Eine Medienkritik von Benjamin Kradolfer
Bekanntlich ist die Schweiz hoch offiziell weder EU- noch NATO-Mitglied, Rumänien aber schon. Die srf-Abendnachrichten vom vergangenen Montag aber, dem 25.11., schlagen nun in ihrem Beitrag zum überraschenden Erfolg des Nato-Kritikers Calin Georgescu im ersten Wahlgang der rumänischen Präsidentschaftswahlen lautstark Alarm: von der Möglichkeit einer „dramatischen Wende“ ist da die Rede, weil Rumänien, „ähnlich wie es derzeit die Slowakei und Ungarn sind, zu einem weiteren EU-Aussenseiterstaat“ werden könnte.
Was ist daran für uns Schweizer, so frage ich mich einigermassen verdutzt, so ungeheuer bedrohlich, wie es uns der Beitrag nahelegt? Was hat denn die Schweiz von EU- und NATO-Mitgliedern, nur weil sie angeblich deren Aussenseiter sind, mehr zu fürchten als von der EU und der NATO selbst? oder sind wir etwa trotz Nicht-Mitgliedschaft in beiden Vereinen dennoch irgendwie ein Insider-Staat in beiden? – Und zu meinem Leidwesen muss ich zugeben: Ja! genau das fürchte ich. So und nicht anders ist es! Und das, obwohl uns Schweizer, die wir so ja stolz sind auf unsere direkte Demokratie, bisher noch nie jemand danach gefragt hat, ob uns das so passt oder nicht, bzw.: wir haben, wenn man uns gefragt hat, immer Nein gesagt dazu, mit den beiden irgendwie fremdbestimmt mitzutun.
Und der Nachrichten-Beitrag, so leid es mir tut, bestätigt meine Befürchtung vollumfänglich. Und das tut er, indem er ausschliesslich auf Aspekte der Person Georgescu fokussiert, die uns Nachrichtenkonsumenten offensichtlich das Fürchten lehren sollen vor exakt diesem Rumänen: „Stramm pro-russisch, Verehrer von rumänischen Faschisten im zweiten Weltkrieg und offen antisemitisch“ sei er, „politisch weit rechts“, er „bewundert Wladimir Putin“ und „bediente sich religiöser Rhetorik und präsentierte sich als Retter Rumäniens“, srf-Osteuropa-Korrespondent Peter Balzli ist vor Ort und streut direkt in die Kamera das Gerücht, dass manche „wer-weissen, ob da etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist“ (ohne aber im Geringsten ins Details zu gehen; also ist, wer da wer-weisst, so will mir scheinen, erst einmal einfach er selber) etc. etc. – alles ganz, ganz schrecklich, und ja, liebe srf-Redaktion, ich hab's kapiert: Der Mann ist so gefährlich für uns Schweizer, weil er gefährlich ist für alles Rechtschaffene in der EU und in der NATO, und von diesen beiden sind wir ja schliesslich im Vergleich noch freundschaftlich umzingelt.
Dass Georgescu nebenbei auch noch studierter Agrarwissenschaftler und Uni-Dozent ist und von 2010-12 Sonderberichterstatter für Menschenrechte und gefährliche Abfälle des entsprechenden UN-Hochkommissariats war, ja: dass er sogar Mitglied des Club of Rome International in der Schweiz ist – derlei hat uns bei alldem überhaupt nicht zu interessieren. Soweit okay, es handelt sich ja auch nur um einen Abendnachrichten-Beitrag. Aber warum erzählt uns srf, wo der Mann doch für die NATO so eine Gefahr ist, nicht wenigstens, dass er an dieser schon 2016 heftige Kritik übte, als die Kiewer Regierung zwar schon zwei Jahre lang Krieg führte gegen die russland-nahen Ost-Ukrainer, die russische Invasion aber noch Zukunft war und der Schweizer Bundesrat die Neutralität von uns Schweizern noch nicht geschreddert hatte? Tatsächlich hat Georgescu bereits damals die Installation einer ballistischen NATO-Raketenschutz-Anlage auf einem Militärflugplatz beim rumänischen Dorf Deveselu (3300 Einwohner) als „Schande der Diplomatie“ und provokative Massnahme gegen Russland bezeichnet, weil es einen vorher auf diplomatischem Weg erzielten Abrüstungs-Erfolg zwischen der NATO und Russland flugs wieder zunichte machte. (Die Einrichtung ist übrigens nur ein Element eines NATO-Programms, das den schönen Namen „Active Layered Theatre Ballistic Missile Defence“ trägt, aber das heisst natürlich nicht, dass das Ganze bloss Theater ist – es geht tatsächlich um die NATO-Präsenz in Schwarzmeer-Nähe.)
