ZDF - Börsenexpertin zu Putins Bürgersprechstunde

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Maren
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ZDF - Börsenexpertin zu Putins Bürgersprechstunde

Beitrag von Maren »

ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN
Intendanz
Herrn Bellut
ZDF-Straße 1
55100 Mainz


Programmbeschwerde


Sehr geehrter Herr Bellut,

hiermit erheben wir, die Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien, formal Programmbeschwerde wegen Desinformation und Falschaussagen innerhalb der Nachrichtensendung heute-journal vom 16.04.2015.
Konkret richtet sich unsere Beschwerde gegen den Beitrag „Putins Bürgersprechstunde“ und den sich unmittelbar daran anschließenden Kommentar der Börsenexpertin Valerie Haller.

Claus Kleber thematisierte ab Minute 18:40 "Putins Bürgersprechstunde" mit gewohnt wertender Attitüde. So habe die Regie unter die größtenteils linientreue Veranstaltung auch kritische Fragen, vor allem zur Wirtschaft, gemischt.
Der Vollständigkeit halber hätte Kleber erwähnen können, dass für die insgesamt vier Stunden „Bürgersprechstunde“ Fragen aus über drei Millionen Telefonanfragen/SMS ausgewählt wurden.

So war auch die einzige, von Kleber thematisierte, „kritische“ Frage bestens dazu geeignet, das Nachrichtenjournal heute in die gewohnt „linientreue“ russlandkritische Richtung zu lenken.

Putins optimistische Einschätzung, dass sich sowohl Wirtschaft als auch Währung erhole, war für Claus Kleber Anlass die Börsenexpertin des ZDF, Valerie Haller zu befragen, ob die Hochstimmung Putins berechtigt sei.

Kleber:
„Da hat er doch einen Punkt, oder nicht?“
Expertin Haller:
„Nein, hat er nicht.“
Der Einschätzung der Börsenexpertin Haller nach werde der Rubel nur stärker, weil die Lage sich beruhigt hätte und nicht weil Besserung eingetreten wäre. So sähe es „ziemlich düster“ aus, steigende Arbeitslosigkeit, die Inflation sehr hoch und Putin habe keine Antwort auf die Kreditklemme.

Die Börsenexpertin Haller schaffte es damit, innerhalb ihres 70-sekündigen Kommentars, gleich mehrere Desinformationen, Falschaussagen und Auslassungen unterzubringen.

1. Steigende Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit lag zuletzt bei 5,9 Prozent, im Euroraum ist sie wesentlich höher.
Die Erwähnung der exakten Arbeitslosenquote durch Frau Haller hätte aus dem Kommentar eine Information gemacht.

2. Keine Besserung der Lage eingetreten

Die Inflation war mit 16,9 Prozent im März zwar hoch, jedoch war dies eine direkte Folge der massiven Rubel-Abwertung bis Ende Januar. Aufgrund der Aufwertung des Rubels von über 30 Prozent gegenüber Euro und Dollar ist absehbar, dass die Teuerungsrate bald deutlich zurückgehen wird. Seit Jahresanfang habe der Rubel zum Dollar knapp 16 Prozent zugelegt, zum Euro sogar 31 Prozent. Keine andere Währung der Welt habe sich 2015 besser entwickelt. An jedem der vergangenen sieben Tage habe der Rubel zum Dollar ein Prozent oder mehr zugelegt und innerhalb der letzten vier Wochen habe die Devise gegenüber der Weltleitwährung 16,5 Prozent an Wert gewonnen. Das sei die intensivste Monatsrallye seit 1998, berichtet die WELT am 10.04.2015.

Dass keine Besserung der Lage eingetreten sei, ist damit eine falsche und dazu unbelegte Behauptung.

3. Keine Antwort auf die Kreditklemme

„Der Kreml kommt wieder günstig an Geld heran, die Devisenreserven stabilisieren sich.“
Der Analyst Chris Weafer wird zitiert, dass er schon länger Zweifel am im Westen prognostizierten finanziellen Ruin Russlands angemeldet habe. Insbesondere die vorausgesagten Firmenpleiten seien ausgeblieben.

