wie ich gerade die Sendung "Die Schweiz stoppt Zuwanderer – Alarmsignal für Europa?" per Live-Stream schaue, fällt mir auf, dass im Umfeld von politischen Talk Shows (vermutlich aus Gründen der vermeintlichen Einfachheit) der sonst journalistisch obligatorische Konjunktiv weggelassen wird.
Das finde ich gefährlich, da hiermit die journalistische Neutralität untergraben wird. Willkürliche Worthülsen und nicht-gekeinnzeichnete Zitate werden einfach mal eben als faktisch hin gestellt. Dass dies (vor allem in Wiederholung) eine unterbewusste Wirkung auf den Leser hat, wurde eindrucksvoll von Viktor Klemperer gezeigt. Diese Masche birgt m.E. erhebliches Mißbrauchspotential - auch wenn dies nicht immer absichtlich passieren muss.
Screenshot:
Belege:
Bernd Lucke
Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg
Der Sprecher der Anti-Euro-Partei „Alternative für Deutschland“ ist überzeugt: Die Schweizer Abstimmung ist ein Signal für Deutschland. Denn auch wir brauchen qualifizierte Zuwanderer und keine Einwanderung in unsere Sozialsysteme.
Christine Haderthauer, CSU
Staatsministerin für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben
Für die Leiterin der Bayerischen Staatskanzlei steht fest: Die Volksabstimmung in der Schweiz sollte uns eine Lehre sein. Denn sie bestätigt die Linie der CSU, die Probleme offen anzusprechen und nicht unter den Teppich zu kehren.
Michael Hüther
Wirtschaftswissenschaftler
Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft ist irritiert: Die Schweiz hat von der Zuwanderung wirtschaftlich stets profitiert, will nun aber offenbar gut qualifizierte deutsche Akademiker nicht mehr ins Land lassen. Das ergibt überhaupt keinen Sinn.
Rolf-Dieter Krause
Der Leiter des ARD-Studios in Brüssel gibt zu bedenken: Dummheit ist in all unseren Verfassungen ein Grundrecht. Schade, dass in der Schweiz offenbar so viele davon Gebrauch machen.
Ralf Stegner, SPD
Der stellvertretende SPD-Parteichef ist entsetzt: Wer uns nicht passt, bleibt draußen – so stellen sich Schweizer Nationalisten also Europa im Jahr 2014 vor. Doch aufgepasst: Geistige Abschottung kann leicht zur Verblödung führen.
Hervorhebungen von mir.Roger Köppel
Der Chefredakteur des Schweizer Wochenmagazins „Weltwoche“ hat für die Begrenzung der Zuwanderung gestimmt und sagt: Nun steht die gesamte EU unter Druck. Denn würde man die Deutschen fragen, käme sicher ein ähnliches Ergebnis heraus.
(Der letzte Satz von Roger Köppel zählt nicht, da dieser dieser Konjunktiv dem Satzbau geschuldet ist.)
Weiter gesponnen: ein Nebeneffekt dieser Masche könnte ja auch folgender sein: wenn Aussagen als Fakten hingestellt werden (ohne Zitatstriche), die sich untereinander völlig widersprechen, dann wird der Wert von Wahrheit insgesamt ad absurdum geführt. Dadurch entledigen sich die öff.-recht. Medien von dem Anspruch, einen mehr oder weniger objektiven Blick auf die Wirklichkeit zu geben. Denn wo nichts richtig ist, aber auch nicht alles falsch sein kann, da spielt Alles irgendwann auch keine Rolle mehr.
Eure Meinung? Weitere Beispiele? Erklärungsansätze?