HR - Programmbeschwerde zum Versammlungsrecht während Corona

Hier veröffentlichen wir externe Programmbeschwerden mit freundlicher Genehmigung der Beschwerdeführer. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die in den Beschwerden thematisierten Anliegen ausschließlich in der Verantwortung der jeweiligen Beschwerdeführer liegen und diese nicht automatisch die Meinung der Forenbetreiber wiederspiegeln.
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Maren
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HR - Programmbeschwerde zum Versammlungsrecht während Corona

Beitrag von Maren »

Geschäftsstelle des Rundfunk- und Verwaltungsrats
Hessischer Rundfunk
Anstalt des öffentlichen Rechts
Bertramstraße 8
D-60320 Frankfurt

E-Mail: beschwerden-rundfunkrat@hr.de

Marburg, 16.06.2025

Betrifft: Programmbeschwerde zu Online-Artikel von Daniel Majić vom 01.03.2025

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 01.03.2025 veröffentlichte die hessenschau unter der URL https://www.hessenschau.de/gesellschaft/protest-und-pandemie---wie-in-hessen-das-demonstrationsrecht-verteidigt-wurde-v1,corona-demonstrationen-klagen-100.html einen Artikel von Daniel Majić mit dem Titel: „Versammlungen trotz Corona-Auflagen: Protest und Pandemie - wie in Hessen das Demonstrationsrecht verteidigt wurde“.

Bereits am 03.03.2025 hatte ich mich mit einer E-Mail an hzs@hr.de gewandt, in welchem ich Kritik am Artikel von Daniel Majić formuliert hatte. Bis heute habe ich darauf keine Antwort erhalten. Daher wende ich mich nun mit dieser Beschwerde an Sie.

Kurzfassung der Beschwerde

1.) Nachweislich unwahre Aussagen im Artikel
Folgende Aussagen im Artikel sind sachlich falsch, da sie den durch den Eilantrag von Michael Ballweg herbeigeführten Beschluss des BVerfG - 1 BvQ 37/20 - ignorieren: "Dass auch während des Lockdowns demonstriert werden durfte, ist aber das Verdienst von Flüchtlings- und Umweltaktivisten aus Hessen."
"Doch dass Maßnahmenkritiker und Impfgegner später auf die Straße gehen konnten, ohne dass die Demos aufgelöst wurden, verdanken sie dem Engagement hessischer Flüchtlingshelfer und Umweltaktivisten."
"Und auch die zahlreichen Demonstrationen aus dem sogenannten Querdenker-Spektrum wären ohne das Engagement der Seebrücke und der Projektwerkstatt Saasen so nicht denkbar gewesen."

2.) Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht

Wenn das Verschweigen des BVerfG-Beschlusses 1 BvQ 37/20 nicht aus der Absicht geschah, die Leser zu täuschen, dann muss es als grober Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht gewertet werden, zu welcher der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach §6 MStV verpflichtet ist.

3.) Diffamierende Sprache und fehlende Kennzeichnung als Kommentar

Mit den diffamierenden Framing-Begriffen "Impfgegner", "Corona-Leugner" und "Verschwörungstheoretiker" zeichnet der Autor ein extrem verzerrtes und damit falsches Bild der Teilnehmer an Demos gegen Lockdowns und Impfpflicht. Ob dies in einem Meinungsbeitrag oder Kommentar akzeptabel wäre, kann dahingestellt bleiben, da der Artikel nicht als solcher gekennzeichnet war, wie es §6 (1) Satz 3 MStV erfordert.

Ausführliche Begründung

Im strittigen Artikel berichtet Daniel Majić von Gerichtsverfahren zum Thema Versammlungsfreiheit während der Corona-Lockdown-Zeit im Jahr 2020. Zurecht weist er auf die wichtige Verfassungsbeschwerde der "Projektwerkstatt Saasen" hin, welche am 15.03.2020 den ersten Verfassungsgerichts-Beschluss (1 BvR 828/20) zu diesem Thema erstritten hatte (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/04/rk20200415_1bvr082820.html?nn=147200).