Ebenfalls aufschlussreich an dem Beitrag ist die völlige Ausblendung der Tatsache, dass Rumänien im seinem Norden zufälligerweise mit der Ukraine eine 650 Kilometer lange Grenze teilt – Schweiz: 0km – und nur ganze 150 Kilometer die rumänische Schwarzmeer-Küste von der ukrainischen Großstadt Odessa trennen (dem entspricht in etwa die Distanz zwischen Solothurn im Nordwesten der Schweiz, wo ich wohne, und dem Bodensee im Nordosten); dass also Rumänien und seine Rumänen, die da zur Wahl gebeten waren, den Ukraine-Krieg einige hundert Kilometer näher vor ihrer Haustür haben als wir Schweizer, und dass sie ebenso wie wir und sogar die Ukrainer nie in einem Plebiszit nach ihrer Meinung gefragt worden sind, ob sie all die kriegsvorbereitenden „Anstrengungen“ und seit Februar '22 nun auch den Krieg überhaupt mittragen möchten – dass dies alles also schlicht und einfach und undemokratisch von oben herab verfügt wurde.
Ebenfalls ist im Beitrag kein Platz für den Grenzfluss zwischen dem nördlichen Rumänien und der Ukraine, der auf rumänisch „Tisa“ und auf deutsch „Theiss“ heisst, und über den seit Februar '22 über 2000 junge ukrainische Männer die Flucht vor der Einziehung in die ukrainische Armee und das Abkommandiert-Werden an die zig-tausendfach letale Front im Osten der Ukraine gewagt haben, wobei laut rumänischen Behörden mindestens 22 davon ums Leben gekommen sein sollen, und weitere werden vermisst, während die übrigen sich zu den Rumänen in Rumänien durchschlagen konnten; und deshalb heisst der Fluss inzwischen auf beiden Uferseiten nicht mehr nur „Tisa“ oder „Theiss“ sondern auch „Todesfluss“, und der dürfte seit Februar '22, so stelle ich mir vor, immer mal wieder für happigen Gesprächsstoff gesorgt haben, wenn die Rumänen miteinander bei Tisch oder auf der Arbeit oder am Telefon etc. über die Lage im Land und jenseits seiner Nordgrenze redeten. Darüber hinaus erfahren wir auch nichts darüber, dass solche sich miteinander unterhaltende Rumänen nicht nur einfach rumänisch sind, sondern durchaus auch deutsch-, ukrainisch-, ungarisch-, türkisch-, tatarisch-, roma-, lipowanisch-(etc. etc.)-rumänisch sein können. Den srf-Redakteuren scheint es also, wenn sie an Rumänien denken, überhaupt nicht in den Sinn zu kommen, dass derlei die Rumänen dort beschäftigt und vielleicht sogar ihre Wahlentscheidung beeinflusst haben könnte, indem für zahlreiche von ihnen der einzige Kandidat, der sich öffentlich gegen Krieg ausgesprochen hat, eventuell schlicht sympathischer rüberkommt (wie man so sagt) als die andern alle mit ihren notorischen EU- und NATO-affinen Heilsversprechen, die sich für die meisten Rumänen selbst noch nie eingelöst haben, eher im Gegenteil.
Was uns Otto-Normal-Schweizer hingegen interessieren darf und worin wir sogar bestätigt werden, ist das, was wir sowieso schon lange wissen, nämlich dass in Rumänien seit jeher eine elitäre Meute regiert, die den Rumänen schon längst und zur Genüge bewiesen hat, dass an ihr rein gar nichts verlässlich ist ausser ihrer Verlogenheit, ihrer Korruption und der persönlichen Bereicherung aus all den mafiösen Geschäften, für die sie sich von den Bedingungen zu Ceaucescu-Zeiten längst bestens umgestellt hat auf die heutigen, europa-unionistischen und transatlantischen – und dass der Rumäne als solcher aber dennoch grundsätzlich „europa-freundlich“ ist.
