Intendant Dr. Willi Steul
Raderberggürtel 40
50968 Köln
Programmbeschwerde – Propaganda im Kinderprogramm des DLF
Sehr geehrter Herr Dr. Steul,
am 19.10.2016 wurden in der Kindersendung Kakadu (DLF-Kultur) durch den Korrespondenten Marcus Pindur äußerst fragwürdige und wahrheitswidrige Thesen aufgestellt, die dazu geeignet sind Kinder und Heranwachsende auf unzulässige Weise politisch zu indoktrinieren und damit ihre Entwicklung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu beeinträchtigen. Kindersendungen haben in der Regel erziehungspsychologische Standards zu beachten. Das schließt ein, dass auf Propaganda und grenzwertige Informationen verzichtet wird, deren Inhalte Ängste erzeugen, sowie zu seelischen und körperlichen Schäden bei Kindern und Minderjährigen beitragen können.
Marcus Pindur bringt die „besondere Leistung“ zustande, die kleinen Hörer in jedem einzelnen Satz seines Vortrages mit Lügen, Verdrehungen und unvollständigen Information zu konfrontieren sowie Ursachen und Wirkung der angesprochenen Konflikte völlig auf den Kopf zu stellen:
[…] „Der russische Präsident Putin führt derzeit zwei Kriege. Einen in der Ukraine und einen in Syrien. Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Hollande wollen Putin dazu bewegen mit beiden Kriegen aufzuhören. Das wird wahrscheinlich nicht funktionieren, weil Putin sich nicht an internationale Regeln hält. Er ist der Ansicht, dass er den russischen Einfluss in der Welt vergrößern muss und das auch mit Krieg. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Hollande haben mehrfach gesagt, dass Putin in Syrien schwere Menschenrechtsverletzungen begeht. Die russische Luftwaffe bombardiert Krankenhäuser und Hilfskonvois der Vereinten Nationen. Deshalb fliehen viele Syrer mit ihren Familien nach Deutschland. Auch in der Ukraine kämpfen trotz eines Abkommens russische Soldaten. Wie man Putin davon abhalten kann, ist aber nicht klar. Man könnte ihn unter Druck setzen, in dem man Russland bestimmte Waren nicht mehr verkauft. Das nennt man Sanktionen. Aber dafür müssten sich alle Europäer einig sein und das sind sie zurzeit nicht.“
http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/20 ... 3ea93a.mp3
Wir werden, um Redundanzen zu vermeiden, die einzelnen Passagen nicht auseinandernehmen und mit Ihnen diskutieren. Sie als Intendant wissen genau wie und aus welchen Gründen die Konflikte in der Ukraine und in Syrien begannen und wie sich entwickelten. Wir und die Mehrheit der Rezipienten wissen das auch. Selbst ein Marcus Pindur sollte, wenn er sich Journalist nennt und für einen öffentlich-rechtlichen Sender tätig sein darf, hinsichtlich diverser Sachverhalte im Bilde sein und auf seine Märchenstunden verzichten.
Erwachsene sind in der Lage, sich durch Erinnerungen, Recherche, Reflexion oder logische Einordnung von historischen Begebenheiten und/oder geopolitischer Interessenlagen vor Medienpropaganda zu schützen und eigene Schlüsse zu ziehen. Kinder in der Zielgruppe von 6 – 12 Jahren sind es (noch) nicht. Daher sollte es einem öffentlich-rechtlichen Radiosender ein besonderes Anliegen sein, Kindersendungen so zu gestalten, dass sie sowohl ethisch-moralischen Standards genügen als auch Faktenchecks standhalten.
Herausragendstes Merkmal von Propaganda ist neben der interessengeleiteten Intention die vehemente Einseitigkeit in der Darstellung von Konflikten und politischen Zusammenhängen. Niemals käme wohl ein Korrespondent des DLF (oder anderer öffentlich-rechtlicher Anstalten) auf die Idee, Kriege der NATO-Staaten in dieser Weise in einer Kindersendung zu thematisieren oder gar zu personifizieren auf Hollande, Obama, Blair, Clinton oder andere aktuell und in der Vergangenheit an völkerrechtswidrigen Kriegen und Menschenrechtsverletzungen beteiligten westlichen Staatschefs. Darin liegt die Absurdität und das Dilemma der angeblich unabhängigen und staatsfernen öffentlich-rechtlichen Medienanstalten in Deutschland.
Klare Worte (ab Minute 19) für diese Verfehlung einer dem Gemeinwohl verpflichteten Sendeanstalt fand auch der freie Publizist Ulrich Teusch anlässlich einer Buchvorstellung am 21. Oktober 2016 im Mainforum der IG Metall.
Die Bundeszentrale für politische Bildung führt in einem Artikel aus:
Da Kinder im Alter von 6 – 12 Jahren noch nicht entscheiden können was richtig oder falsch ist, obliegt es Elternhaus und Pädagogen, durch humanistische Erziehung und Bildung die Fähigkeit zu fördern Propaganda zu durchschauen und Kinder und Heranwachsende zu emanzipierten, empathischen und solidarischen Persönlichkeiten zu erziehen. Die Beteiligung interessengeleiteter Medien an diesem wichtigen Prozess ist eher kontraproduktiv, wenn sie in der beanstandeten Form erfolgt.(…) Charakteristisch für Propaganda ist, dass sie die verschiedenen Seiten einer Thematik nicht darlegt und Meinung und Information vermischt. Wer Propaganda betreibt, möchte nicht diskutieren und mit Argumenten überzeugen, sondern mit allen Tricks die Emotionen und das Verhalten der Menschen beeinflussen, beispielsweise indem sie diese ängstigt, wütend macht oder ihnen Verheißungen ausspricht. Propaganda nimmt dem Menschen das Denken ab und gibt ihm stattdessen das Gefühl, mit der übernommenen Meinung richtig zu liegen. Hier zeigt sich der große Unterschied etwa zur journalistischen Information: Journalisten betreiben Aufklärung, indem sie alle verfügbaren Fakten und Hintergründe darlegen und die Menschen selbst entscheiden lassen, was richtig und was falsch ist. (…)
Wir bitten nachdrücklich um eine entsprechende Korrektur des Beitrages, die den Erfordernissen an eine wahrheitsgemäße und sachliche Einordnung weltpolitischen Geschehens laut Deutschlandradio-Staatsvertrag entspricht.
Aufgabe öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten ist es nicht, an der Aufrechterhaltung von Narrativen und Feindbildern mitzuwirken, sondern durch ausgewogene, unparteiische, objektive und wahrheitsgemäße Berichterstattung den gesetzlichen Auftrag u. a. in Bezug auf seriöse Information und freie Meinungsbildung der Bevölkerung umzusetzen sowie der gesamtgesellschaftlichen Integration in Frieden und Freiheit und der Verständigung unter den Völkern zu dienen und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinzuwirken - insbesondere dann, wenn es um die Information von Kindern und Heranwachsenden geht.
Aus Transparenzgründen werden wir diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Maren Müller
Vorsitzende