Fake-News: "Russische Pflegedienste"

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Maren
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Fake-News: "Russische Pflegedienste"

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Fake-News: "Russische Pflegedienste"

TS 30.5.2017, 20:00

Sehr geehrter Intendant Marmor,

wieder einmal zeigten die Qualitätsjournalisten der ARD-aktuell, unsere wahren Fake-News-Experten, den bekannten russophoben Beissreflex. In der Hauptausgabe der Tagesschau am 30.5.2017 berichteten sie über die Betrugsmafia in den Pflegediensten.

"Es geht dabei um 230 überwiegend russische Dienste, die ein bundesweites Betrugsnetz aufgebaut haben. Der Schaden der Kassen belaufe sich auf viele Millionen Euro."

In diesem kurzen Absatz gleich zwei Fake-News. Es handelt sich nicht nur – wie hier gar zu oberflächlich formuliert - um viele Millionen, sondern um mindestens eine Milliarde Euro Betrugsschaden, also um eine gänzlich andere Dimension. Falsch ist vor allem jedoch die Behauptung, es handele sich um "überwiegend russische Dienste".

Die Polizei meldete "russisch-sprachige" Täter, das ist etwas ganz Anderes. Zu ihnen können. Ukrainer, Kasachen, Russen und Auslandsdeutsche nach Art. 116 GG gehören. Die polizeiamtliche Begrifflichkeit hierfür: Russisch-Eurasisch Organisierte Kriminalität (REOK). Es geht um Netzwerke, die von Personen dominiert werden, die in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion geboren wurden oder von Personen, die sich "aufgrund ihrer Kultur, Geschichte, Sprache, Traditionen oder Vorfahren als Angehörige einer Volksgruppe eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion betrachten".

Die polizeiliche Formulierung "russischsprachige Dienste" ist eine problematische Verkürzung, da sie geeignet ist, antirussische Diffamierungen auszulösen, vergleichbar der xenophoben Sprachregelung bei den NSU-Ermittlungen: "Döner-Morde".

Die Redakteure bei ARD-aktuell warfen dann ja auch alle Verdächtigen in einen "Russentopf". Sie erwähnen nicht Menschen unterschiedlichster nationaler Herkunft als Verdächtige, sondern behaupten einfach einen "russischen Pflegedienst". Es ging diesen Qualtitätsjournalisten offensichtlich wieder nur um die Befolgung ihrer russophoben Redaktionslinie. Putin und die Russen stehen für alles Böse dieser Welt. Die Bestärkung dieses Vorurteils mittels Fake-News hatte Vorrang vor den Tatsachen: Der größte Teil der als betrügerisch verdächtigten Betreiber stammt nach Angaben der Polizei aus der Ukraine und eben nicht aus Russland.

Die falsche und verzerrende Berichterstattung ist mit den Programmrichtlinien unvereinbar.

Sie nicht zu korrigieren, ist ein Zeichen dafür, dass eine vorsätzliche Diffamierung vorlag.

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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Maren
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Re: Fake-News: "Russische Pflegedienste"

Beitrag von Maren »

Von: a.beyer@ndr.de
Betreff: Ihre E-Mail

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

in Ihrer E-Mail vom 9. Juni 2017 kritisieren Sie erneut die Berichterstattung von ARD-aktuell.

Ich habe die verantwortliche Redaktion gebeten, Ihre Kritikpunkte zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme finden Sie im Anhang.
russ. Pflegedienste_geschwärzt.pdf
(1.2 MiB) 855-mal heruntergeladen
Aus meiner Sicht liegt kein Verstoß gegen die Programmgrundsätze des NDR oder sonstige Vorschriften vor. Durch die Übersendung dieser Stellungnahme bringe ich dies zum Ausdruck.

Mit freundlichen Grüßen


Dr. Arno Beyer
Stv. Intendant
______________________________

NDR Stellvertretende Intendanz
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Maren
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Re: Fake-News: "Russische Pflegedienste"

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Rundfunkräte,

die vorgelegte Stellungnahme zur Programmbeschwerde vom 9.6.2017 ist unzureichend.

