"Die Tagesschau ist zum Propagandasender verkommen“
Verfasst: 12. November 2024, 16:08
Mit Kritik am ÖRR halten sich Klinkhammer und Bräutigam nicht zurück. Ihre Auseinandersetzung mit der Tagesschau zeigt den Abgrund des öffentlich-rechtlichen Nachrichtenjournalismus. Im NachDenkSeiten-Interview verdeutlichen Bräutigam und Klinkhammer, wie „politische Meinungsmache“ und „publizistischer Machtmissbrauch“ aussehen. Ihr Fazit: „Der real existierende öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht reformierbar.“ Das Interview führte Marcus Klöckner
Marcus Klöckner: Herr Klinkhammer, Herr Bräutigam, Sie haben sich gerade auf 240 Seiten mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) auseinandergesetzt. Nach der Lektüre Ihres Buches ist der Eindruck: Wir leisten uns für viel Geld einen Rundfunk, der in weiten Teilen einen katastrophalen Journalismus abliefert. Würden Sie bitte kurz zum Einstieg in das Interview zusammenfassend die Schwachstellen ansprechen?
Bräutigam: Wenn‘s denn nur Schwachstellen wären! Aber wir haben über Selbstzensur zu reden, über politische Meinungsmache, selbstherrlichen publizistischen Machtmissbrauch, bewusste Falschinformation. Höflich, aber nachdrücklich erinnere ich daran: Der Gesetzgeber hat die Kernaufgabe des Rundfunks und Fernsehens bestimmt und diesbezüglich keinerlei Spielraum gelassen: „Freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung garantieren. Der Meinungsvielfalt verpflichtet sein“. Rundfunk und Fernsehen haben, ich zitiere, „… Nachrichten vor ihrer Verbreitung … auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen“ und beispielsweise die Pflicht, „der Verständigung unter den Völkern zu dienen“.
Gegen diesen Auftrag verstößt der öffentlich-rechtliche Rundfunk nachhaltig. Das Informationsangebot der Gebührensender ARD, ZDF und Deutschlandradio, speziell die Nachrichtensendungen, ist nicht vielfältig, nicht auf Wahrheit und Herkunft geprüft. Es handelt sich also nicht nur um „Schwachstellen“. Wir müssen von Nachrichten-Unterschlagung und demokratieschädigendem Infotainment-Gift sprechen. Zu den Risiken und Nebenwirkungen des Tagesschau-Konsums gehört, dass man davon Pickel kriegt – und ‘nen dicken Hals.
Schon ein Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt, bei welchen Themen Ihre Kritik angebracht wird. Da geht es unter anderem um Russland, China und Armut in Deutschland. Und Sie sprechen auch die fehlende Distanz zu den Mächtigen an. Beginnen wir doch damit. Abstand zu denen „da oben“, das heißt: kein Journalismus, der sich in ideologische Komplizenschaft verstrickt – das ist elementar für einen glaubwürdigen Journalismus. Wie sieht das nun im ÖRR aus?
Klinkhammer: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gesetzlich verpflichtet, politische Öffentlichkeit herzustellen, das heißt: Er muss die Politik der Parteien nach außen vermitteln. Er dient damit den Parteien und profitiert dabei auch selbst, solange die Parteien die Rahmenbedingungen für seine weitere Existenz verteidigen – eine Symbiose, nützlich für beide Seiten. Daraus entsteht eine Komplizenschaft, geprägt von gegenseitiger Rücksichtnahme: „Ihr sichert uns die Existenzgrundlage als Sendeanstalten, und wir tun Euch journalistisch nicht weh.“ Lange ist es her, dass die parteipolitischen Meinungsführer offen gegen kritische Beiträge in Funk und Fernsehen („Rotfunk“) zu Felde zogen. Kritik an gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen ist im Wesentlichen Vergangenheit, heute ist Anpassung die Regel. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die ihm ursprünglich zugedachte Funktion als Kontrollorgan der Gesellschaft gegenüber ihrer Staatsführung, die Funktion der „Vierten Gewalt“, faktisch aufgegeben. Stattdessen ist Anpassung angesagt …
Weiterlesen: https://www.nachdenkseiten.de/?p=124272
Marcus Klöckner: Herr Klinkhammer, Herr Bräutigam, Sie haben sich gerade auf 240 Seiten mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) auseinandergesetzt. Nach der Lektüre Ihres Buches ist der Eindruck: Wir leisten uns für viel Geld einen Rundfunk, der in weiten Teilen einen katastrophalen Journalismus abliefert. Würden Sie bitte kurz zum Einstieg in das Interview zusammenfassend die Schwachstellen ansprechen?
Bräutigam: Wenn‘s denn nur Schwachstellen wären! Aber wir haben über Selbstzensur zu reden, über politische Meinungsmache, selbstherrlichen publizistischen Machtmissbrauch, bewusste Falschinformation. Höflich, aber nachdrücklich erinnere ich daran: Der Gesetzgeber hat die Kernaufgabe des Rundfunks und Fernsehens bestimmt und diesbezüglich keinerlei Spielraum gelassen: „Freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung garantieren. Der Meinungsvielfalt verpflichtet sein“. Rundfunk und Fernsehen haben, ich zitiere, „… Nachrichten vor ihrer Verbreitung … auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen“ und beispielsweise die Pflicht, „der Verständigung unter den Völkern zu dienen“.
Gegen diesen Auftrag verstößt der öffentlich-rechtliche Rundfunk nachhaltig. Das Informationsangebot der Gebührensender ARD, ZDF und Deutschlandradio, speziell die Nachrichtensendungen, ist nicht vielfältig, nicht auf Wahrheit und Herkunft geprüft. Es handelt sich also nicht nur um „Schwachstellen“. Wir müssen von Nachrichten-Unterschlagung und demokratieschädigendem Infotainment-Gift sprechen. Zu den Risiken und Nebenwirkungen des Tagesschau-Konsums gehört, dass man davon Pickel kriegt – und ‘nen dicken Hals.
Schon ein Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt, bei welchen Themen Ihre Kritik angebracht wird. Da geht es unter anderem um Russland, China und Armut in Deutschland. Und Sie sprechen auch die fehlende Distanz zu den Mächtigen an. Beginnen wir doch damit. Abstand zu denen „da oben“, das heißt: kein Journalismus, der sich in ideologische Komplizenschaft verstrickt – das ist elementar für einen glaubwürdigen Journalismus. Wie sieht das nun im ÖRR aus?
Klinkhammer: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gesetzlich verpflichtet, politische Öffentlichkeit herzustellen, das heißt: Er muss die Politik der Parteien nach außen vermitteln. Er dient damit den Parteien und profitiert dabei auch selbst, solange die Parteien die Rahmenbedingungen für seine weitere Existenz verteidigen – eine Symbiose, nützlich für beide Seiten. Daraus entsteht eine Komplizenschaft, geprägt von gegenseitiger Rücksichtnahme: „Ihr sichert uns die Existenzgrundlage als Sendeanstalten, und wir tun Euch journalistisch nicht weh.“ Lange ist es her, dass die parteipolitischen Meinungsführer offen gegen kritische Beiträge in Funk und Fernsehen („Rotfunk“) zu Felde zogen. Kritik an gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen ist im Wesentlichen Vergangenheit, heute ist Anpassung die Regel. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die ihm ursprünglich zugedachte Funktion als Kontrollorgan der Gesellschaft gegenüber ihrer Staatsführung, die Funktion der „Vierten Gewalt“, faktisch aufgegeben. Stattdessen ist Anpassung angesagt …
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