Dies lässt der Beitrag an Volkes Stelle auch die obligaten zwei Hanseln „von der Strasse“ in Bukarest bestätigen, die ein paar Sekunden lang etwas zur allgemeinen „Unzufriedenheit mit der politischen Führung“ sagen dürfen, deren Existenz uns der Korrespondent sicherheitshalber schon vorher in Erinnerung gerufen hat – nach dem Motto „Typisch Rumänien und seine Rumänen“ halt oder „Typisch Balkan“. Aber vom Krieg vor der Haustür oder von rumänischer Friedensliebe keine Spur – bloss: das kennen wir ja schon ein Weilchen von den allgemein üblichen TV-Nachrichten, dass das redaktionelle Info-Spielchen mit den zwei, drei einzelnen Volksgenossen und ihren ein, zwei zusammengeschnittenen Meinungs-Bröckchen noch lange nicht Volkes Stimme ist.
Aber für die Popos auf warmen Zürcher Redaktions-Sesseln darf es nun mal nicht sein, obwohl es garantiert so ist, dass es Rumänen geben könnte, die den üblicherweise regierenden und im Parlament parlierenden Kriminellen und Gangstern ausgerechnet einen Georgescu, der sich hoch problematische Äusserungen geleistet hat bezüglich der nazi-kollaborativen Vergangenheit Rumäniens und einiger damaliger Rumänen, vorziehen, und zwar schlicht weil er a) sonst noch nicht allzu viel Dreck am Stecken hat, und b) weil ihnen ihr Hemd (der unmittelbar vor der Haustür drohende Ausbruch des Dritten Weltkriegs) allemal näher ist als ihre Hose (der seit fast 80 Jahren vergangene Zweite). Und à propos regierende Nazis, liebe srf-Redakteure: Ihr täuscht euch gewaltig, wenn Ihr glaubt, es sei nicht längst auch hierzulande dem einen oder andern aufgefallen, dass lautstarke Verehrer von Nazi-Kollaborateuren für Euch (und beileibe nicht nur für Euch) nur dann ein Problem sind, wenn sie gegen den Krieg in der Ukraine sind, hingegen überhaupt keins, wenn sie z.B. in der ukrainischen Regierung sitzen und den Krieg dort aktiv befördern, sehr zu Lasten ihrer Ukrainer; und nicht einmal an unserer eigenen südlichen Landesgrenze ist es für euch ein Problem, wenn der zweithöchste Repräsentant der antifaschistischen Republik Italien und Senatspräsident Ignazio La Russa auf seinem Amtstisch eine Duce-Büste stehen hat.
Aber Krieg wird nun mal entgegen allen anders lautenden, hochheiligen Versicherungen, da bin ich felsenfest überzeugt, nicht gegen Länder oder ihre Führer geführt, sondern zunächst und zuletzt immer gegen ihre Menschen und sogar auch gegen die eigenen Staatsbürger, und zwar ganz egal, um was für einen Krieg es sich handelt: einen militärischen oder einen Wirtschafts- oder Informations- oder Drogenkrieg etc. – zur Zeit sind es vor allem die Ukraine mit ihren Ukrainern und der Nahe und Mittlere Osten mit seinen jüdischen und nicht-jüdischen Semiten, aber genau genommen natürlich auch der Jemen mit seinen Jemeniten oder der Sudan mit seinen Sudanesen etc. etc., die uns dies bei näherem Hinsehen täglich viel eindrücklicher demonstrieren, als es sich die srf-Nachrichten – und Gott sei's geklagt! nicht nur sie – angelegen sein lassen! Motto: Solange uns Schweizern nichts von den real existierenden Gräueln in die Stuben flattert, werden wir höchstens etwas gegen den Krieg haben, der angeblich ännet der Grenze von einzelnen Bösen gegen uns persönlich vorbereitet wird – der Krieg als solcher hingegen kann unter Umständen auch ein sehr guter sein, und was ihn zu einem guten macht und was zu einem bösen, das sagt man uns in den Nachrichten. Und an diesem Abend haben die srf-Hauptnachrichten eine Schlacht im Informationskrieg zwischen den Grossmächten USA und Russland geliefert, und zwar gegen uns Schweizer und ebenso gegen die Rumänen in Rumänien.
