Hauptsache jung
Die Zahlen sind alarmierend: Anfang des Jahres legte die damalige Seniorenministerin Lisa Paus den Altersbericht vor, laut dem die Fälle von Altersdiskriminierung im Jahr 2023 um 70 Prozent zunahmen. Auch freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WDR werfen dem Sender Altersdiskriminierung vor, weil sie mit Erreichen des Rentenalters nicht mehr für den Sender arbeiten dürfen. Die größte ARD-Anstalt weist diese Kritik zurück, macht aber keine Angaben dazu, wie viele Personen von der Regelung betroffen sind. […]
Denn ein Jahr zuvor, im Januar 2024, fasste der WDR einen Beschluss in einem ganz anderen Geist. Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Rentenalter erreichen, sollen seitdem grundsätzlich nicht mehr weiterbeschäftigt werden. In internen Gesprächen, aber auch öffentlich wurde betont: Ausnahmen sollten nur für Prominente wie Götz Alsmann oder Christine Westermann gemacht werden. […]
In den vergangenen Monaten wurde betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach und nach mitgeteilt, dass ihre Beiträge bald nicht mehr erwünscht seien. Wie viele genau bisher angesprochen wurden, teilt der WDR freilich nicht mit. […]
Am neuen Projekt „Altersdiversität“ werden jedoch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rentenalter ausdrücklich nicht beteiligt. Nach Angaben der WDR-Kommunikation richtet sich das Projekt „an Kolleginnen und Kollegen unterhalb des gesetzlichen Rentenalters“.
Der Sender änderte mit dem Beschluss vom Januar 2024 eine nach Ansicht vieler Redaktionen bewährte Praxis. Personalrat und Redakteursvertretung kritisierten den Beschluss als altersdiskriminierend. Er schwäche außerdem das Programm und nehme den Redaktionen die Freiheit, selbst zu entscheiden, wen sie für die Übernahme von programmlichen Aufgaben am geeignetsten halten. […]
Ende des vergangenen Jahres seien 2.490 arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeitende für den WDR tätig gewesen, teilt der Sender dem epd mit: „Aktuell erreichen ca. 60 freie Mitarbeitende pro Jahr das Rentenalter.“ Unklar bleibt dennoch, wie vielen Freien die Weiterbeschäftigung mittlerweile konkret aufgekündigt wurde oder noch in diesem Jahr aufgekündigt werden soll. Darüber, wie häufig die Ausnahmeregelung in Anspruch genommen wurde, führe der Sender keine Statistik, erklärt eine Sprecherin. Fast alle anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten, die der epd zu dem Thema angefragt hat, waren in der Lage, konkretere Angaben zu machen. […]
Außerdem gehe es doch um Kompetenz: „Wir bewerben uns ja mit unseren Themen.“ Der Umgang des Senders mit ihr habe sie „sehr verbittert“, sagt sie.
https://medien.epd.de/article/3155