Der stellvertretende Chefredakteur versucht den Eindruck zu erwecken, als sei in den Nachrichten nicht von "russischen" Pflegediensten geredet worden. Aus den von uns beanstandeten Formulierungen in der TS-Hauptausgabe um 20.00 Uhr ergibt sich aber das Gegenteil.

Zur Frage der Schadenssumme: Auch hier werden Nebelkerzen geworfen. Obwohl die Zahl in den Tagesthemen vom gleichen Abend mit "über einer Milliarde" genannt wurde, versucht ARD-aktuell sich nun im Nachhinein mit anderen Zahlen herauszureden. Was soll das?

Dass bei Behörden xenophobes Denken und Vokabular im Schwange sind, hat sich schon bei den NSU-Ermittlungen gezeigt. Dass ARD-aktuell sich daran orientiert und die Behördenformulierung "russischsprachige Pflegedienste" unkritisch übernimmt, zeigt erneut die fehlende Distanz und den Mangel an journalistischer bzw. sprachlicher Professionalität. Dass in der Folgeberichterstattung über Betrugsfälle dann korrekt von "Pflegediensten aus Osteuropa" die Rede war (so beim Prozess in Düsseldorf), entlastet ARD-aktuell im beklagten Fall nicht.

Was zusätzlich in der Berichterstattung unangenehm auffiel: das Interview mit Minister Gröhe. ARD-aktuell in Mikrofonhinalte-Pose ließ Gröhe seinen Rechtfertigungssenf vortragen, ohne dass auch nur eine einzige kritische Frage zur Verantwortung der Bundesregierung gestellt wurde. Dabei hätte die Bundestagdrucksache vom 29.6.2016 auf die Kleine Anfrage der "Linken" hierzu genug Ansatzpunkte geliefert.

Die hohe Anzahl der Beiträge (wie immer im fast wörtlichen Gleichklang mit allen Mainstreammedien) am 30.5.17 bei ARD-aktuell (im Vergleich zur Vorjahresberichterstattung) legt den Schluss nahe, dass es neben Problemen mit der Pflegeversicherung insbesondere um den antirussischen Propaganda-Flow ging. Die Russen haben nicht nur gefährliche "Machthaber", autoritäre Anwandlungen, bedrohliche Waffenarsenale, stellen zu Festtagen Panzertorten her, jetzt haben sie auch noch Pflegedienste, die deutsche Versicherungskassen plündern.

Wir bleiben bei unserem Vorwurf des Verstoßes gegen die Programmrichtlinien.

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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Re: Fake-News: "Russische Pflegedienste"

Beitrag von Maren »

Von: gremienbuero-beschwerden@ndr.de
Betreff: Ihre Programmbeschwerde vom 09.06.2017 / Ihr Schreiben vom 22.10.2017

Ihre Programmbeschwerde vom 09.06.2017 über die Meldung der "Tagesschau" um 20 Uhr vom 30.05.2017 zum Betrug bei Pflegediensten

Sehr geehrter Herr Klinkhammer, sehr geehrter Herr Bräutigam,

die o.g. Beschwerde habe ich an den Programmausschuss des Rundfunkrates mit der Bitte um Beratung überwiesen.

Der Programmausschuss wird sich in einer seiner Sitzungen mit Ihrem Anliegen befassen.
Die abschließende Beratung erfolgt voraussichtlich in der darauffolgenden Sitzung des Rundfunkrates.

Über das Ergebnis der Beratungen werde ich Sie unterrichten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günter Hörmann
Vorsitzender NDR Rundfunkrat
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NORDDEUTSCHER RUNDFUNK
Gremienbüro
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20149 Hamburg
Tel. (040) 4156-3506
Fax (040) 4156-3452
E-Mail: gremienbuero@ndr.de
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