Und damit sind wir zurück bei den erwiesenermassen althergebracht-korrupten Regierungs- und Parlamentsriege Rumäniens: Dass die von den Rumänen abgewählt werden könnte, verursacht also den srf-Nachrichten offenbar akutes Herzflattern, man könnte direkt auf die Idee kommen, unsere verantwortlichen srf-Redakteure sässen lieber mit solchen Typen im gleichen Boot, als in der Frage von Krieg oder Frieden so etwas wie Volkes Stimme auch nur im Mindesten irgendwie zu gewichten oder auch nur ansatzweise zu erwägen, ob es da ev. einen möglichen Zusammenhang geben könnte zwischen dem ebenso unerwarteten wie unerwünschten Wahlergebnis und den transatlantischen Versprechungen, den Ukrainekrieg um jeden Preis (sprich: jeden!) zu verlängern und zu eskalieren.
Fürchten also – das ist die Botschaft, die bei mir angekommen ist – sollen wir Schweizer Nachrichtenkonsumenten uns in diesem Falle ausschliesslich vor ihm, dem Rumänen Calin Georgescu, und was das rumänische Wahlvolk anbelangt, vor seiner politischen Fehlbarkeit und Desinformiertheit – aber v.a. um Himmels willen nicht vor der EU oder der NATO oder aufgestockten Rüstungsetats auf Kosten von allem andern und was es sonst noch wirklich Bedrohliches gibt vor unser aller Haustüren, wie z.B. eine weitere Eskalation im Ukraine- oder sonst irgendeinem Krieg in der Welt, im Gegenteil: die schützen uns alle bloss vor dem Kriege hierzulande. So weit alles wie gehabt.
Aber dann gab es da noch diesen einen kleinen Satz, den der Moderator in dem Bericht fallen liess, und der mich aufhorchen liess: „Die Parteichefs der beiden Regierungsparteien sind“, so sagte er, in Reaktion auf das völlig unerwartete Staatschef-Präferenz „zurückgetreten, und das sechs Tage vor den Parlamentswahlen“. – Oho! Na so was aber auch! Happig! Allerdings hätte ich dazu schon gerne etwas mehr gehört. Meines Wissens geschah ja dergleichen nicht (oder noch nicht?) in Reaktion auf die andere berühmte Wahl, die noch keinen Monat zurückliegt und ebenfalls ein unerwartetes und hierzulande höchst unerwünschtes Ergebnis zeitigte, sowohl was den Sieger als auch was die Höhe des Sieges angeht – eine sehr unangenehme Überraschung, die uns die Amerikaner im demokratischen Amerika bereiten haben, mit der sich aber die srf-Redaktion, so mein Eindruck, überraschend rasch abgefunden hat, obwohl auch da der Sieger nicht ganz jeden Krieg so befürwortete, wie er ihn einfach zu befürworten hat, wenn er ein echter Demokrat und guter Transatlantiker sein will. Die abgewählten US-Dem-Chefs scheinen sich gegen dieses Übel auf eine andere Schock-Therapie als die rumänischen National-Gangster verlegt zu haben und wollen anscheinend dem unerwünschten Neuen noch schnell vor Torschluss ein drohendes Leben ohne Ukrainekrieg möglichst schwer machen, indem sie denselben so unverantwortlich eskalieren, wie sie dem Neu-Alten unentwegt vorwerfen, er sei es schon immer in allem gewesen – und die srf-Nachrichten haben sie dabei immer fest an ihrer Seite. Was aber hat es nun zu bedeuten, dass die Chefs der traditionellen Wahlvereine des kriminellen Milieus in Rumänien ruckzuck! den Schwanz einziehen und sich aus dem Staub machen, den sie selbst mit aufgewirbelt haben?
