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https://netzpolitik.org/2024/compact-verbot-unter-freiheitsrechtlichen-gesichtspunkten-immer-problematisch/
Compact-Verbot: Warum gerade jetzt?
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gehört bei Compact zum guten Ton. Bekannt ist das seit Jahren. […] Wenn ein Revolverblatt und sein Chefredakteur seit mehr als zehn Jahren durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auffallen, mag die Nachricht vom Verbot des Magazins spontan Erleichterung und Freude auslösen. Aber von „Das wurde ja Zeit“ ist es nicht weit bis „Warum gerade jetzt?“ […] Für das aktuelle Medienverbot wurde also von Faesers Ministerium ein Zeitpunkt der eigenen Schwäche gewählt, zu dem die SPD hinter der von Elsässer bevorzugten AfD liegt. Auch bei der Europawahl am 9. Juni lag die Kanzlerpartei zwei Prozentpunkte hinter der AfD, die damit zweitstärkste Kraft hinter der Union wurde. […]
Für das aktuelle Medienverbot wurde also von Faesers Ministerium ein Zeitpunkt der eigenen Schwäche gewählt, zu dem die SPD hinter der von Elsässer bevorzugten AfD liegt. Auch bei der Europawahl am 9. Juni lag die Kanzlerpartei zwei Prozentpunkte hinter der AfD, die damit zweitstärkste Kraft hinter der Union wurde.
https://www.telepolis.de/features/Compact-Verbot-Warum-gerade-jetzt-9802942.html
Ist das Compact-Verbot rechtswidrig?
Faeser begründet das Verbot damit, dass „Compact“ ein „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“ sei. Es ist laut der Mitteilung auf § 3 Abs. 1 Vereinsgesetz (VereinsG) i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) gestützt. Gemäß Art. 9 Abs. 2 GG sind solche Vereinigungen verboten, „deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“. § 3 VereinsG stellt klar, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch eine Verbotsbehörde festgestellt werden muss.
Formal handelt es sich damit um ein Vereins- und nicht um ein Medienverbot. Es bezieht sich auf zwei Gesellschaften, die das Magazin bzw. den Online-Kanal „Compact TV“ ver- bzw. betreiben: die COMPACT-Magazin GmbH und die CONSPECT FILM GmbH. Die Gesellschaften sind damit zugleich aufgelöst. Demgegenüber sprach Faeser am Montag davon, „das Magazin“ verboten zu haben. Auch wird das Verbot laut Mitteilung ausschließlich mit den redaktionellen Inhalten des Magazins und von „Compact TV“ begründet. Ist ein solches faktisches Medienverbot über das Vereinsrecht zulässig?
Fraglich ist, ob das VereinsG hier überhaupt anwendbar ist. Denn im Gegensatz zum Vereinsrecht liegt die Gesetzgebungskompetenz für das Presserecht nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. David Werdermann, Jurist bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), ist der Auffassung, dass es sich bei dem Verbot in der Sache um eine Pressregulierung handele, welche in die Gesetzgebungskompetenz der Länder falle. „Das Vereinsgesetz ist insofern verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass Verbote nicht ausschließlich mit den Inhalten eines Presseerzeugnisses begründet werden können“, argumentiert Werdermann gegenüber LTO. […]
Auch Rechtsprofessor Christoph Gusy (Universität Bielefeld) äußert gegenüber LTO Bedenken, dass mangels Gesetzgebungskompetenz das Vereinsrecht ein solches Presseverbot nicht tragen könne. Er betont, dass § 3 VereinsG eine Schrankenregelung zur Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG), nicht aber zur Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) sei. „Selbständige Eingriffe in Art. 5 GG dürfen nicht auf das VereinsG gestützt werden“, so Gusy. Ein Verbot könne allenfalls gegen einen Verein ergehen, dessen „notwendiger Zweck“ der eines Presseorgans sei. „Dann wäre das Zeitungsverbot eine Art ‚Annex‘ eines Vereinsverbots. Aber selbst das ist noch keineswegs geklärt.“ […]
Klar ist, dass das BMI die Voraussetzungen für ein Verbot anhand einzelner Publikationen genau belegen muss. Auf welche Beiträge das BMI das Verbot genau stützt, ist bislang nicht bekannt. […]
Werdermann mahnt in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit an, dass auch die Möglichkeit milderer Mittel zu prüfen sei. Werden strafbare oder rechtswidrige Beiträge publiziert, so wäre es ggf. angezeigt, dass die Medienaufsicht darauf hinwirkt, dass diese offline gestellt werden, und dass ggf. die Staatsanwaltschaft ermittelt, anstatt die Vertreibergesellschaft insgesamt zu verbieten.
