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„Der Russe kommt! Der Russe kommt!“

Verfasst: 14. Juli 2025, 10:09
von Maren
Ein Kommentar von Benjamin Kradolfer:

Diesen Ruf hörte ich (Jg. 1959) die ersten 30 Jahre meines Lebens unentwegt, die Spatzen pfiffen ihn in 1000 Variationen von den Dächern. Analog dazu bekamen meine gleichaltrigen Freunde in Moskau dauernd zu hören: „Der Ami kommt! Der Ami kommt!“ Unter diesem Geschrei drohte der Kalte Krieg jederzeit ein heisser zu werden. Dann kam Gorbatschow, und siehe da: der Russe kam nicht – er ging! 1000 km zog sich die Rote Armee aus Europa zurück, und der Warschauer Pakt löste sich auf. Aber statt dass nun die Spatzen den Frieden von den Dächern pfiffen, hörte ich die zweiten 30 Jahre meines Lebens unentwegt die Warnrufe vor immer neuen Hitlers, die unbedingt bekriegt werden mussten: Milosevic! Bin Laden! Saddam! Gaddafi! etc. etc. zwitscherte es von den Dächern, während für Iwan, Nadeschda und Wassili der Ami tatsächlich kam: Mit seiner ganzen NATO rückte er fast die ganzen 1000 km, die der Russe sich zurückgezogen hatte, auf Moskau vor.

Dann kam Putin und sagte: „Aber nicht bis in die Ukraine!“ – und seither löffeln uns Politspatzen wie Macron und Merz wieder andauernd die alte, abgestandene Suppe ein: „Der Russe kommt! Der Russe kommt!“, und ich frage mich verdutzt: Sind meine Moskauer Freunde und ich tatsächlich alle über sechzig Jahre alt geworden, nur um während der dritten 30 Jahre unserer Leben wieder dauernd von Einpeitschern der gleichen Sorte wie in den ersten versichert zu bekommen, dass wir nicht Freunde seien, sondern eine Bedrohung, gegen die nur der Krieg hilft?