Nicht-Erwähnung des BVerfG-Beschlusses vom 17.04.2020

Allerdings behauptet er in seinem Artikel explizit, dass ohne diese Initiativen der zwei genannten Gruppen aus Hessen spätere Versammlungen von Kritikern der Coronamaßnahmen "so nicht denkbar" gewesen seien:
Zitate:
"Dass auch während des Lockdowns demonstriert werden durfte, ist aber das Verdienst von Flüchtlings- und Umweltaktivisten aus Hessen."
"Doch dass Maßnahmenkritiker und Impfgegner später auf die Straße gehen konnten, ohne dass die Demos aufgelöst wurden, verdanken sie dem Engagement hessischer Flüchtlingshelfer und Umweltaktivisten."
"Und auch die zahlreichen Demonstrationen aus dem sogenannten Querdenker-Spektrum wären ohne das Engagement der Seebrücke und der Projektwerkstatt Saasen so nicht denkbar gewesen."


Da der Autor im Artikel auch explizit auf das - wie er es nennt - "Querdenker-Spektrum" eingeht, gehe ich davon aus, dass ihm die damaligen Versammlungen in Stuttgart der von Michael Ballweg gegründeten Gruppe "Querdenken 711" bekannt sind. Daher gehe ich weiter davon aus, dass dem Autor auch der von Michael Ballweg erstrittene Beschluss des BVerfG vom 17. April 2020 (1 BvQ37/20) bekannt ist:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/04/qk20200417_1bvq003720.html

Wenn es also die – absolut begrüßenswerten – rechtlichen Schritte der "hessischen Flüchtlingshelfer und Umweltaktivisten" zur Erhaltung der Versammlungsfreiheit nicht gegeben hätte (, die in den BVerfG-Beschluss vom 15.4.2020 mündeten), dann wären aufgrund des von Ballweg (Querdenken-711) erwirkten BVerfG-Beschlusses vom 17.04.2020 die "zahlreichen Demonstrationen aus dem sogenannten Querdenker-Spektrum" definitiv GENAUSO "denkbar gewesen“!
Die Nicht-Erwähnung des von Ballweg (Stuttgart/Baden-Württemberg) erwirkten BVerfG-Beschlusses kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass sich der Artikel auf hessische Aktivitäten und Akteure beschränkt. Denn mit dem Verweis auf "Querdenken" sowie auf das Bundesverfassungsgericht macht er (FALSCHE!!!) Aussagen über die damalige Lage und die rechtlichen Entwicklungen bezüglich der Versammlungsfreiheit bundesweit ("so nicht denkbar", "ohne dass die Demos aufgelöst wurden".)

Verstoß gegen Wahrhaftigkeit und Sorgfaltspflichten

Diese Auslassung erscheint mir als klarer Verstoß gegen Ziffer 1 (Wahrhaftigkeit) und Ziffer 2 (Sortfalt) des Pressekodex. In §6 und §19 des Medienstaatsvertrages wird ebenfalls auf die „anerkannten journalistischen Grundsätze“ verwiesen:

„§6 Sorgfaltspflichten
(1) Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. https://www.ard-media.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/Dokumentation/ 5._MAeStV_MP-Dokumentation_I_2025.pdf

Demo-Verbote, Verschleppung anreisender Teilnehmer und Wasserwerfer trotz der BVerfG-Beschlüsse

Die Formulierung
"... dass Maßnahmenkritiker und Impfgegner später auf die Straße gehen konnten, ohne dass die Demos aufgelöst wurden"
ist noch aus einem weiteren Grund falsch: Trotz der BVerfG-Beschlüsse hatten zahlreiche Ordnungsämter und Verwaltungsgerichte Versammlungen verboten, und zahlreiche Demonstrationen wurden von der Polizei aufgelöst. Viele angemeldete Versammlungen wurden zunächst verboten und erst durch Eilverfahren ermöglicht. Andere blieben verboten und wurden zum Teil mit Wasserwerfern von der Polizei bekämpft (zum „Gesundheitsschutz“ der Teilnehmer), oder Anreisende wurden samt Reisebus verschleppt und in einem anderen Bundesland abgesetzt.