4. Die Krise habe sich beschleunigt durch die Sanktionen. (…) Das spüren vor allem russische Unternehmen, die abhängig seien von westlichen Krediten (…)

Die für ein seriöses Nachrichtenformat unzulässige Häme angesichts der fremdbestimmten wirtschaftlichen Lage, in der sich sowohl Russland als auch diverse Wirtschaftspartner befinden, verstört insbesondere wegen der Auswirkung auf die eigene Wirtschaft und den damit verbundenen Auftrags-, Gewinn- und Arbeitsplatzverlusten.

Ausgewählte Beispiele:

Chemieindustrie: Exportanteil nach Russland: 3,3 Prozent (5,2 Milliarden Euro)
Agrarwirtschaft: Exportanteil nach Russland: 2,8 Prozent (1,5 Milliarden Euro)
Pharmaindustrie: Exportanteil nach Russland: 3,4 Prozent (2,1 Milliarden Euro
Autoindustrie: Exportanteil nach Russland: 4,0 Prozent (7,6 Milliarden Euro)
Maschinenbau: Exportanteil nach Russland: 5,3 Prozent (7,8 Milliarden Euro)
Informationstechnologie: Exportanteil nach Russland: 3,5 Prozent (1,03 Millionen Euro)
Bauwirtschaft: Exportanteil nach Russland: 0,2 Prozent (55 Millionen Euro)
Banken, Versicherungen: Exportanteil nach Russland: ca. 1 Prozent (16,8 Milliarden Euro)

Quelle: Managermagazin


Drei mögliche Szenarien zur Erklärung der tendenziösen Analyse wären denkbar:

Gesetzt dem Fall, Valerie Haller war aufgrund ihrer Ausbildung und langjährigen Tätigkeit informiert über die thematisierten Sachverhalte, so ist von einer bewussten Täuschung des Publikums auszugehen.

War Frau Haller über die entsprechenden Hintergrundinformationen aus den Bereichen Aktien, Börse und Wirtschaft nicht im Bilde, so wäre dieser Programmplatz fehlbesetzt.

Verbreitet Frau Haller in einem öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformat lediglich die subjektive Sicht „westlicher“ Kapitalmärkte, wie Herr Kleber in seiner Abmoderation verkündete, dann ist mit dieser Art Information ein klarer Verstoß gegen Programmgrundsätze zu konstatieren.

Die Trennung von Meinungen und Informationen soll zudem für das Publikum eine gewisse Transparenz herstellen. Eine Vermischung von Nachricht und meinungsorientierter Darstellungsweisen ist innerhalb öffentlich-rechtlicher Medienanstalten durch klare Regelungen ausgeschlossen.

§ 6 Berichterstattung

(1) Die Berichterstattung soll umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich sein. Herkunft und Inhalt der zur Veröffentlichung bestimmten Berichte sind sorgfältig zu prüfen.

(2) Nachrichten und Kommentare sind zu trennen; Kommentare sind als persönliche Stellungnahme zu kennzeichnen.

Wir erwarten, insbesondere von den in den Hauptnachrichten des ZDF agierenden Sprechern und Korrespondenten, dass künftig auf wertende und herabwürdigende Phrasen verzichtet wird. Das Publikum ist - ganz im Sinne des gesetzlichen Grundversorgungsauftrages - durchaus willens und in der Lage, sich anhand objektiv vorgetragener Nachrichten eine Meinung zu bilden und eigene Schlüsse zu ziehen.

Die umfassenden Möglichkeiten, die mündigen Rezipienten zur Überprüfung der dargebotenen Informationen zur Verfügung stehen, sollten bei der Planung und Inszenierung von Nachrichten hinreichend berücksichtigt werden.


