Namensliste bei Verhandlungen in Istanbul übergeben / Russland überprüft Identitäten und Rückführung / Russischer Verhandlungsführer: Ukrainische Behauptungen von hunderttausenden „verschleppten Kindern“ war „Show“ für Westen
(multipolar)
Die ukrainische Regierung fordert die Rückgabe von 339 Kindern aus Russland. Bei den Verhandlungen in Istanbul übergab die ukrainische Delegation der russischen Abordnung am 2. Juni eine Liste mit den Namen der betroffenen ukrainischen Kinder, die von Russland während des Krieges „verschleppt“ worden seien. Der Leiter der ukrainischen Delegation, Rustem Umerow sagte, mindestens die Hälfte der Kinder müsse in die Ukraine zurückkehren, „wenn Russland sich wirklich für einen Friedensprozess einsetzt“. Der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, sagte, die Rückkehr dieser Kinder sei Teil eines gerechten und stabilen Friedens.
Der russische Verhandlungsführer Wladimir Medinski erklärte, jeder Name auf der Liste werde mit der „gebotenen Sorgfalt“ geprüft. Jedoch zeige die dreistellige Zahl, dass die ukrainischen Behörden aus dem Thema der vermissten Kinder zuvor jahrelang eine „Show für mitfühlende Europäer“ gemacht hat. Es habe geheißen, Russland habe hunderttausende Kinder entführt, später sei offiziell die Rede von 20.000 Kindern gewesen. Die ukrainische Seite sei Medinski zufolge wie im Hollywood-Film „Wag the Dog“ verfahren. „Um jemandem Tränen zu entlocken, zeigt man ihm am besten ein verlassenes Kind – oder noch besser ein Kind mit Kätzchen. Und sie zeigten es.“ Diese „beschämende PR-Kampagne“ müsse aufhören.
Die Liste verdeutliche Medinski zufolge, dass es „Dutzende von betroffenen Kindern“ gibt. Sie bedeute jedoch nicht, dass sich alle der genannten Kinder in Russland befinden. Bei früheren Namenslisten stellte sich bereits heraus, dass sich die aufgeführten Jungen und Mädchen in westlichen Ländern aufhielten. Die ukrainischen Kinder, die sich in Russland befinden, seien nicht „entführt“ worden, betonte Medinski. „Es sind Kinder, die von unseren Soldaten unter Lebensgefahr aus der Kampfzone gerettet und in Sicherheit gebracht wurden.“ Russland suche nach den Eltern der betroffenen Kinder und gebe sie zurück, sobald sich die Eltern melden. Alle Familien würden wieder zusammengeführt, sagte Medinski. „Das ist eine Frage der Ehre.“
Rund 1.350 ukrainische Kinder sind bis heute – unter Vermittlung von Drittstaaten wie Katar oder des Vatikan – in den vergangenen Jahren bereits aus russischer Obhut an ihre Eltern zurückgegeben worden. Die Beauftragte des Präsidenten für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa, bestätigte den Erhalt der aktuellen Liste und sagte, ihre Abteilung werde in Abstimmung mit dem Innenministerium an der Rückführung der Kinder arbeiten. Der Sender „Euronews“ erklärte die geringe Zahl der Namen auf der Liste mit einer ukrainischen Verhandlungstaktik. Laut einer ukrainischen Quelle bestehe die „Gefahr, dass Moskau versucht, Zeit zu gewinnen, indem es behauptet, die Überprüfung der Namen dauere länger, während es gleichzeitig versucht, die Identitäten der ukrainischen Kinder weiter zu ändern“.
Ukrainische Medien hatten im April 2024 berichtet, dass sich 161 vermeintlich nach Russland entführte ukrainische Kinder tatsächlich in Deutschland aufhalten. Dies hätten ukrainische Behörden in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt (BKA) ermittelt, teilte der Leiter der ukrainischen Polizei, Iwan Wigowski, nach einem Gespräch mit BKA-Chef Holger Münch mit. In den ukrainischen Berichten hieß es allerdings auch, die 161 Kinder seien durch Russland nach Deutschland entführt worden. Auf Anfrage des russischen Staatssenders „RT de“ hieß es vom BKA, die Kinder halten sich „regulär mit ihren Eltern“ in Deutschland auf und waren mit diesen zusammen zuvor aus der Ukraine in die Bundesrepublik gekommen. Nur wenige von ihnen stammten überhaupt aus den ukrainischen Gebieten, die von Russland besetzt sind.
Die „Nachdenkseiten“ kommentieren: Mit der am Montag übergebenden Liste „bricht eine im Westen verbreitete Verschwörungserzählung in sich zusammen“. Russland habe nicht systematisch zehntausende Kinder verschleppt, wie dies westliche Politiker jahrelang behauptet hätten. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring- Eckhardt (Grüne) hatte im Februar 2024 gesagt: „Man kennt die Namen von etwa 20.000 Kindern, die nach Russland entführt wurden.“ Experten schätzten, dass viele tausend weitere Kinder „verschleppt“ worden seien. Auch Medien wie die „Süddeutsche Zeitung“ oder die „Frankfurter Allgemeine“ nannten diese Zahl. Laut „Schätzungen von Hilfsorganisationen“ liege die Zahl der entführten Kinder bei 250.000 bis 300.000, hieß es im Oktober 2024 vonseiten der CDU-nahen „Konrad-Adenauer-Stiftung“. Wladimir Klitschko erklärte laut der Stiftung, die entführten Kinder würden in Russland einer „Gehirnwäsche“ unterzogen, in Keller gesperrt, gefoltert und zu zukünftigen Soldaten ausgebildet, um die Ukraine zu vernichten.
Die „Tagesschau“ hatte im März 2023 in einem Bericht zum Thema erläutert, dass viele Jugendliche aus der südukrainischen Region Cherson betroffen seien. Das Gebiet war kurz nach dem russischen Einmarsch im Februar 2022 von Russland besetzt worden. Im Herbst 2022 zog sich die russische Armee jedoch kurzfristig aus dem nördlichen Teil der Region hinter den Fluss Dnjepr zurück. Viele Jugendliche aus der Region, die zu diesem Zeitpunkt in russischen Ferienlagern etwa auf der Krim waren, konnten wegen des neuen Frontverlaufs nicht zurück. Ein 16-jähriger Ukrainer, der später wieder zu seiner Familie zurückkehren konnte, berichtete der „Tagesschau“, die Behandlung im Feriencamp war „gut“, es habe keine Gewalt und keine Umerziehungsversuche gegeben. Seine Mutter, die ihn im März 2023 aus Russland abholte, habe ihn demnach „problemlos“ mitnehmen können.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hatte im März 2023 einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und gegen die Kinderrechtsbeauftragte Lwowa-Belowa, wegen des Vorwurfs der „rechtswidrigen Deportation“ von Kindern aus der Ukraine nach Russland erlassen. Anfang Mai 2023 empfing der damalige IStGH-Präsident Piotr Hofmanski den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski und dankte der Ukraine für die Zusammenarbeit mit dem Gericht. Der polnische Jurist Hofmanski betonte die „Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichtshofs“.
Links im Original: https://multipolar-magazin.de/meldungen/0268
Ukraine fordert Rückgabe von 339 Kindern aus Russland
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