Schlecht beraten? Die wirtschaftspolitischen Beratungsgremien der Bundesregierung in der Kritik
Das Arbeitspapier 65 untersucht erstmals die Zusammensetzung der wirtschafts- und finanzpolitischen Beratungsgremien der Bundesregierungen. Im Zentrum steht die Erhebung institutioneller Hintergründe sowie demographischer Merkmale aller 148 Mitglieder des Sachverständigenrates und der wissenschaftlichen Beiräte des Finanz- und Wirtschaftsministeriums im Zeitraum von 1982–2022.Die Ergebnisse zeigen, dass die Gremien seit Jahren von einer hohen personellen Kontinuität und einer damit einhergehenden geringen Perspektivenvielfalt geprägt sind. Kritische Stimmen gegen Sozialstaatsabbau, Privatisierung und Deregulierung bleiben in den Beratungsgremien eine Minderheit. Die personelle Zusammensetzung zeigt über die Jahre einen konstant hohen Anteil an männlichen Mitgliedern, Frauen sind unterrepräsentiert.Die Wissenschaftler Dieter Plehwe, Moritz Neujeffski, Jürgen Nordmann zeigen auf, dass es eine Modernisierung der Zusammensetzung braucht, um einen wirtschaftswissenschaftlichen und -politischen Pluralismus in den Beratungsgremien der Bundesregierung zu etablieren.
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Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass sich mit Blick auf Universitäten und Forschungsinstitute, in denen die Beiratsmitglieder zum Zeitpunkt ihrer Berufung beschäftigt sind, eine klare Hierarchie herausgebildet hat. „Zehn Institutionen vereinen knapp 42 Prozent der Mitgliedschaften auf sich“, so Plehwe, „außerdem finden wir eine Verengung auf die Disziplin der Wirtschaftswissenschaften“. Während Ökonom*innen auch in den Beiräten anderer Ministerien präsent sind, stellen die Autoren in ihrer Studie fest, dass umgekehrt sozialpolitische Expert*innen oder Politökonom*innen in den untersuchten Wirtschaftsberatungsgremien keine Rolle spielen. Zusätzlich verstärken außeruniversitäre politische und intellektuelle Netzwerke die Gruppenbildung. Austeritätsbefürworter*innen seien in Think Tanks und Netzwerken organisiert, die Verbindungen in mehrere Beiräte aufweisen, lautet ein Befund.„Spätestens seit der Finanzkrise 2008 ist klar, dass Märkte wieder stärker sozial eingebettet werden müssen, um nicht destruktiv zu wirken“, kritisiert Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung. „Dafür braucht es Beratung auf der Höhe der Zeit, die über den Tellerrand eines neoliberalen Austeritätsparadigmas hinaus auch andere Perspektiven wahrnimmt“.
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Wichtige wirtschaftspolitische Beratungsgremien der Bundesregierung sind seit Jahren durch hohe personelle Kontinuität und geringe Perspektivenvielfalt geprägt.
In den vergangenen 40 Jahren wurden stets restriktive Fiskal-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitiken befürwortet, Austerität war Fluchtpunkt der Empfehlungen.
Kritische Stimmen gegen Sozialstaatsabbau, Privatisierung und Deregulierung bleiben eine Minderheit, Frauen sind unterrepräsentiert.
Die Rekrutierung der Gremienmitglieder über wissenschaftliche Beziehungen und politische Netzwerke bewirkt einen intellektuellen Schließungsprozess.
Die jüngste Abkehr der Berater:innen vom strikten Austeritätskurs der vergangenen Jahre steht auf unsicherem Fundament und muss kritisch begleitet werden.
https://www.otto-brenner-stiftung.de/fi ... assung.pdf
Langfassung
https://www.otto-brenner-stiftung.de/fi ... ratung.pdf
Kurzfassung
https://www.otto-brenner-stiftung.de/fi ... assung.pdf