ZDF - heute journal - Griechenland - Falschdarstellung

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Maren
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ZDF - heute journal - Griechenland - Falschdarstellung

Beitrag von Maren »

ZDF
Intendanz
Herrn Bellut
ZDF-Straße 1
55127 Mainz


Programmbeschwerde


Sehr geehrter Herr Bellut,

hiermit erheben wir formal Programmbeschwerde gegen den Beitrag Ihrer Brüssel-Korrespondentin Anne Gellinek im ZDF heute journal vom 14. Juni 2015 wegen Falschdarstellung.

Frau Gellinek berichtet: " Alle europäischen Beteiligten sprechen von einem Fiasko (...) Es ist wohl so, dass sich die Griechen auf keinem der umstrittenen Felder in irgendeiner Weise bewegt haben. Und am Schluss hätten sie sich sogar geweigert, die relativ hohen Militärausgaben Griechenlands zu kürzen."

Wie die von der griechischen Zeitung Kathimerini am Morgen des 15. Juni 2015 veröffentlichten griechischen Reformvorschläge zeigen, sind diese Darstellungen falsch:

1) Griechenland war erstmals der zuletzt genannten Forderung der Kreditgeber nach 1 % Primärüberschuss für das Jahr 2015 nachgekommen (wochenlang umstrittenes Feld).

2) Griechenland hatte eine Kürzung des Militärhaushalts um 200 Millionen Euro angeboten.

Quellen:
Kathimerini
Brüsselblog
Spiegel
n-tv.de

Wir bitten Sie um zügige und gemäß journalistischen Standards transparent zu erfolgende Korrektur.

Zum Zwecke der Transparenz werden wir diese Beschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
Vorsitzende
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Maren
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Re: ZDF - heute journal - Griechenland - Falschdarstellung

Beitrag von Maren »

Antwort des ZDF.
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Maren
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Re: ZDF - heute journal - Griechenland - Falschdarstellung

Beitrag von Maren »

ZDF
Intendanz
Herrn Bellut
ZDF-Straße 1
55127 Mainz

ZDF
Fernsehrat
Herrn Polenz
ZDF-Straße 1
55127 Mainz


Ihr Schreiben vom 10.07.2015
Programmbeschwerde vom 24.06.2015



Sehr geehrter Herr Bellut,

vielen Dank für Ihre Antwort auf die Programmbeschwerde vom 24.06.2015, den Beitrag Ihrer Brüssel-Korrespondentin Anne Gellinek im ZDF heute journal vom 14. Juni 2015 betreffend.

Es ist richtig, dass Sie bereits in einem anderen Zusammenhang erwähnten, dass die Beratungen in Brüssel nicht öffentlich und Ihre Korrespondenten vor Ort auf Berichte der Teilnehmenden angewiesen seien. Gleichwohl träfe dieses Dilemma wohl alle Medien gleichermaßen und wie unsere Quellen verraten, waren durchaus Berichte bzw. Quellen vorhanden, die im expliziten Fall die beliebte linguistische Vorsichtsmaßnahme „Konjunktiv“ komplett überflüssig machten. Informationen um Primärüberschuss, BIB und den griechischen Militärhaushalt können darüber hinaus beim besten Willen nicht als „pikant“ bezeichnet werden.

Griechenland hatte der zuletzt genannten Forderung der Institutionen nach einem Primärüberschuss von einem Prozent im Jahr 2015 zugestimmt, wie die Reformliste beweist, und auch eine Kürzung der Militärausgaben um 200 Millionen im Jahr 2016 angeboten.

Nicht weil Griechenland angeblich nicht verhandlungsbereit war, sondern obwohl die neuen Ziele akzeptiert wurden, sind die Verhandlungen über die Reformliste am Sonntag schlussendlich wiederholt abgebrochen worden, da die EU-Kommission die Vorschläge für unvollständig hielt.

Insofern zeigte bereits die pointiert vorwurfsvolle Anmoderation von Claus Kleber inhaltliche Schwächen und suggerierte einmal mehr, dass die alleinige Schuld für die desaströse Entwicklung der Schuldenproblematik in Griechenland einzig bei der neuen (linken) griechischen Regierung zu suchen sei:
„Die Griechenland-Gespräche sind gescheitert – wieder einmal. Das hatten wir ja schon oft, aber irgendwann ist es dann halt auch mal zu viel und die Sache fährt endgültig vor die Wand. (…)“.
Anne Gellinek vermittelte in ihrem Betrag den Eindruck, dass Griechenland sich in keinster Weise mit Vorschlägen in die Verhandlungen eingebracht hätte. Diese Auffassung entsprach zum damaligen Zeitpunkt schlicht und einfach nicht der Wahrheit und tut es auch heute nicht.

Entgegen des Thessaloniki-Programms von SYRIZA hatte die griechische Regierung weitgehende Kompromissvorschläge vorgelegt und viele Forderungen der Institutionen akzeptiert, so z.B. auch einen Primärüberschuss von 1% des Bruttoinlandsproduktes in 2015 und 2% des BIP in 2016, Änderungen bei der Mehrwertsteuer mit Mehreinnahmen von knapp 1% vom BIP und weitgehende Rentenreformen.

Diese Vorschläge waren zum Zeitpunkt der Ausstrahlung des heute journal bereits bekannt, wie die vorgebrachten Quellen beweisen.

