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Programmkritik zur Sendung Maybrit Illner vom 27.11.2025 mit der Bitte um Weiterleitung an die zuständige Redaktion von Maybrit Illner.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der o. g. Talkshow bemühte Elmar Theveßen ab Minute 57:55 („die Stelle, die ich immer gebetsmühlenartig gerne sage“) ein stark verkürztes Zitat des russischen Präsidenten Putin von 2002. Am Rande der NATO-Russland Konferenz in Rom im Mai 2002 habe Präsident Putin gesagt, kein Problem mit einem NATO-Beitritt der Ukraine zu haben.
https://www.zdf.de/talk/maybrit-illner-128
Putins Zitat aus der Pressekonferenz 2002: "Unsere Position zur Erweiterung der NATO ist bekannt, aber die Ukraine sollte nicht am Rande der globalen Prozesse zur Stärkung der Weltsicherheit stehen. Als souveränes Land kann sie ihre eigenen Entscheidungen zur Sicherung ihrer Sicherheit treffen."
Quelle: http://en.kremlin.ru/events/president/news/43122
Zum Hintergrund: Am 28. Mai 2002 unterzeichneten NATO-Generalsekretär George Robertson und der russische Präsident Wladimir Putin in Rom den Gründungsakt des NATO-Russland-Rates. Dieser Vertrag ersetzte den früheren Ständigen Gemeinsamen Rat und wurde in der Absicht geschlossen, die Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten zu verbessern, insbesondere in Sicherheitsfragen.
Präsident Putin hat auf der NATO-Russland-Konferenz in Rom im Mai 2002 eine Haltung eingenommen, die als Akzeptanz eines möglichen NATO-Beitritts der Ukraine interpretiert werden kann. Während einer abschließenden Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär George Robertson und dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi wurde Putin zu der Absicht der Ukraine gefragt, der NATO beizutreten. Er antwortete sinngemäß, dass die Ukraine als souveränes Land ihre eigenen Entscheidungen zur Sicherung ihrer Sicherheit treffen könne und ein solcher Beitritt die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine nicht belasten würde. Putin betonte zwar, dass Russlands generelle Position zur NATO-Erweiterung unverändert skeptisch sei, sah aber keinen grundsätzlichen Widerspruch für die Ukraine.
Was Elmar Theveßen in seiner „Gebetsmühle“ ausblendet, und den Kontrast zu Putins späterer Rhetorik schlüssig erklärt, ist die Entwicklung, die sich seit 2002 in Europa und der Welt zum erheblichen Nachteil der russischen Sicherheitsarchitektur vollzogen hat.
Zur Zeit der NATO-Russland-Konferenz war die Ukraine unter Präsident Leonid Kutschma neutral, äußerte aber zunehmend Interesse an einer engeren NATO-Zusammenarbeit. Der Gipfel selbst fokussierte jedoch auf die Verbesserung der NATO-Russland-Beziehungen, inklusive Kooperation in Sicherheitsfragen. Putin signalisierte insgesamt eine Phase der Annäherung an den Westen.
Bereits in seiner Rede vor dem Bundestag im Jahr 2001 unterstrich Putin seine Ablehnung einer NATO-Osterweiterung als Bedrohung und unterbreitete den Vorschlag einer pan-europäischen Sicherheitsstruktur ohne Ausgrenzung Russlands, sowie die Integration Russlands in europäische Strukturen:
"Europa wird sicher und langfristig den Ruf eines mächtigen und real selbstständigen Mittelpunkts der Weltpolitik festigen, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen Potenzialen vereinigt."
Historischer Wandel: Seit dem, von Herrn Theveßen bemühten 23 Jahre alten (!) Zitat, hat sich die NATO schrittweise erweitert. Die größte Erweiterungswelle fand 2004 statt und ebnete den NATO-Beitritt für Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, und Slowenien. 2009 folgten Albanien und Kroatien. Insgesamt hat die Erweiterung die NATO von 19 (1999) auf 32 Mitglieder (2025) wachsen lassen. Aktuell streben Bosnien und Herzegowina, Georgien und die Ukraine die NATO-Mitgliedschaft an. Georgien steht bereits seit 2008 auf der Warteliste, stößt aber auf russischen Widerstand. Inzwischen ist genau das eingetroffen, was Russland seit Jahren beklagt. Das Land wurde an seiner europäischen Außengrenze von einem potenziell feindseligen Militärbündnis eingekreist.
Zur Visualisierung:
Wenn Herr Theveßen meint, dass ein Politiker-Zitat von 2002 unbegrenzte Gültigkeit hat, so gilt das sicher auch für die nur wenige Monate vorher gehaltene Rede des russischen Präsidenten vor dem Deutschen Bundestag, die mehrmals von stehendem Applaus deutscher Abgeordneter unterbrochen wurde.
https://www.bundestag.de/parlament/gesc ... ort-244966
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https://www.zdf.de/unternehmen/organisa ... n-100.html
Talkrunden, in denen - entgegen dem Gebot der Meinungsvielfalt - nur gleichgesinnte Teilnehmer eine Agenda verfolgen, die der friedlichen Verständigung der Völker durch expliziten Ausschluss eines Vielvölkerstaates zuwiderläuft und durch permanentes Kriegsgerassel die Sicherheit des eigenen Volkes gefährden, entsprechen nicht den Vorgaben des Staatsvertrages und widersprechen eklatant dem Gründungsgedanken des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Aus Gründen der Transparenz werden wir dieses Schreiben sowie weiteren Schriftverkehr zum Thema auf der Webseite des Vereins veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Maren Müller
ZDF - Programmkritik Theveßen bei Illner
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