Zum Zwecke der Transparenz werden diese Beschwerde und weiterführenden Schriftverkehr zum Thema auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
Vorsitzende
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Maren
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Re: ZDF - Börsenexpertin zu Putins Bürgersprechstunde

Beitrag von Maren »

Antwort vom Intendanten des ZDF auf unsere Programmbeschwerde.
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Maren
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Re: ZDF - Börsenexpertin zu Putins Bürgersprechstunde

Beitrag von Maren »

ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN
Gremiengeschäftsstelle/Fernsehrat
Herrn Polenz
ZDF-Straße 1
55100 Mainz


Unsere Programmbeschwerde vom 18.04.2015 - ZDF - Börsenexpertin zu Putins Bürgersprechstunde

Sehr geehrte Damen und Herren Fernsehräte,
sehr geehrter Herr Polenz,

der Intendant des ZDF, Herr Bellut, konnte leider unserer Programmbeschwerde vom 18.04.2015 weder folgen noch abhelfen, sodass wir nun Ihr Gremium um Befassung bitten möchten.

Informationen zum Gesamtvorgang können Sie folgendem Link entnehmen.

Nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer ist die Antwort des Intendanten vom 18.05.2015 alles andere als zufriedenstellend.

Im Beschwerdetext wurde allgemeinverständlich die mangelhafte Expertise der ZDF-Börsenexpertin Haller beklagt.
Die vom Intendanten erwähnten „herabwürdigenden Phrasen“ wurden von uns lediglich innerhalb abschließender Sätze in sehr allgemeiner Form bezüglich der Mindestforderung an eine Nachrichtensendung mit objektivem Informationsanspruch erwähnt.

Die Erwähnung der Ausführungen des Ex-Finanzministers Kudrin anlässlich „Putins Bürgersprechstunde“ innerhalb des Antwortschreibens des Intendanten lassen den Schluss zu, dass die westlichen Sanktionen keinerlei Einfluss auf die Entwicklung der russischen Wirtschaft hätten. Originell ist die Erwähnung des in Ungnade gefallenen und zum Rücktritt gedrängten Kudrin auch in Zusammenhang mit der Tatsache, dass dieser zu seinen Amtszeiten die Zentralisierungspolitik Moskaus mit fiskalischen Mittel stützte.

Da Kudrin inzwischen als Kreml-Kritiker unterwegs ist, wird seiner Expertise natürlich aus Sichtweise der Vertreter des „westlichen Wertesystems“ besonderer Stellenwert eingeräumt.

Auf diese Weise wird immer wieder aufs Neue die von uns beanstandete Parteilichkeit und mangelnde Neutralität innerhalb der Berichterstattung deutlich, die eindeutig im Widerspruch zu den Programmgrundsätzen und den Vorgaben des Staatvertrages stehen.

Nochmals zum Beschwerdegegenstand:

Situation Stand 10.04.2015: Der Rubel legte Anfang des Jahres im Vergleich zum US-Dollar um 16 % - im Vergleich zum Euro sogar um 31 % zu. Russlands Wirtschaft entwickelte sich somit wesentlich besser als spekuliert, die erwarteten großen Firmeninsolvenzen blieben ebenfalls aus und die große inländische Nachfrage stützte den Kurs des Rubels.

Das sollte für normal denkende Menschen, gerade im Interesse der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen und der Lebensumstände der Bevölkerung Russlands, ein Grund zur Freude sein.

Der russische Präsident Putin genießt bei der Bevölkerung eine stetig wachsende breite Zustimmung. Viele Russen haben nach Meinung des Strategen der ICBC Standard Bank, Tim Ash, wieder Vertrauen in den Rubel gefasst. So holten viele reiche Russen, gerade als sich Rubel und Aktienmarkt auf Talfahrt befanden, ihr Vermögen aus dem Ausland heim und investierten in die günstigen russischen Aktien, mit dem Resultat, dass der Leitindex RTS seit Januar 2015 um 35 Prozent zulegte. Sowohl Analyst Tim Ash als auch die Commerzbank rechneten im April (vor der beanstandeten Sendung) mit einer weiteren und dauerhaften Stabilisierung des Rubels.