Der GFF-Jurist weist in dem Zusammenhang auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2010 hin. Der Gerichtshof hielt das Komplettverbot mehrerer türkischer Tageszeitungen für einen unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Meinungs- und Pressefreiheit).
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/compact-vereinsverbot-pressefreiheit-bmi-faeser-elsaesser-verein-verbot/
Das Bundesinnenministerium hat das rechtsradikale Sprachrohr „Compact“ nach dem Vereinsrecht verboten. Geht das überhaupt, ist das juristisch sicher und inwieweit ist die Pressefreiheit davon betroffen? Wir haben den GFF-Juristen Benjamin Lück dazu interviewt. […] Bei strafbaren, insbesondere volksverhetzenden Inhalten können die Strafverfolgungsbehörden schon heute tätig werden, aber das richtet sich eben gegen einzelne, konkrete Inhalte des Mediums und die jeweils verantwortlichen Personen, nicht gegen das Medium selbst. Ein Medienverbot ist unter freiheitsrechtlichen Gesichtspunkten dagegen immer problematisch. Ich bin gespannt, wie das Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht daher über diese Fragen entscheiden werden.
„Unter freiheitsrechtlichen Gesichtspunkten immer problematisch“
Kritik am Compact-Verbot: Solche Schritte würden „die Republik nicht stabilisieren“
Viele liberale Journalisten sehen das Compact-Verbot kritisch. Eine Auswahl der Reaktionen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat das Compact-Magazin verboten. Das teilte das Bundesinnenministerium am Dienstag mit. „Die Organisationen richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne von Artikel 9 des Grundgesetzes und § 3 des Vereinsgesetzes“, heißt es in einer Erklärung des Bundesinnenministeriums zum Verbot. Die Compact-Magazin GmbH verbreite „antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte“.
https://www.berliner-zeitung.de/news/kritik-am-compact-verbot-solche-schritte-wuerden-die-republik-nicht-stabilisieren-li.2235617
Neben den Webseiten compact-online.de und conspect-film.com sowie den Accounts auf Telegram, X, TikTok, Gettr, Facebook, VK und Whatsapp sind nun auch Youtube-Beiträge des Nutzers @JürgenElsässer7613 verboten, heißt es im Bundesanzeiger. Elsässer ist Gründer des Magazins Compact.
https://www.heise.de/news/Nach-Verbot-durch-Innenministerin-Magazin-Compact-nicht-mehr-online-9802500.html
Jochen Bitter: Bei aller Verachtung, die man für den rassistischen #Compact-Dreck haben muss:
Die hohen Hürden, die das GG vor einem Parteiverbot aufstellt, sprechen verfassungssystematisch eigentlich dagegen, dass eine Ministerin mal eben ein Medium verbieten darf, oder #JuraBubble?
Matthias Fischbach antwortete Bittner mit den Sätzen: „Habe auch meine Zweifel an diesem Vorgang. Dafür müssen mE wirklich gefährliche verfassungsfeindliche Bestrebungen eindeutig belegt sein. Mir ist außerdem kein Verschwörungsgläubiger bekannt, der nach einem Medienverbot von seinem Glauben abgefallen ist, im Gegenteil.“ […]
Der Journalist Sebastian Friedrich schrieb wiederum: „Mich wundert, wie groß die Freude über das Compact-Verbot bei vielen Linken ist. Egal ob man eher Junge Welt, analyse und kritik oder Jungle World liest: Dass die Normalitätsgrenzen offenbar enger gezogen werden, könnte sich mittel- bis langfristig als Bumerang erweisen.“ […]
Jens Bisky schrieb wiederum: „In den letzten Jahren Weimars wurden ständig Zeitungen, Zeitschriften, Plakate, Veranstaltungen verboten. Es hat die Republik nicht stabilisiert.“
https://www.berliner-zeitung.de/news/kritik-am-compact-verbot-solche-schritte-wuerden-die-republik-nicht-stabilisieren-li.2235617
Mika Beuster erwartet, dass das „Compact“-Verbot vor Gericht Bestand haben wird.
DJV-Chef Mika Beuster geht davon aus, dass das Bundesinnenministerium um Nancy Faeser beim Verbot des neurechten „Compact“-Magazins „juristisch sauber gearbeitet hat“, sagt er dem „RND“. Er sei sich sicher, dass das Verbot vor Gericht Bestand haben wird. Sollte die Behörde mit dem Verbot scheitern, weil sie „schlampig gearbeitet hat, wäre das politisch ein fatales Signal“. Beuster sieht bei „Compact“ die „Schwelle zum Extremismus überschritten“.
https://www.turi2.de/aktuell/mika-beuster-erwartet-dass-das-compact-verbot-vor-gericht-bestand-haben-wird/