Bei sorgfältiger Recherche hätte der Autor dafür zahlreiche Beispiele finden können. Hier nur ein paar wenige Beispiele:

• Großdemo vom 29. August 2020 wurde zunächst verboten. Zitat: "... dass das Verbot der Versammlungen unter dem Namen „Fest für Frieden und Freiheit“ in Berlin am 29. August 2020 rechtswidrig sei. Dieses hatte der Berliner Polizeipräsident am 26. August mit Verweis auf das Hygienekonzept verboten."
https://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2020/08/Verwaltungsgericht-Berlin-Querdenken-Demos-ohne-Mundschutz-moeglich-345381
• Wasserwerfer-Einsatz bei (verbotenem) Protest gegen Infektionsschutzgesetz am 18.11.2020
https://www.berliner-zeitung.de/news/demonstranten-versammeln-sich-vor-dem-brandenburger-tor-li.119642
• 22.05.2021: "Polizei entführt Bus – Versammlungsfreiheit passé?"
https://weiterdenken-marburg.de/2021/05/28/busentfuehrung-pfingsten-berlin/
• August 2021: Themen-spezifische Komplett-Verbote gegen Coronamaßnahmen-kritische Demos legten Grundstein für unangemeldete "Spaziergänge" ab Herbst 2021
https://weiterdenken-marburg.de/2021/08/09/berlin-2021-08-01/

Das Hauptanliegen dieser Spaziergänge war im Übrigen die damals von der Politik geplante Impfpflicht.
Zuvor galt dies als "Verschwörungstheorie", siehe https://weiterdenken-marburg.de/2022/02/02/freie-impfentscheidung-keine-vt/

"Verschwörungstheoretiker"- und "Impfgegner"-Framing

Die Mehrzahl der damaligen Teilnehmer der "Querdenken"-Demos und Montagsspaziergänge waren in erster Linie Impfpflicht-Gegner und keine „Impfgegner“. Auch die Position, dass es gar kein Coronavirus gäbe (tatsächliche "Corona-Leugner"), war auf diesen Demos allenfalls eine vernachlässigbare Randerscheinung. Mit der Verwendung von Begriffen wie "Impfgegner", "Corona-Leugner" und "Verschwörungstheoretiker" zeichnet Danijel Majić daher ein wahrheitswidriges und diffamierendes Bild der Menschen, die sich an Demonstrationen gegen Lockdowns und Impfpflicht beteiligt haben.
Mit einem solchen Framing zerstören Sie bei allen Betroffenen Ansehen und Glaubwürdigkeit der Hessenschau im Speziellen und der öffentlich-rechtlichen Medien im Allgemeinen. Auch damit verstößt der Autor gegen die im Pressekodex genannten journalistischen Grundsätze.

Ziffer 1 des Pressekodex:
"wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien".

Durch die stark wertenden und abwertenden Begriffe bringt der Autor seine persönliche Meinung zum Ausdruck. Das darf er natürlich, sofern das Gesamt-Angebot durch die Veröffentlichung auch anderer Meinungen noch ausgewogen wäre. Allerdings ist der strittige Artikel nicht als Meinungs-Artikel oder Kommentar gekennzeichnet, wie es § 6 MStV vorsieht:

§6 (1) Satz 3 MStV
„Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.“

Ich bitte Sie, mir den Eingang dieser Beschwerde zu bestätigen und mich über den Verlauf des Verfahrens zeitnah zu informieren.

Mit freundlichen Grüßen
Frank Michler

Beschwerde als PDF:
programmbeschwerde_majic_wg_artikel_2025-03-01_npi.pdf
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Maren
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Re: HR - Programmbeschwerde zum Demonstrationsrecht trotz Corona-Auflagen

Beitrag von Maren »

Antwort an den Beschwerdeführer:
2025-06-26 Antwort an Dr. Frank Michler.pdf
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Widerspruch des Beschwerdeführers und Anrufung des Rundfunkrates: Eingangsbestätigung:
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