Aus direkten familiären Kontakten zu Rumänen in Rumänien weiss ich schon länger, dass in Krisenzeiten wie diesen der Rumäne als solcher gelegentlich von Anwandlungen heimgesucht wird, etwas ganz Neues zu wählen, jemanden, der eine Politik verspricht, die endlich mal nicht von den oben erwähnten traditionellen Mafiosi gemacht wird. Nicht dass ich dass für eine spezifisch rumänische Unart halte, aber dieser erste Wahlgang spricht eindeutig dafür, dass es hier wieder einmal dazu gekommen ist. Gleichzeitig aber weiss ich durch eben dieselben persönlichen Kontakte, dass der Rumäne als solcher zu guter Letzt dann doch fast immer die Gangster wählt, von denen er schon lange die Schnauze voll hat – und zwar ganz einfach, weil er schon immer die Schnauze von ihnen voll gehabt hat und sich insofern lieber für das Übel entscheidet, auf das er schon längst eingestellt ist und das ihm wenigstens keine wirklich neuen bösen Überraschungen zu bereiten verspricht. So gesteht beispielsweise eine meiner rumänischen Kontaktpersonen, die im öffentlichen Dienst ihr karges Brot verdiente, bevor sie ins reichere Bayern emigrierte, sie habe in ihrer rumänischen Heimatstadt aus genau diesem Grund schon wiederholte Male genau den Bürgermeister wiedergewählt, der ihr und ihren Kollegen und ihrer Familie mit seinen mafiösen Machenschaften und seinem arroganten Verhalten schon lange die Arbeit sauer und das Leben schwer machte, aber eben...
Nun sind aber solche regierenden Mafiosi bestimmt keine Dummköpfe, die auf eine unangenehme Überraschung wie die vom vergangenen Wochenende mit blanker Panik reagieren und sich auch noch den Zweiten Wahlgang, der am 8. Dezember stattfindet, widerstandslos klauen lassen. Ich gehe vielmehr davon aus – aber das kann ich natürlich nur mutmassen –, dass sie einfach beschlossen haben, ihr Führungspersonal zumindest zum Schein in die Wüste zu schicken, um den Rumänen in der kurzen Zeit, die ihnen bleibt bis zu den anstehenden Volks-Entscheiden am kommenden und am nächsten Wochenende, ein Spektakel der völligen Erneuerung und Umkrempelung von allem und jedem aufzuführen, bei dem wenigstens noch ihre Partei-Namen bzw. -Kürzel einen Rest Kontinuität suggerieren und eine ausreichende Anzahl Rumänen davon überzeugen, dass mit ihnen, den Mafiosi, trotz allem nötigen Wandel dennoch alles beim Alten bleibt – und das wäre vermutlich in etwa das einzige Versprechen, das nicht erstunken und erlogen wäre. Falls aber die Führungs-Wechsel nicht nur Schein sind, dann gehe ich eher davon aus – freilich auch das nur eine Vermutung –, dass die verlorene Wahl einfach eine günstige Gelegenheit für bestimmte mafiöse Fraktionen innerhalb der Parteien war, einen alten innerparteilichen Machtkampf mit andern mafiösen Fraktionen zu gewinnen und sich für die kommenden Geschäfte selber in die Pole-Position zu hieven.
