Babij Jar

Gesperrt
Benutzeravatar
Maren
Beiträge: 7137
Registriert: 31. Januar 2014, 21:01
Wohnort: Bonn
Kontaktdaten:

Babij Jar

Beitrag von Maren »

Babij Jar

http://www.tagesschau.de/ausland/kiew-g ... k-101.html

Werte Rundfunkräte, werter Intendant,

laut Programmrichtlinien des Rundfunkstaatsvertrages ist der NDR verpflichtet, umfassend und objektiv über wichtige Ereignisse zu berichten, und zwar so, dass dem Publikum eine Einordnung der Nachricht ermöglicht wird. Dieser Voraussetzungen werden in der Tagesschauberichterstattung nicht erfüllt.

Im Tagesschau-Beitrag über das Massaker in Babij Jar war Gaucks Redebeitrag in einer wichtigen Sequenz zutreffend wiedergegeben worden. Völlig "daneben" waren dann aber die Ausführungen der Reporterin: Gaucks Auftritt sei eine "starke Geste" gewesen. "Erstmals wird somit im Rahmen der europäischen Familie des Massakers von Babij Jar gedacht als Teil der europäischen Geschichte".

Es war keine "starke Geste", sondern eine selbstverständliche Pflicht des deutschen Bundespräsidenten, zum 75. Mord-Jahrestag den Ort deutscher Barbarei an sowjetischen Juden aufzusuchen. Die von ARD-aktuell gewählte Sprache verrät die altbekannte Neigung deutscher Medienberichterstattung, beim Umgang mit deutschen Nazi-Verbrechen zu marginalisieren, indem zum Beispiel, wie im kritisierten Fall, ein selbstverständliches Bekenntnis zu deutscher Schuld und normale Geste des Anstands als "stark" überhöht wird. Das Massaker als "Teil der europäischen Geschichte" zu bewerten, ist an Dreistigkeit und Geschichtsklitterei kaum noch zu toppen, es ist eine Verhöhnung aller europäischen Opfer, die der deutschen Vernichtungsmaschinerie preisgegeben waren.

Zu beanstanden ist auch, dass mit keinem Wort auf die aktuellen faschistischen Tendenzen in der ukrainischen Gesellschaft eingegangen wurde. Im April d. J. hatten wir darauf hingewiesen, dass der ukrainische Parlamentspräsident Andrij Parubij ein berüchtigter ukrainischer Rechtsradikaler ist. Dass er zur Kiew-Entourage von Präsident Gauck gehörte, fand in der Berichterstattung keinerlei Erwähnung. Das zeigt, wie ungenügend und oberflächlich der von Berlin verordnete, exportverbessernde deutsche "Antifaschismus" in deutschen Redaktionstuben tatsächlich praktiziert wird.

Bezeichnend dafür auch: Selbst, als in den Tagesschau-Foren Zuschauer darauf hinwiesen, dass in Kiew eine Straße nach dem ukrainischen Nazi-Kollaborateur Bandera benannt ist und dies auch hätte berichtet werden müssen, reagierte ARD-aktuell nicht. Ein Zeichen dafür, dass die Beschreibung der aktuellen rechtsextremistischen und faschistischen Tendenzen in der Ukraine unerwünscht ist und absichtlich vermieden wird.

Auch andere Informationen fehlten: Der israelische Präsident Reuven Rivlin hatte am 28.9.16 im ukrainischen Parlament eine Rede gehalten und daran erinnert, dass etwa 1,5 Millionen Juden auf dem Territorium der heutigen Ukraine getötet worden seien. Dabei seien viele Ukrainer Mithelfer der Nazis gewesen, und zwar vor allem OUN-Kämpfer. Die Vizevorsitzende der Obersten Rada, Irina Geraschtschenko, nannte Rivlins Äußerungen unangebracht. Der Parlamentsabgeordnete Oleg Ljaschko verlangte von Rivlin gar eine Entschuldigung für seine Äußerung, unter den Ukrainern hätte es viele Nazi-Mithelfer gegeben.

Dass ARD-aktuell erneut über die besorgniserregenden rechtsextremen und faschistischen Strukturen und Tendenzen der Ukraine schweigt und wichtige Informationen sogar bei einem so wichtigen Erinnerungstag wie Babij Jar unterdrückt, passt zum Konzept des "Flaggschiffs". Bezogen auf Deutschland und deutsche Verhältnisse tut man so, als sei man gegen Rechtsextremismus. Beim Blick auf die Ukraine sind Schweigen und Verharmlosung angesagt. Eine Heuchelei, die in den Programmrichtlinien nicht vorgesehen ist.

F. Klinkhammer und V. Bräutigam
Benutzeravatar
Maren
Beiträge: 7137
Registriert: 31. Januar 2014, 21:01
Wohnort: Bonn
Kontaktdaten:

Re: Babij Jar

Beitrag von Maren »

Gesendet: Dienstag, 11. Oktober 2016 um 16:17 Uhr
Von: Rundfunkrat <rundfunkrat@wdr.de>

Betreff: Ihr Schreiben vom 30. September 2016

Sehr geehrter Herr Klinkhammer, sehr geehrter Herr Bräutigam

Ihr Schreiben vom 30. September 2016 an den Rundfunkrat und die Intendanz des NDR wurde an die Geschäftsstelle des WDR-Rundfunkrats weitergeleitet. Die Vorsitzende des NDR-Rundfunkrats hat Ihnen mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 bereits mitgeteilt, dass die Verantwortung für den von Ihnen kritisierten Beitrag auf tagesschau.de beim WDR liegt.

