DRadio - Das Geschichtsbild des Kreml
Verfasst: 24. November 2014, 14:52
Deutschlandradio
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Intendant Dr. Willi Steul
Raderberggürtel 40
50968 Köln
Programmbeschwerde
Sehr geehrter Herr Dr. Steul,
hiermit erheben wir, die Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e. V., formal Programmbeschwerde gegen die grob verfälschende und sachlich verzerrende Darstellung der historischen Sichtweise des russischen Präsidenten innerhalb der Berichterstattung Ihres Senders.
Im Beitrag „Das Geschichtsbild des Kreml: Putin verteidigt Hitler-Stalin Pakt und Teilung Polens“ vom 7.11.2014 http://www.deutschlandfunk.de/das-gesch ... _id=302596
heißt es u. a.:
„Der "Hitler-Stalin-Pakt" von 1939 war in Ordnung, findet der russische Präsident Wladimir Putin. Und Polen sei letztlich selbst verantwortlich gewesen für die Teilung des Landes zwischen NS-Deutschland und der Sowjetunion. Das sind einige der Ansichten, die Putin jetzt bei einem Treffen mit jungen russischen Historikern und Lehrern vertreten hat.“
Diese Deutung, die Sie durch aus dem Kontext gerissene Zitate zu untermauern versuchen, werden den Ausführungen Wladimir Putins auf seinem Treffen mit russischen Historikern vom 05.11.2014 sachlich in keiner Weise gerecht.
Original: Meeting with young academics and history teachers http://eng.kremlin.ru/transcripts/23185
Bereits der Inhalt der in Ihrem Beitrag zitierten Textpassagen zeigt auf, dass er mitnichten von der moralischen Richtigkeit des zwischen Molotow und Ribbentrop abgeschlossenen Paktes spricht, noch diese Entscheidung als eine darstellt, der eine adäquate politische Beurteilung der Aggression Nazi-Deutschlands durch Stalin zugrunde liegt, sondern lediglich darlegt, dass die Überlegungen Stalins hinter einem Nichtangriffspakt mit Deutschland analog zu den Motivationen und Überlegungen zu bewerten sind, die gleichfalls andere nationale Spieler zu diesem Zeitpunkt zur Zurückhaltung in der militärischen Konfrontation mit Nazideutschland bewogen haben.
Hierbei verweist er vor allem auf die desolate militärische Ausstattung der Roten Armee, die eine militärische Konfrontation zwischen beiden Ländern zu einer aussichtslosen Sache für Russland hätte erscheinen lassen.
Wenn Sie im Anschluss an das isolierte Zitat schreiben: „Die These, der von den Außenministern Molotow und von Ribbentrop ausgehandelte Pakt sei letztlich nur eine nötige Finte der Sowjetunion gewesen, wird durchaus auch von Historikern im Westen geteilt“, dann stellt bereits das Wort „Finte“ hier eine schiefe Bewertung statt, da dieser Schritt zuvor als Agieren aus einer Notsituation Sowjetrusslands dargestellt wurde.
Noch stärker verzerrend aber wirkt die Aussage:
„Putin hat sich ebenfalls schon mehrfach in diesem Sinn geäußert, früher aber auch von einem moralischen Fehler gesprochen und Bedauern ausgedrückt“, da hier gezielt der Eindruck eines präsidialen Geschichtsrevisionismus gestreut werden soll, von dem sich in den Ausführungen aber nichts findet. Vollends zu einer ungeheuren Unterstellung gerät jedoch der nun folgende Satz, der auch noch fälschlich durch die Setzung von Anführungsstrichen als Zitat präsentiert wird:
Umstrittener ist eine andere Äußerung, die der Präsident in dem Gespräch machte.