Die Rumänen aber in Rumänien können sich bei alle dem relativ sicher sein, dass ihre Friedenswünsche für die Ukraine von den regierenden Mafiosi ebenso wenig gehört werden wie von srf. Und ich erlaube mir hier sogar noch eine weitere Mutmassung, für deren Wahrscheinlichkeit mir gerade der srf-Bericht mit all seinen Ober- und Unter- und sonstigen Tönen starke Indizien zu liefern scheint: Da ich mir sicher bin, dass diese Mafiosi auch mit nicht-rumänischen Kräften bestens verbandelt sind, welche ebenfalls ihre Rumänien-Geschäfte möglichst weiterbetreiben möchten wie gehabt; und da ausserdem auch auf offiziell unverdächtiger EU-politischer Ebene die „Europa-Freundlichkeit“ der Rumänen in Rumänien schlechterdings mit ihrem existenziellen Bedürfnis gleichgesetzt wird, dass alles für alle viel besser wird, indem sich garantiert nichts Wesentliches ändert, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es sogar transatlantische „Anstrengungen“ gibt, in diesen kurzen Fristen gerade noch rechtzeitig so etwas wie eine farbige Revolution gegen den Kandidaten Georgescu und ihm vergleichbare rumänische Tendenzen in Gang zu setzen; und Chancen, dass dies besser gelingt als jüngst der Versuch in Georgien, die Georgier zum einzig richtigen Abstimmungsverhalten zu drängen, sehe ich durchaus; zumindest bin ich zutiefst davon überzeugt, dass zwischen den rumänischen Mafiosi und den Interessen der europäischen und transatlantischen Kräfte bis in die höchsten Kreise hinein keinerlei Beziehungen gepflegt werden, die solchen Manövern im Wege stünden – und ich gehe jede Wette ein: im Erfolgsfall werden die srf-Nachrichten schon nächstes Wochenende erleichtert berichten, dass eine grosse Gefahr für uns Schweizer und überhaupt für Europa und die Welt abgewendet sei, und dass nun alles, alles gut werde, weil ja die EU und die NATO, der wir Schweizer zwar nicht angehören und auch nicht wollen, aber trotzdem... item: alles wie gehabt.
Aber noch ein weiteres Detail in dem Bericht machte mich stutzig: Da sagte doch der eine von den beiden obligaten Hanseln „von der Strasse“ in Bukarest, viele hätten Georgescu gewählt, „weil er keine politische Zugehörigkeit hat, er hat niemand an seiner Seite, er steht allein“, während der srf-Osteuropa-Korrespondent Balzli versicherte: „Er hat viel Unterstützung aus Russland bekommen“. Letzteres wurde uns im Beitrag tatsächlich von Anfang an mit grossem Nachdruck nahegelegt, indem Calin Georgescu praktisch als eins-zu-eins-Kopie von Vladimir Putin dargestellt war (sogar Judo machen beide, und auf Pferden reiten tun sie auch!) – aber wie passt das eine mit dem anderen zusammen? Wer liegt denn nun richtig? Ist besagter Hansel „von der Strasse“ einfach so blöd, dass er nichts schnallt und uns Schweizern gegen alle telegenen Gegenbeweise auf dem Bildschirm ins Gesicht hinein gesteht, dass er Georgescu nicht im Geringsten als das durchschaut, was er selbstverständlich ist, nämlich als Agent des Kremls? Oder ist an der Versicherung des Korrespondenten irgend etwas faul?
Ich tendiere eher zur zweiten Option und beziehe meine Gründe dafür direkt aus Herrn Balzlis „Beweisen“ für seine Unterstützungs-These: „Denn er sagte beispielsweise“ – so die Korrespondenten-Logik wörtlich – „Dinge wie, die Chance Rumäniens sei die Weisheit Russlands, oder er sagte, die Ukraine sei gar kein richtiger, sondern nur ein eingebildeter Staat“. Okay, Herr Balzli, wenn Sie das sagen, so will ich nicht sagen, dass der Mann das nicht gesagt hat – aber inwiefern ist es ein Beweis dafür, dass besagter Hansel auf der Strasse unrecht hat und in Wahrheit niemand geringerer als der Kreml hinter Georgescu steht? Warum verraten Sie uns, wo Sie doch vor Ort sind, nichts darüber, nicht einmal gerüchteweise, in welcher Form denn Putin den Herrn Georgescu unterstützt hat? durch Ratschläge beispielsweise oder gar Anweisungen, wie er den Wahlkampf führen soll? oder durch Geldspenden und wenn, in welcher Höhe? (Dass wir beispielsweise aus den USA längst wissen, dass es für sowas keine Obergrenzen zu geben braucht – ist das ein ausreichender Grund, es sogar dann zu ignorieren, wenn sich ein Putin tatsächlich analoges leistet?) Oder ist, wer gegen den NATO-Krieg ist und Dinge von sich gibt, die unsereiner als russische Propaganda zu identifizieren längst gelernt hat, einfach automatisch vom Kreml instruiert, bezahlt etc.? Ist also – etwas grundsätzlicher gefragt –, ein Fan von einem Idol auch automatisch von diesem Idol unterstützt (was immer „unterstützt“ auch heissen mag)? Und: Waren denn wenigstens die andern Kandidaten völlig unabhängig und es hat niemand falsches hinter ihnen gestanden, sondern einzig und allein wahre Rumänen?