Der Beschwerdegegenstand wurde hinreichend begründet, wie Sie unserem Schreiben vom 18.04.2015 entnehmen können. Auf unsere Überlegungen zum Expertenwissen Ihrer Mitarbeiterin Frau Haller möchten wir wiederholt hinweisen und hoffen, dass Sie als „Anwälte des Publikums“ die Diskrepanz zwischen Nachricht und Realität erkennen und entsprechend würdigen.

Drei mögliche Szenarien zur Erklärung der tendenziösen Analyse wären denkbar:

Gesetzt dem Fall, Valerie Haller war aufgrund ihrer Ausbildung und langjährigen Tätigkeit informiert über die thematisierten Sachverhalte, so ist von einer bewussten Täuschung des Publikums auszugehen.

War Frau Haller über die entsprechenden Hintergrundinformationen aus den Bereichen Aktien, Börse und Wirtschaft nicht im Bilde, so wäre dieser Programmplatz fehlbesetzt.

Verbreitet Frau Haller in einem öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformat lediglich die subjektive Sicht „westlicher“ Kapitalmärkte, wie Herr Kleber in seiner Abmoderation verkündete, dann ist mit dieser Art Information ein klarer Verstoß gegen Programmgrundsätze zu konstatieren.

Die Trennung von Meinungen und Informationen soll zudem für das Publikum eine gewisse Transparenz herstellen. Eine Vermischung von Nachricht und meinungsorientierter Darstellungsweisen ist innerhalb öffentlich-rechtlicher Medienanstalten durch klare Regelungen ausgeschlossen.



Wir hoffen, dass unsere Ausführungen, sowie innerhalb dieses Schreibens, als auch innerhalb der ursprünglichen Programmbeschwerde vom 18.04.2015, bei Ihrer Entscheidungsfindung angemessen Berücksichtigung finden.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
Vorsitzende
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Re: ZDF - Börsenexpertin zu Putins Bürgersprechstunde

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Frau Müller,

auf Ihr Schreiben vom 18. Juni 2015 habe ich entschieden, Ihre Programmbeschwerde zur o. g. Sendung gemäß § 21 Absatz 3 der ZDF-Satzung (Beschwerdeordnung) als förmliche Programmbeschwerde einzustufen und dem zuständigen Programmausschuss Chefredaktion als Beschwerdeausschuss zur Sitzung am 11. September 2015 vorzulegen.

Nach Behandlung der Beschwerde durch den Beschwerdeausschuss und einer entsprechenden Beschlussempfehlung an den Fernsehrat wird dieser in seiner Sitzung am 18. September 2015 über Ihre Programmbeschwerde beraten.

Über das Beratungsergebnis werden Sie im Nachgang zur Sitzung informiert.

Mit freundlichen Grüßen

Ruprecht Polenz
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Re: ZDF - Börsenexpertin zu Putins Bürgersprechstunde

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde datiert 22.02.2015, eingegangen am 01.04.2015 zur "maybrit illner"-Sendung vom 29.01.2015; Programmbeschwerde vom 03.03.2015 zur "heute"-Sendung vom 27.02.2015;
Programmbeschwerde vom 18.04.2015 zur "heute-journal"-Sendung vom 16.04.2015;
hier: Mitteilung über den Ausgang des Beschwerdeverfahrens gem. § 21 Absatz 3 ZDF-Satzung (Beschwerdeordnung)

Sehr geehrte Frau Müller,

nachdem der Beschwerdeausschuss sowie der Fernsehrat Ihre o. g. Beschwerden eingehend beraten haben, darf ich Ihnen gemäß § 21 Absatz 3 der ZDF-Satzung zum Ausgang des Beschwerdeverfahrens mitteilen, dass der Fernsehrat jede einzelne Programmbeschwerde in seiner Sitzung vom 18. September 2015 in Mainz abschließend als unbegründet zurückgewiesen hat.

Der Fernsehrat hat ebenso wie sein Beschwerdeausschuss keinen Verstoß gegen die für das ZDF geltenden Rechtsvorschriften festgestellt.

Mit freundlichen Grüßen

Ruprecht Polenz
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