"Polen selbst an Teilung schuld"
Hier gipfelt Ihr Beitrag in übler Nachrede. Dieser als Zitat markierte Satz kommt in den Äußerungen des russischen Präsidenten an keiner Stelle vor. Denn die nun auch von Ihnen zitierten Zeilen enthalten keine historischen Interpretationen Putins, sondern nennen schlichtweg unumstrittene historische Fakten:
"There are still arguments about the Molotov-Ribbentrop pact, and the Soviet Union is blamed for dividing Poland. But what did Poland itself do, when the Germans invaded Czechoslovakia? It took part of Czechoslovakia. It did this itself. And then, in turn, the same thing happened to Poland".
Der in Ihrem Beitrag erweckte Eindruck, hier äußere sich russische Häme gegenüber Polen, zerstreut sich umgehend bei Berücksichtigung des von Ihnen sorgfältig ausgesparten Kontexts der Gesamtäußerungen, die nämlich eine Antwort auf die Frage eines jungen russischen Historikers nach der unvorteilhaften Darstellung des russischen Anteils am 2. Weltkrieg in westlichen Publikationen darstellt. In diesem Kontext sind die Ausführungen nämlich als durchgängig defensiv zu bewerten, da in ihnen lediglich dargestellt wird, dass die russische Führung ebenso wie alle anderen nationalen Regierungen auch (respektive die britische und die polnische) vermeiden wollte, frühzeitig in der vollen Wucht einer kriegerischen Konfrontation zu stehen, der sie befürchtete, nicht gewachsen zu sein.
Die verzerrte Darstellung dieses im Gesamtverlauf des Gesprächs unschwer zu erkennenden Zusammenhangs widerspricht dem Neutralitätsgebot eines öffentlich-rechtlichen Senders. Besonders bedenklich ist, wenn diese grobe Unsachlichkeit einem Sender widerfährt, der als deutscher Auslandssender jenes Land repräsentiert, das nicht nur Osteuropa, sondern auch Russland gegenüber die schuldhafte Verantwortung für den brutalsten und durch die ihm zugrundeliegenden rassistischen Konzeptionen tödlichsten Angriffskrieges der Weltgeschichte trägt.
Zum Zwecke der Transparenz werden wir diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Maren Müller
Vorsitzende
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Intendant Dr. Willi Steul
Raderberggürtel 40
50968 Köln
Programmbeschwerde
Sehr geehrter Herr Dr. Steul,
hiermit erheben wir, die Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e. V., formal Programmbeschwerde gegen die grob verfälschende und sachlich verzerrende Darstellung der historischen Sichtweise des russischen Präsidenten innerhalb der Berichterstattung Ihres Senders.
Im Beitrag „Das Geschichtsbild des Kreml: Putin verteidigt Hitler-Stalin Pakt und Teilung Polens“ vom 7.11.2014 http://www.deutschlandfunk.de/das-gesch ... _id=302596
heißt es u. a.:
„Der "Hitler-Stalin-Pakt" von 1939 war in Ordnung, findet der russische Präsident Wladimir Putin. Und Polen sei letztlich selbst verantwortlich gewesen für die Teilung des Landes zwischen NS-Deutschland und der Sowjetunion. Das sind einige der Ansichten, die Putin jetzt bei einem Treffen mit jungen russischen Historikern und Lehrern vertreten hat.“
Diese Deutung, die Sie durch aus dem Kontext gerissene Zitate zu untermauern versuchen, werden den Ausführungen Wladimir Putins auf seinem Treffen mit russischen Historikern vom 05.11.2014 sachlich in keiner Weise gerecht.
Original: Meeting with young academics and history teachers http://eng.kremlin.ru/transcripts/23185
Bereits der Inhalt der in Ihrem Beitrag zitierten Textpassagen zeigt auf, dass er mitnichten von der moralischen Richtigkeit des zwischen Molotow und Ribbentrop abgeschlossenen Paktes spricht, noch diese Entscheidung als eine darstellt, der eine adäquate politische Beurteilung der Aggression Nazi-Deutschlands durch Stalin zugrunde liegt, sondern lediglich darlegt, dass die Überlegungen Stalins hinter einem Nichtangriffspakt mit Deutschland analog zu den Motivationen und Überlegungen zu bewerten sind, die gleichfalls andere nationale Spieler zu diesem Zeitpunkt zur Zurückhaltung in der militärischen Konfrontation mit Nazideutschland bewogen haben.