Sie schreiben, dass Sie in diesem Beitrag zum Gedenken an den Massenmord von Babyn Jar einen Verstoß gegen die (NDR-)Programmrichtlinien sehen. Ob eine „förmliche Programmbeschwerde“ nach § 10 Abs. 2 WDR-Gesetz vorliegt, prüft, wie Sie aus vorheriger Korrespondenz wissen, in erster Instanz der Intendant des WDR.

Ich habe Ihr Schreiben deshalb an den Intendanten, Herrn Tom Buhrow, weitergeleitet und bitte Sie um etwas Geduld bis zu seiner Stellungnahme, ob mit Ihrem Schreiben die Bedingungen für eine förmliche Programmbeschwerde gegeben sind.

Freundliche Grüße

Ruth Hieronymi
Benutzeravatar
Maren
Beiträge: 7137
Registriert: 31. Januar 2014, 21:01
Wohnort: Bonn
Kontaktdaten:

Re: Babij Jar

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Frau Hieronymi,

besten Dank für Ihre Nachricht. Wir bitten Sie, darauf zu achten, dass die Beschwerde zwei Komplexe umfasst: Einmal geht es um den Virnich-Beitrag selbst und einmal darum, dass ARD-aktuell wichtige Informationen zum Jahrestag des deutschen Verbrechens unterdrückt hat (Gaucks faschistische Entourage und die Haltung der Rada). Nach unserer Auffassung fällt der zweite Komplex zweifelsfrei in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Hamburger Redaktion ARD-aktuell.


Mit freundlichen Grüßen

F.Klinkhammer und V. Bräutigam
Benutzeravatar
Maren
Beiträge: 7137
Registriert: 31. Januar 2014, 21:01
Wohnort: Bonn
Kontaktdaten:

Re: Babij Jar

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Babyn Jar - WDR-Stellungnahme vom 9.12.16

Sehr geehrte Damen und Herren des WDR-Rundfunkrates,

Wir beziehen uns auf die Stellungnahme des WDR vom 9.12.2017. Dort heisst es:

"Doch auch mit Bezug auf die Teilnahme Herrn Gaucks an der eigentlichen Gedenkveranstaltung ist die Einordung von Frau Virnich legitim. In diesem Jahr nahm auf deutscher Seite mit Bundespräsident Joachim Gauck erstmals ein so ranghoher Politiker aus Deutschland am Festakt von Babyn Jar teil. Es mag aus Ihrer Sicht eine „selbstverständliche Pflicht des deutschen Bundespräsidenten"sein. Doch selbst dann ist die Einordnung als „starke Geste", diese eingeforderte Pflicht in diesem Jahr und zum 75. Jahrestag des Massakers nunmehr erbracht zu haben, nicht zu beanstanden."

Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass es völlig unangemessen war, Gaucks Auftritt als "starke Geste" zu bezeichnen, zumal er duldete und sich nicht widersetzte, den berüchtigten ukrainischen Rechtsradikalen Andrij Parubij auf der Veranstaltung an seiner Seite zu haben. Der Nazi-Opfer zu gedenken und sich zugleich mit einem Faschisten ablichten zu lassen, ist alles andere als eine "starke Geste". Davon abgesehen bleiben wir dabei: Dass ein deutscher Politiker erstmals nach 75 Jahren an einer Gedenkveranstaltung in Babyn Jar teilnimmt, ist eine selbstverständliche Pflicht und seit Jahrzehnten überfällig. Es ist beschämend, dass sie gegenüber Ukrainern und Russen in der Ukraine bisher nicht gezeigt wurde.

Von "starker Geste" zu reden, zeigt die übliche Überhöhung politischer Selbstverständlichkeiten; Frau Virnich nimmt in typisch deutscher, arroganter Selbstgefälligigkeit und ohne Gespür für den historischen Kontext daruf Bezug.

Falsch ist es auch, Babyn Jar als Teil der europäischen Geschichte zu bezeichnen. Babyn Jar war ausschließlich ein deutsches Verbrechen, das mit Europa allenfalls geografische Aspekte gemeinsam hat. Europa im Zusammenhang mit dem Verbrechen zu erwähnen, ist eine unzulässige und verantwortungslose Marginalisierung deutscher Barberei in der damaligen Sowjetunion.

Wegen der weiteren Begründung beziehen wir uns auf die Ausführungen in unserer Programmbeschwerde. Wir bitten nunmehr um Erörterung in Ihrem Gremium

http://www.rationalgalerie.de/schmock/a ... e-ich.html

F. Klinkhammer und V. Bräutigam
Benutzeravatar
Maren
Beiträge: 7137
Registriert: 31. Januar 2014, 21:01
Wohnort: Bonn
Kontaktdaten:

Re: Babij Jar

Beitrag von Maren »

Von: Rundfunkrat <rundfunkrat@wdr.de>
Betreff: Endbescheid zu Ihrer Programmbeschwerde

Sehr geehrter Herr Klinkhammer, sehr geehrter Herr Bräutigam,

im Anhang erhalten Sie den Endbescheid von Herrn Meyer-Lauber zu Ihrer Programmbeschwerde zu dem Beitrag von Birgit Virnich „Gedenken zum 75. Jahrestag des Massakers von Babyn Jar“ in der ‚Tagesschau‘ vom 29. September 2016.
PB Babyn_Jar_Endbescheid_geschwärzt.pdf
(2.25 MiB) 777-mal heruntergeladen

Freundliche Grüße

Westdeutscher Rundfunk
Geschäftsstelle des Rundfunkrats

Appellhofplatz 1
50667 Köln

Telefon: +49 (0)221 220 5600
Telefax: +49 (0)221 220-2762
rundfunkrat@wdr.de

http://www.wdr-rundfunkrat.de
Gesperrt

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Bing [Bot] und 4 Gäste