ist ihre Intervention im Jemen grundsätzlich gut, ganz gleich, was dort tatsächlich passiert. Geschieht etwas für das Ansehen der westlichen Freunde Abträgliches, hält ARD-aktuell sich Augen und Ohren zu. Danach hat sich auch iim beklagten Fall die Nachrichtenauswahl gerichtet. Dass das gegen Geist und Buchstaben des Staatsvertrags verstößt, ist unbestreitbar. Sie und Ihr „Publikumsservice“ mögen das leugnen so lange Sie wollen. Dadurch wir aus einer Manipulation keine saubere Informationsgestaltung.

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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