Was den letzten Absatz Ihres Antwortschreibens anbelangt, so ist zunächst zu anzumerken, dass auch die Griechen Europäer sind. Im heute journal vom 09.08.2015 fiel auf, das Anne Gellinek ebenfalls von „den Europäern“ und „den Griechen“ sprach. Diese angewandte sprachliche Distanz legt ein beredtes Zeugnis darüber ab, inwieweit die Spaltung des europäischen Traums bereits mental vollzogen wurde.

Zu Ihren sicheren Quellen aus Verhandlungskreisen bezüglich der griechischen Militärausgaben:

Die gemessen an seiner Wirtschaftsleistung höchsten Rüstungsausgaben innerhalb der EU trugen sicher in einem gewissen Maß zur heutigen Verschuldung Griechenlands bei. In den letzten 5 Jahren hat Griechenland seine Militärausgaben kontinuierlich gesenkt.

Die neue griechische Regierung hat unmittelbar nach Amtsantritt sämtliche Rüstungsprogramme eingefroren. Das heißt, dass sich seit Amtsantritt von Tsipras kein Rüstungsprojekt im Stadium der Umsetzung befindet. Alle Rüstungsprojekte beschränkten sich laut des griechischen Verteidigungsministeriums auf Wartungs- und Reparaturmaßnahmen. Die neue politische Führung hat darüber hinaus eine interne Untersuchungskommission gebildet, die sich der Untersuchung diverser Rüstungsgeschäfte widmet, die auch der deutschen Rüstungsindustrie neuen Ärger bereiten könnte.

Bekanntermaßen verlangt die NATO von ihren 28 Mitgliedsstaaten Verteidigungsausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Griechenland übertraf im Jahre 2013 diese Forderung mit 2,3 %. Für 2016 plante Griechenland Einsparungen in Höhe von 200 Milliarden Euro, entgegen erster falscher Aussagen deutscher Medien.

BIB Militär.JPG
BIB Militär.JPG (89.16 KiB) 12705 mal betrachtet
All diese Informationen sind frei zugänglich und alles andere als pikant. Pikant ist in diesem Zusammenhang lediglich, dass öffentlich-rechtliche Medien nicht angemessen über dieses sensible Thema berichten.

Es ist prinzipiell überflüssig, eigene Korrespondenten nach Brüssel zu schicken, wenn diese nicht im Stande oder Willens sind, ihren Informationsauftrag für die Beitragszahlenden ordnungsgemäß zu erfüllen und Recherchetätigkeit, Erkenntnis von Zusammenhängen oder das schlichte Zuhören an den richtigen Stellen überfordert. Gemessen am Informationswert des beanstandeten Beitrages könnte - ohne jeglichen Qualitätsverlust - direkt aus dem Studio in Mainz aus den Meldungen von dpa oder Reuters zitiert werden, was Anne Gellinek offenbar beim beanstandeten Beitrag (von Brüssel aus) auch tat.

Den deutschen Medien - und insbesondere den für die Meinungsbildung wichtigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk - wird inzwischen auch im europäischen Ausland eine besondere Verantwortung dafür zugeschrieben, dass gravierende Fehler und Mängel der EU-Finanzpolitik nicht angemessen oder sogar verfälscht in die öffentliche Diskussion gelangen konnten. Die Berichterstattung in Frankreich und ganz besonders in den angelsächsischen Ländern ist zum Thema Griechenland laut Insidern eine komplett andere und agiert merkwürdigerweise nicht explizit und kontinuierlich zu Lasten der griechischen Seite.

Durch eine Berichterstattung, die dem europäischen Gedanken diametral entgegensteht, konnte sich im Laufe der Zeit eine gewisse feindselige Stimmung breit machen, die man landläufig als „Stammtisch“ bezeichnet und deren Verlauf sich eindrucksvoll am hauseigenen Politbarometer des ZDF ablesen lässt.

Genau hier sehen wir Programmgrundsätze verletzt. Desinformation schlägt sich vermehrt in Hass und irrationaler Zustimmung für Repressionen gegen andere Nationen nieder, fördert Ressentiments gegenüber anderen Völkern, spricht niedere Instinkte (Neid) an und gefährdet Demokratie und solidarisches Zusammenleben in Europa.

Die aktuelle humanitäre Situation in Griechenland ist den meisten Bürgern und selbstverständlich auch den Korrespondenten vor Ort hinlänglich bekannt und erfordert aus medienethischer Sicht besonderes Feingefühl und eine gewisse Verantwortung – auch im Hinblick auf selbstdefinierte Kodizes der Medienanstalten.

Satzung der gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts „ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN“ - § 3 (3):
„(…) Die Angebote sollen dabei vor allem die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland fördern sowie der gesamtgesellschaftlichen Integration in Frieden und Freiheit und der Verständigung unter den Völkern dienen.“
Wir verzichten explizit auf die Befassung des ZDF-Fernsehrates mit dem beanstandeten Beitrag, möchten aber darum bitten, dass die generelle Thematik in einer der nächsten Sitzungen des Fernsehrates angesprochen bzw. die Fernsehräte angemessen darüber informiert werden.

Zum Zwecke der Transparenz werden wir dieses Schreiben auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
Vorsitzende
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