Wie man ARD & Co. für zwei Euro neu erfinden kann

Der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen plädiert in seiner Streitschrift für einen neuen ÖRR. Für einen, der wenig kostet und bei dem der Bürger mitentscheidet. […]

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen unabhängig, sachlich, wahrheitsgemäß und umfassend berichten, heißt es in Paragraf 26 des Medienstaatsvertrages. Doch „ARD und Co. beschränken sich bei zentralen politischen Themen auf ‚offizielle‘ Positionen, blenden Widerspruch entweder aus oder werten ihn ab, erlauben so keine öffentliche Debatte, die diesen Namen verdient“, schreibt Meyen. Folglich verfehlt der ÖRR seinen Auftrag, für den wir ihn bezahlen. […]

Der Fokus des Buches liegt im Aufzeigen der strukturellen Verhältnisse, die erklären, warum der ÖRR keine objektive und unparteiliche Instanz ist. Dies hat laut Meyen hauptsächlich mit drei Faktoren zu tun: den Aufsichtsgremien, der Allokation des Geldes und den Angestelltenverhältnissen. […]

Ob ARD und Co. ihren Auftrag erfüllen, dürfen „die entscheiden, um die es in den allermeisten Fällen geht: Regierungen, Parteien, Behörden, Verbände“. Sie schicken Vertreter, die in den Rundfunk- und Fernsehräten sitzen und den Sendern auf die Finger schauen sollen. […]

Waren vor 30 Jahren die meisten Programmmacher in Festanstellung, sind heute zwei Drittel Freiberufler.

Während Urgesteine des ÖRR wie Peter Hahne (ZDF, Berlin direkt) oder Gabriele Krone-Schmalz (ARD, Monitor, Studio Moskau) erklären, dass sie Druck stets abgeschmettert hätten, werden heute kritischen Mitarbeitern die Verträge einfach nicht verlängert oder ihnen wird sogar fristlos gekündigt. […]

Eine interne Umfrage des SWR hat 2024 ergeben, dass jeder dritte programmgestaltende Mitarbeiter erklärte: „Ich habe meine Meinung innerhalb der Redaktion nicht vertreten, aus Sorge, es könnte sich negativ auf die Vertragsverlängerung auswirken.“ Gar 62 Prozent erklärten: „Ich habe das Gefühl, innerhalb meiner Redaktion vertreten andere nicht ihre Meinung, aus Sorge, es könne sich negativ auf die Vertragsverlängerung auswirken.“ […]

Die erfolgversprechende Strategie derer, denen das jetzige System nützt, könnte nach Meyens Ansicht darin bestehen, „den Schleier zu lüften“: Was Staatsfunk ist, wird schlussendlich auch vom Staat aus dem Haushalt finanziert. Die Rundfunkgebühren werden abgeschafft.

Meyen beschreibt dies gar als Win-win-win-Situation. Der Schritt führe zu klaren Verhältnissen und nehme den aufmüpfigen Bürgern, die mehr Meinungsvielfalt verlangen, den Wind aus den Segeln. Der Wähler könne zudem an der Urne über den Umfang des ÖRR-Angebots entscheiden. Schlussendlich würden, wenn auch in geringerem Maße, die Journalisten profitieren, die „Klarheit hätten und sich außerdem über Statuten und Qualitätskriterien gegen Zumutungen aller Art wehren könnten“.

Viele europäische Länder haben die Rundfunkgebühr abgeschafft und sind den Weg hin zu Staatsmedien, finanziert aus Steuereinnahmen, gegangen. Darunter finden sich Belgien, Dänemark, Frankreich, die Niederlande oder Slowenien. Großbritannien steht mit der BBC kurz vor diesem Schritt. […]

Der Traumrundfunk des Professors aus München ist ebenfalls beitragsfinanziert. Allerdings würden laut Meyen zwei Euro pro Monat ausreichen, um einen funktionsfähigen ÖRR auszustatten, der sich auf Journalismus konzentriert. „Auftrag Öffentlichkeit“ lautet Meyens Medien-Ideal. „Alle Themen auf die große Bühne und alle Perspektiven“, so „dass wir uns selbst einen Reim darauf machen können“. Unterhaltung, Sport, Filme, Serien und Orchester wären dann nicht mehr Teil des ÖRR-Angebots.

Geloste oder direkt gewählte Publikumsräte würden den neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk kontrollieren.

https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/tv-medien/oerr-wie-man-ard-co-fuer-zwei-euro-neu-erfinden-kann-li.2354946