Medien und Nahost: Die Sprache der Gewalt

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Maren
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Medien und Nahost: Die Sprache der Gewalt

Beitrag von Maren »

Auszug: Hamas „massakriert“, Israel „reagiert“… Eine Auswertung von 11.125 Beiträgen zeigt, wie deutsche Medien die Realität der Gewalt in Nahost bis zur Unkenntlichkeit verzerren.

Der Begriff „Massaker“ tauchte 3408-mal auf. Er wurde fast ausschließlich für Gewalttaten der Hamas verwendet (94,3 Prozent, 3215 Fälle). Bei allen Fällen, in denen israelische Angriffe so bezeichnet wurden, (193 Fälle 5,7 Prozent), handelte es sich um Zitate.
Die Ergebnisse legen nah: Ausschlaggebend für die Bezeichnung von Gewalttaten ist weniger die Tat selbst sowie deren Ausmaß und Folgen, sondern vor allem, wer die Tag begeht und wen sie trifft. Während Redaktionen dazu neigen, die Gewalt Israels zu kontextualisieren, wird Gewalt gegen Israel sprachlich entkontextualisiert und dramatisiert.
(….)
Erstaunlich war am 1. Oktober 2024 aber nicht nur, mit welcher Geschwindigkeit sich die Ereignisse in Nahost überschlugen. Erstaunlich war auch, wie Medien darüber berichteten. Wer sich an dem Samstag in deutschen TV-Nachrichten über Irans Angriffe auf Israel und Israels Invasion des Libanon informieren wollte, bekam nicht nur einen Einblick in die Geschehnisse der Region, sondern auch einen Einblick in den manipulativen Umgang mit Sprache in deutschen Nahost-Redaktionen.

Eine „lokal begrenzte Bodenoffensive“ nannte die Tagesschau den israelischen Einmarsch in den Libanon. Von einer „begrenzten Operation im Grenzgebiet“ war in den ZDF-Heute-Nachrichten die Rede. Israel habe mit einem „begrenzten und gezielten Bodeneinsatz“ begonnen, erfuhren Zuschauer von ntv. Auch Welt-TV informierte sein Publikum über Israels „begrenzte Vorstöße und präzise Angriffe auf Hisbollah-Ziele“. Das Wording „begrenzt“ hatten die Redakteure übrigens alle einem Pressestatement der israelischen Armee entnommen.

Weniger begrenzt verlief – laut deutschen TV-Nachrichten – der iranische Raketenangriff einige Stunden später. “Iranischer Großangriff”, meldete die Tagesschau am Samstagabend. Das Publikum der ZDF-Heute-Nachrichten erfuhr: “Iran hat einen massiven Luftangriff auf Israel gestartet”. Dieser stellte laut ntv eine “Neue Eskalationsstufe“ dar. Der Titel der Sondersendung am Samstagabend bei Welt-TV dazu: “Irans Raketenterror.”

Dieselbe Region, derselbe Tag, dieselben Redaktionen und trotzdem zwei unterschiedliche Arten von Journalismus. Der eine euphemistisch und in der Sprache des Angreifers, der andere dramatisierend und verurteilend. Diese Diskrepanz in der Begriffswahl verwundert noch mehr, betrachtet man genauer, welche Ereignisse damit beschrieben wurden. Israels „begrenzte Bodenoperation“ sollte in den nächsten Wochen tausende Menschenleben kosten, Hunderttausende zu Flüchtlingen machen, ganze Stadtteile und komplette Dörfer dem Erdboden gleichmachen. Die Bilanz des „iranischen Großangriffs“: Einige Dutzend Einschläge ,hauptsächlich auf zwei israelischen Militärflugplätzen sowie in der Nähe des Hauptquartiers des Mossad mit insgesamt einem Toten.

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