Hierbei verweist er vor allem auf die desolate militärische Ausstattung der Roten Armee, die eine militärische Konfrontation zwischen beiden Ländern zu einer aussichtslosen Sache für Russland hätte erscheinen lassen.
Wenn Sie im Anschluss an das isolierte Zitat schreiben: „Die These, der von den Außenministern Molotow und von Ribbentrop ausgehandelte Pakt sei letztlich nur eine nötige Finte der Sowjetunion gewesen, wird durchaus auch von Historikern im Westen geteilt“, dann stellt bereits das Wort „Finte“ hier eine schiefe Bewertung statt, da dieser Schritt zuvor als Agieren aus einer Notsituation Sowjetrusslands dargestellt wurde.
Noch stärker verzerrend aber wirkt die Aussage:
„Putin hat sich ebenfalls schon mehrfach in diesem Sinn geäußert, früher aber auch von einem moralischen Fehler gesprochen und Bedauern ausgedrückt“, da hier gezielt der Eindruck eines präsidialen Geschichtsrevisionismus gestreut werden soll, von dem sich in den Ausführungen aber nichts findet. Vollends zu einer ungeheuren Unterstellung gerät jedoch der nun folgende Satz, der auch noch fälschlich durch die Setzung von Anführungsstrichen als Zitat präsentiert wird:
Umstrittener ist eine andere Äußerung, die der Präsident in dem Gespräch machte.
"Polen selbst an Teilung schuld"
Hier gipfelt Ihr Beitrag in übler Nachrede. Dieser als Zitat markierte Satz kommt in den Äußerungen des russischen Präsidenten an keiner Stelle vor. Denn die nun auch von Ihnen zitierten Zeilen enthalten keine historischen Interpretationen Putins, sondern nennen schlichtweg unumstrittene historische Fakten:
"There are still arguments about the Molotov-Ribbentrop pact, and the Soviet Union is blamed for dividing Poland. But what did Poland itself do, when the Germans invaded Czechoslovakia? It took part of Czechoslovakia. It did this itself. And then, in turn, the same thing happened to Poland".
Der in Ihrem Beitrag erweckte Eindruck, hier äußere sich russische Häme gegenüber Polen, zerstreut sich umgehend bei Berücksichtigung des von Ihnen sorgfältig ausgesparten Kontexts der Gesamtäußerungen, die nämlich eine Antwort auf die Frage eines jungen russischen Historikers nach der unvorteilhaften Darstellung des russischen Anteils am 2. Weltkrieg in westlichen Publikationen darstellt. In diesem Kontext sind die Ausführungen nämlich als durchgängig defensiv zu bewerten, da in ihnen lediglich dargestellt wird, dass die russische Führung ebenso wie alle anderen nationalen Regierungen auch (respektive die britische und die polnische) vermeiden wollte, frühzeitig in der vollen Wucht einer kriegerischen Konfrontation zu stehen, der sie befürchtete, nicht gewachsen zu sein.
Die verzerrte Darstellung dieses im Gesamtverlauf des Gesprächs unschwer zu erkennenden Zusammenhangs widerspricht dem Neutralitätsgebot eines öffentlich-rechtlichen Senders. Besonders bedenklich ist, wenn diese grobe Unsachlichkeit einem Sender widerfährt, der als deutscher Auslandssender jenes Land repräsentiert, das nicht nur Osteuropa, sondern auch Russland gegenüber die schuldhafte Verantwortung für den brutalsten und durch die ihm zugrundeliegenden rassistischen Konzeptionen tödlichsten Angriffskrieges der Weltgeschichte trägt.
Zum Zwecke der Transparenz werden wir diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Maren Müller
Vorsitzende