Vermutlich bewege ich mich auf gefährlichem ideologischem Glatteis, wenn ich Herrn Balzlis eigenwillige Logik derart hartnäckig hinterfrage, vielleicht ich setze mich sogar automatisch dem Verdacht aus, selbst ein Putin-Troll zu sein, womöglich sogar ein bezahlter – in dieser Richtung sprächen allerdings meine Einkommensverhältnisse höchstens dafür, dass Putin ein hundsmässig knauseriger Auftraggeber wäre. Aber, verehrter Herr Balzli, und mit Ihnen auch die ganze srf-Nachrichten-Redaktion, ich versichere Ihnen: die Sache ist viel einfacher! Ich lebe nun mal schon mein ganzes Leben lang mit transatlantischen Propaganda-Vorwürfen gegen Nicht-Transatlantiker zum einen und mit transatlantischer Propaganda gegen Nicht-Transatlantiker zum andern und habe noch dazu auch in umgekehrter Richtung zahllose Erfahrungen und Bobachtungen gesammelt, und dabei meine ich etwas gelernt zu haben, und zwar folgendes: Es gibt ein Grundgesetz der Kriegs-Propaganda:
1. Über den Feind:
§ 1.1 nie etwas Gutes und immer nur Schlechtes;
§ 1.2 wenn das nicht reicht: aufbauschen;
§ 1.3 wenn § 1.2 nicht reicht: erfinden!
2. Über die eigene Seite:
§ 2.1 nie etwas Schlechtes und immer nur Gutes;
§ 2.2 wenn das nicht reicht: aufbauschen;
§ 2.3 wenn § 2.2 nicht reicht: erfinden!
3. Generelle Gültigkeit: Sämtliche unter 1. und 2. aufgeführten Paragraphen und Unterparagraphen gelten
§ 3.1 für alle Arten von Krieg: militärisch, Wirtschafts-, Informations- etc.
§ 3.2 für alle Kriegsparteien auf allen Seiten
§ 3.2.1 auf allen Kontinenten
§§ 3.3–1001 und zu allen Zeiten.
4. Abweichungen und Ausnahmen
§ 4.1 alle den Krieg betreffenden öffentlichen Verlautbarungen, welche den genannten Kategorien und Unter-Kategorien 1. bis 3. nicht entsprechen, sind nicht als Propaganda zu werten, sondern als Journalismus bzw. Informations-Beiträge für die Allgemeinheit.
(Weitere Ausnahmen: siehe Grundgesetze der Geschichtsschreibung, der Kunst, der Satire und der blossen Unterhaltung.)
Ob das, was nun bei Anwendung dieser Grundsätze, z.B. in einem srf-Bericht, herauskommt, wahr oder aufgebauscht oder erfunden ist – das zu beweisen, gelingt meist kaum eindeutig, es abzuwägen und zu beurteilen aber ist und bleibt in jedem Falle Aufgabe des Konsumenten, der – Gott gebe es! – ein mündiger Bürger ist. Dieser Herausforderung und damit auch Ihnen, meine werten Damen und Herren Meinungsmacher, gerecht zu werden – darum und um nichts anderes bemühe ich mich hier.
Abschliessend gebe ich gerne zu, dass ich mich in meiner Argumention vielleicht des öftern mal wiederhole. Aber angesichts der allgegenwärtigen Übermacht sich unentwegt und aufs Drögeste wiederholender Meinungsmacher sehe ich nicht ein, weshalb ich für meine Person deswegen ein schlechteres Gewissen als sie haben und mich zur Zurückhaltung zwingen sollte. Immerhin darf ich reinen Gewissens für mich in Anspruch nehmen, dass ich mich – ich wiederhole mich – nicht dafür bezahlen lasse, dass ich in aller Öffentlichkeit nichts zu sagen habe.
Rumänische Verhältnisse in den srf-Nachrichten
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